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Um die Welt vom Sofa
Estland und E-Mails

Die Fakten sind eindeutig. Deutschland ist die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und liegt weit vorne, was Innovationen und Entwicklung in den BereichenTechnologien und Patente angeht. Andererseits sollte man auch wissen, dass es ein anderes Land gibt, das als Inspiration dienen kann – Estland, wo ich derzeit lebe. 

Von Denisa Ballova

Die Esten haben so einiges, worauf sie stolz sein können, auch wenn sie das aus Schüchternheit und Bescheidenheit nie sagen würden. Allerdings fügen sie dem englischen Namen ihres Landes stolz ein zweites „e“ hinzu – wie in seinem estnischen Namen „Eesti“. Der Grund dafür: Estland ist besonders stolz auf die effiziente Digitalisierung seiner öffentlichen Verwaltung.

Das baltische Land hatte für Innovationen eigentlich nicht die besten Voraussetzungen. Estland erreichte 1991 die Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Moskau die soziale Mittel- und Oberklasse unterdrückt; die russische Regierung erlaubte den Esten lediglich, Tätigkeiten in der Landwirtschaft nachzugehen. Hinzu kommt, dass Estland ein kleines Land ist, das gerade so viele Einwohner hat wie Prag. Und trotzdem konnte sich das Land schneller und ohne kostenintensive Anschaffungen seitens des Staates eine Führungsposition im Bereich Digitalisierung erarbeiten.

Software für Skype geschrieben

Die erste elektronische Wahl der Welt fand hier 2005 statt. Außerdem können estnische Personalausweise vielfältig verwendet werden. Nutzer können sich dank eines digitalen Kartenlesers, der die Größe eines USB-Sticks hat, zum Online-Banking einloggen. Estnische Personalausweise werden nicht nur als Krankenkarte genutzt, sondern ebenso als Reisepass und Führerschein. Apotheken nutzen sie für ihre Treueprogramme und Bibliotheken akzeptieren sie als Nutzerausweis. Normales Papier brauchen die Esten eigentlich nicht mehr. Die meisten Situationen können mit einer E-Mail und einer elektronischen Unterschrift gemeistert werden. Wenn sie mit einem Amt in Kontakt treten, erhalten sie die notwendigen Unterlagen in kürzester Zeit als PDF-Dokument per E-Mail.

Allerdings sollte man auch die andere Seite betrachten. Die Esten haben Angst um die Sicherheit ihrer persönlichen Daten. Angriffe russischer Hacker bringen diese immer wieder in Gefahr. Einer der größten Cyber-Konflikte fand 2007 statt, als Hacker Server der Regierung und von Unternehmen attackierten und für einige Tage Bankkonten sperrten.

Auch wenn während dieses Vorfalls keine Daten verloren gegangen sind, speichert Estland nun Sicherheitskopien seiner wichtigsten Daten im Ausland ab, vor allem seit der Annektierung der Krim durch Russland 2014. Aus diesem Grund hat die Regierung dieses Jahr die erste „Datenbotschaft“ in Luxemburg eröffnet, die seit 2019 einsatzbereit ist.

So behalten die Esten ihre digitale Führungsposition. Übrigens, raten Sie mal, wer am Anfang die Software für Skype geschrieben hat? Ja, natürlich Esten. Ich bin überzeugt davon, dass dieses kleine Land eine Inspiration für Deutschland sein kann, das im Bereich Digitalisierung dann ebenfalls eine Führungsposition einnehmen könnte.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen auf der Projektseite „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts.

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