Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Um die Welt vom Sofa
„Über Wagner gibt es viele Legenden, aber diese ist keine davon“

  Wagnerhalle in Riga

In dem staatlichen Gebäude, mitten in der Altstadt Rigas, befand sich ehemals einer der schönsten Konzertsäle der Stadt. 2007 wurde der Konzertbetrieb in dem 1782 errichteten Gebäude eingestellt. Seitdem steht das Gebäude leer. Das soll nun geändert werden. Eva Wagner-Pasquier, die Urenkelin von Richard Wagner, im Gespräch mit Benjamin Weber. 

Von Benjamin Weber

Es ist bekannt, dass Ihr Vater auch hier in Riga zu Gast war und einige Opernaufführungen gesehen hat. Haben auch Sie eine persönliche Verbindung zu Riga?

Eva Wagner: Meine Beziehung zu Riga beginnt mit der Teilnahme am Festival d'Aix-en-Provence, damals war ich zum ersten Mal für ein Vorsingen in Riga. Das liegt 12-13 Jahre zurück. Danach war ich regelmäßig in Riga, habe Aufführungen besucht, sah „La bohème”, „Götterdämmerung”, habe die Musikhochschule besucht und an Vorsingen teilgenommen. Deshalb ist mir Riga lieb, und es ist fabelhaft. Ich komme hier immer wieder sehr gerne hin.

Was halten Sie von der „Riga Periode“ im Leben von Wagner? Denken Sie, dass sie marginal oder doch wichtig in seiner kreativen Entwicklung war?

Keine Frage, die „Riga Periode“ war sehr wichtig. Hier fand er die Inspiration für Orchestergraben, Beleuchtung und Amphitheater. Das ist ein sehr wichtiges Ereignis, obwohl das vielleicht nicht der beste Begriff ist, um es zu beschreiben. Er war ein junger Mann, hier lebte er mit seiner ersten Frau; es war eine fantastische Zeit.

Ist es wahr oder eine Legende, dass Wagner seine Inspiration für das Opernhaus Bayreuth gerade in Riga fand? Welchen Grund gibt es dafür? Hat er vielleicht etwas ähnliches anderswo gesehen?

Das ist keine Legende. Das ist wahr. In einem Gespräch wurde er über Riga und seinen Weg als Dirigent befragt. Wagner hat alle spezifischen Lösungen für Theaterräume aufgelistet, die im Opernhaus Bayreuth genutzt wurden. Über Wagner gibt es sehr viele Legenden, aber diese ist keine davon.

Die Premiere vom „Fliegenden Holländer“ fand zwar in Dresden statt, aber die zweite Aufführung war in Riga. Demnach kann man beurteilen, dass die Oper mit relativ wenigen Musikanten aufgeführt wurde. Das nennt man Kammerorchester. Falls es die Wagnerhalle zu renovieren gelingt, wie glauben Sie, wäre es möglich, den „Fliegenden Holländer“ dort in Kammerversion zu erarbeiten?

Diese Version wird in kleineren Theatern aufgeführt, mit sechs ersten Geigen. Ja, das ist wie eine Kammerversion. Aber, um so was zu hören, gibt es doch auch Universitäten und Schulen, die solche Aufführungen erarbeiten. Das ist so ein bekanntes Stück, dass man damit praktisch alles machen kann, man kann es sogar auf dem Klavier spielen. Zum Beispiel, bei einem Wettbewerb der Vokalisten benötigt man nicht 100 Geigen. Ich war gerade in Oberammergau, da sangen 120 Chorsänger fast pausenlos, aber solche Veranstaltungen finden statt, wenn 3000 Leute im Saal sind.

Jetzt sind Sie in Riga und erhalten ein Abzeichen mit der Inschrift “Wagner-Riga-2021”. Können Sie vielleicht mehr darüber sagen? Wie sind Sie dazu gekommen?

Vor einigen Jahren hat mir der ehemalige Premierminister geschrieben, dass er nach Bayreuth fahren und etwas mit mir besprechen möchte. Ich war einverstanden und er hat mir alle Ideen bezüglich des Wagner-Gebäudes, auch Wagnerhalle genannt, erzählt. Dieses Jahr im Juni kam er wieder und fragte, ob ich die Leiterin dieses Projektes werden möchte. Hoffentlich wird das Projekt bis 2021 fertig. Ich war, ganz klar, begeistert und habe den Vorschlag gleich angenommen. Deshalb bin ich vorgestern hierhergekommen, um zusammen mit dem Pilgerchor vom Dom bis zur Wagnerstraße zu laufen. Es ist ganz natürlich so was zu machen, weil es nicht nur für Riga, sondern auch für die Erinnerung an Wagner wichtig ist, dass dieses Zentrum eröffnet wird. Ich habe es mir gestern angesehen. Es ist fantastisch – so viele Räume und was aus der Idee geworden ist.

Welche Rolle spielt die Wagnerhalle in der Kultur hier? Und was sollte Deutschland tun, um die Renovierung der Konzerthalle zu unterstützen?

Es muss gesagt werden, dass seitens Deutschland bereits Aufmerksamkeit da ist, weil Guido Westerwelle hier war und sich die Wagnerhalle angeschaut hat. Auch Frau Merkel, glaube ich, hat das Gebäude von außen gesehen. Aber ich kann die Prozesse nicht auf politischem Niveau kommentieren, weil ich sie einfach nicht kenne. Aber ich weiß, dass einer der Bundestagabgeordneten hier gewesen ist und die Initiative sehr unterstützt. Wir können nur hoffen, dass dieser Ort international bei den verschiedenen Wagnergesellschaften bekannt wird. Die Leute hören davon. Ich spreche hier nicht über Wagner-Liebhaber, die muss man nicht informieren, die sind auch so ziemlich gut informiert. Aber über politischen Einfluss kann ich nichts sagen. Man kann nur hoffen, dass die Halle bis 2021 fertig wird und dann bekannte Personen zur Eröffnung kommen. Ich glaube so wird es auch, denn Riga ist eine wichtige Stadt, und Wagner ist hier von großer Bedeutung. Andererseits wäre es in einem europäischen Kontext sowieso ziemlich wichtig.

Können Sie ganz kurz beschreiben, wie es da drinnen aussieht? Sie waren ja da und haben es gesehen.

Ja, da muss man durch eine unendliche Reihe von Räumen gehen. Da fühlt man sich wie in einem Stanley Kubrick Film, das ist schwer zu begreifen – sie gehen die Treppe hoch, dann kommt noch ein Raum, danach kommt die Wagnerhalle, dann der Tanzsaal und noch ein Teesaal. Man kann durch diese Räume im Kreis gehen. Das sollte man nicht so lassen. Da wurde zehn Jahre lang nichts gemacht, das kann man einfach nicht so lassen oder gar ein Kasino oder ein Einkaufszentrum errichten. Ich glaube, die Gesamtfläche des Gebäudes beträgt 5000 Quadratmeter, aber das sollten Sie nachprüfen, vielleicht irre ich mich. Das ist ausgezeichnet für das Wagnermuseum, also das Zentrum für Leute in Riga. Das wäre ein Raum für Präsentationen von einheimischen Leuten und auch Künstlern, die von hier kommen.

Gestern, als ich in dem Gebäude war, waren zwei große Klassen da. Ich kam näher, weil jemand gesagt hat, dass Wagners Urenkelin da ist, und dann haben mich alle angeschaut. Nach Plan sollten sie sich eigentlich auch das Gebäude anschauen. Ein Lehrer erzählte ihnen über Wagner. Da waren Schüler aus England und Deutschland. Ich habe ihnen angeboten ein Foto zu machen, was ich normalerweise nicht mache, aber sie waren ganz begeistert. Sie sahen eine Tafel auf der Wand, auf der zu lesen war, dass Wagner, List und Schumann hier waren. Das ist ein echtes Abenteuer für sie, sie haben das gerade in der Schule gelernt.

Dieses Interview ist zuerst erschienen auf der Projektseite „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts.

Top