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Verlagswesen
Podcasts und Verleger

Bücher Podcasts für Verleger:innen
© Irina Djonkova

Nicht nur wegen der sozialen Isolation im letzten Jahr sind wir gezwungen, sowohl unsere professionellen Arbeitsweisen als Kulturstifter, sondern auch unsere persönlichen Verbrauchergewohnheiten zu ändern und uns immer häufiger an die digitalen Medien zu wenden. Die Nutzung von Computern, Smartphones und den dazugehörigen Geräten ist bereits weit verbreitet. Zahlreiche anwenderfreundliche Programme für Audio und Videobearbeitung stehen uns zum Hochladen und Herunterladen kostenlos zur Verfügung und daraus erwächst ein Wandel, den man als „horizontale“, digitale Revolution bezeichnet. Fast jeder Mensch, der über Ideen, ein bisschen Freizeit und ein technisches Verständnis verfügt, ist imstande, Inhalte zu erstellen und sie online zu verbreiten. Die weltweit am meisten verbreiteten und kostenlosen Plattformen geben diesen Prozessen einen entscheidenden Schub. Neue Phänomene im Bereich der Unterhaltung, der Information und Bildung rücken heutzutage in den Vordergrund, wobei der Podcast bei den jungen Leuten besonders beliebt ist – in seinem „klassischen“ Audio- oder in seinem anspruchsvolleren Video-Format.

Von Antoinette Koleva

Wie sehen die Tendenzen aus?

Laut einer Studie vom Digitaldistributor Bookwire, die unter deutschen Verbrauchern im Herbst 2020 durchgeführt wurde, sind Podcasts komplementäre Medien, die parallel zu fast allen anderen Medien genutzt werden (inkl. den Büchern). Mehr als 70 % der Verbraucher im Alter von 16 und 24 Jahren lieben es, Podcasts zu hören und obwohl das Interesse daran bei den älteren Generationen abnimmt, bleibt es bei 40 % der Befragten im Pensionsalter bestehen. Diese beeindruckenden Zahlen sind mit Forschungsergebnissen aus den Vereinigten Staaten vergleichbar – nach neuesten Angaben von Nielsen über das Konsumverhalten von Medienkonsumenten, wächst das Podcast-Publikum nicht nur quantitativ (5-fach in 10 Jahren), sondern es wird immer dynamischer hinsichtlich der Verbraucherprofile. Hier eine Zahl diesbezüglich, die für sich spricht: Laut dem Bericht von Nielsen beläuft sich der Umsatz mit Werbung in Podcasts auf etwa 1 Milliarde US-Dollar jährlich. Einer anderen Studie desgleichen Instituts zufolge, handelt es sich in Italien, wo das Hören von Podcasts sich während des ersten Lockdowns ohnehin einer zunehmenden Beliebtheit erfreut hat, um eine Steigerung von 15 %. Eine Forschungsstudie des französischen Ministeriums für Kultur bestätigt die wachsende Popularität des Podcast-Formats und empfiehlt sogar eine gezielte staatspolitische Förderung dieses Kulturphänomens.

Wie schneidet Bulgarien in diesem Bereich ab? Und wie lässt sich die wichtigere Frage beantworten: Was passiert mit der kleinen bulgarischen Verlegerwelt? Nutzt man hier den Podcast für die Erhebung der Sichtbarkeit von Büchern, d. h. als ein starkes, preisgünstiges modernes Instrument für direktes und indirektes Büchermarketing? Für die Durchsetzung von notwendigen Veränderungen in der Politik der Bücherbranche, für mehr Effizienz der unabhängigen Verlage oder für die Erhaltung der Bibliodiversität?

Kurz zum Anfang zurück

Das Wort „Podcast“ ist zum ersten Mal am Anfang des 21. Jahrhunderts, parallel zum Aufkommen des Phänomens verwendet worden und bedeutet in etwa: Die online Verbreitung von Inhalten, die privat und original sind (d. h. nicht reproduziert), welche die Verbraucher aus dem Internet auf ihre Geräte herunterladen und hören können, so viel sie wollen – „je nach dem Bedarf“. Den Begriff prägte Ben Hammersley in einem Artikel für The Guardian aus dem Jahr 2004. Die Frage, die er sich stellt, lautet: Wie lässt sich diese Revolution im Hör-Format bezeichnen? Unter seinen Vorschlägen sind zusammengesetzte Wörter wie „Audioblogging“, „GuerillaMedia“ aber auch „Podcasting“. Ein Pionier der Podcast-Szene ist ebenso der US-amerikanische Journalist Christopher Lydon. Im Jahr 2004 fand das Konzept immer breitere Verwendung und gewann an Popularität – auch dank der online Show „No Agenda“ von Adam Curry, der mittlerweile als sogenannter „podfather“ gilt.

Das Wort setzt sich zusammen aus „pod“ – die Bezeichnung für den tragbaren Audioplayer iPod, sowie aus „cast“ – was sich in etwa mit Aufzeichnung übersetzen lässt. Trotz verschiedener Versuche für eine Wortumprägung in andere Neologismen wie „netcast“ oder „Radio-on-Demand“, die in den folgenden Jahren vorgenommen wurden – z. B. haben die Franzosen vor kurzem die Bezeichnung „Audio-on-Demand“ vorgeschlagen – hat sich der Begriff „Podcast“ weitgehend durchgesetzt. Insbesondere nachdem das Technologieunternehmen Apple öffentlich erklärt hatte, dass es auf alle Urheberrechte bezogen auf das Wort „Pod“ verzichtet, welches ursprünglich auf das Produkt iPod aus dem Hause Apple zurückzuführen ist.

Machen wir nun Schluss und erzählen nicht weiter die spannende Geschichte des Podcasts, der, wie wir selbst sehen, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dieser Text ist eigentlich gezielt an jene Verleger gerichtet, die sich vermutlich bereits überlegen – oder sich überlegen werden müssen – wie sie sich mehr Aufmerksamkeit für ihre Neuerscheinungen verschaffen können. Schon bald wird sich vielleicht fast jeder Verleger gezwungen sehen, sich damit auseinanderzusetzen und das neue intelligente Marketing-Instrument zu nutzen. Genauso wie früher die Rezensionen in Feuilletons und die thematischen Sendungen in traditionellen digitalen TV- und Radio-Medien besonders wichtig für die Bücher waren, sind heutzutage die dynamischen Informationsdarstellungen in den sozialen Medien und die „Belebung“ der Bücher im Audio- oder Video-Podcast-Format schicksalhaft. Ein Bücher-Fan, der sich trauen würde, Podcasts selbst zu erstellen, kann dadurch seinen Ideen eine Reichweite verschaffen, mehr Popularität gewinnen oder als Influencer tätig werden (haben Sie schon einmal etwas über das neue Wort bookfluencer gehört?), indem er Bücher als Hobby liest und dafür aber bezahlt wird. Die Verleger ihrerseits können den Podcast vor allem als ein Tool mit riesiger Markteffizienz benutzen: Einerseits, als ein direktes Marketing-Instrument, da man durch die Podcasts die Bücher unmittelbar vor ihrer Veröffentlichung annoncieren und danach reklamieren kann; aber auch als ein indirektes Marketing-Instrument, um das positive Image des Verlags und seiner Kulturpolitik aufzubauen. Die Bedingungen dafür sind derzeit ausgezeichnet: Demian Sant’Unione (Suhrkamp Verlag Berlin) nach, sei die europäische Podcast-Welt im Unterschied zur Situation in den Vereinigten Staaten relativ frei vom Druck der Werbetreibender, bzw. von der „Verschmutzung“ der Podcast-Inhalte mit Werbung. Das gibt uns weiter eine Chance, die inhaltliche Seite dieses Media-Formats hervorzuheben und es als einen „Kulturbotschafter“ einzusetzen.

Bücher-Podcasts © Irina Djonkova Wie einfach oder wie kompliziert ist die Podcast-Erstellung – how to podcast?

Versuchen wir nun, die technischen und die inhaltlichen Aspekte der Erstellung darzustellen, indem wir diese Expertenratschläge befolgen.

Der erste Schritt ist die vollständige Konzeption: Möchten wir eine einzelne Sendung erstellen und erst nach den Ergebnissen die Entscheidung treffen, ob wir den Podcast ausbauen werden? Oder starten wir eine kurze Podcast-Reihe (5-10 Folgen), um dann die Reaktionen des Auditoriums zu berücksichtigen? Oder rufen wir eine zeitlich unbegrenzte Folge ins Leben? Im letzten Fall sollten wir unsere Ressourcen richtig einschätzen und schon mit der ersten Folge dem Publikum über die regelmäßigen Abstände der Sendungen Bescheid geben. Die meistverbreiteten Podcasts erscheinen einmal monatlich, in anderen Fällen liegen zwei oder drei Monate zwischen den Folgen oder sie sind einmal wöchentlich zu hören. Ein wesentlicher Bestandteil unserer Konzeption ist die Podcast-Dauer. Im internationalen Vergleich hängt sie von der Regelmäßigkeit ab: Die seltener ausgesendeten Folgen dauern länger (mit einer optimalen Länge von ca. 60 Minuten).

Der nächste Schritt besteht darin, das Podcast-Genre festzulegen. Einige von den beliebtesten Bücher-Sendungen sind Solo-Podcasts, d. h. ein Moderator bespricht verschiedene Bücher. Weitere Genres für abwechslungsreiche Podcast-Gestaltung sind das Interview (man lässt die AutorInnen zu Wort kommen) und die Diskussion mit mehreren Gesprächsteilnehmern. Der Podcast-Folge könnte je ein Buch oder eine thematische Auswahl an Büchern zugrunde liegen. Man könnte vor allem eigene Neuerscheinungen oder Veröffentlichungen unterschiedlicher Verlage präsentieren. Meiner Meinung nach beeindrucken die genreübergreifenden Produktionen am meisten. Eine produktionsbezogene Frage ist, ob wir den Podcast ausschließlich mit internen Kräften erstellen oder Außenexperten in Anspruch nehmen werden: z. B. können wir einen Gastgeber/Moderator einladen und zusammen mit ihm die Themen und Gäste auswählen; sowie die Aufnahme zur professionellen Bearbeitung weiterleiten.

Als nächsten Schritt sollten wir das Podcast-Format festlegen: Das Audio-Format ist unkomplizierter und hat womöglich ein breiteres Publikum. Allerdings können wir uns auch für das Video-Format (häufig als Videocast oder Vodcast bezeichnet) entscheiden: Es ist zeit- und kraftaufwendiger, ist aber als visuelle Strategie für mehr Online-Sichtbarkeit nicht unbedeutend.

Nachdem wir unsere Ziele, bzw. Inhalte strategisch definiert haben, kommen wir zum nächsten Punkt: die technische Ausstattung. Das Podcast-Mikrofon ist das wichtigste Zubehör für die Audio-Aufzeichnung. Die digitalen USB-Mikrofone eignen sich z. B. gut, wenn man nur eine Person aufnimmt. Dazu kommen selbstverständlich noch die Kopfhörer und eine Aufnahme-Software mit detaillierter Anleitung, falls wir Anfänger sind. Wird der Podcast von mehreren Personen betrieben oder sind mehrere Gäste eingeladen, dann sind die dynamischen Mikrofone oder die Kondensator-Mikrofone durchaus empfehlenswert. Die PCs, die über eine schnelle Internet-Verbindung und eingegliederte digitale Mikrofone verfügen, reichen für eine gute Verbreitung via der meist benutzen Plattformen für Online-Kommunikation wie Zoom, Google Meet etc. aus. Haben wir uns jedoch entschieden, einen Video-Podcast zu erstellen, brauchen wir dazu noch eine Kamera und die entsprechende Aufnahme- und Soundbearbeitungs-Software. Die Smartphones in neuer Generation mit ihren integrierten Kamera-Systemen machen es uns leicht, Videos aufzuzeichnen – ein Smartphone und ein Tripod reichen uns völlig aus. Unser Büro lässt sich als improvisiertes Studio nutzen. Selbstverständlich könnte ein Kameraassistent uns bei Seite stehen, verfügen wir aber über ein knappes Budget, ist dies nicht unbedingt notwendig. Eigentlich besteht der Charme des Podcasts gerade darin, dass sie nicht prätentiös sind. Die Durchführung der Aufnahme selbst ist von entscheidender Bedeutung. Den erfahrenen Podcast-Produzenten nach sollten wir die Aufzeichnung mehrmals anhören, um zu prüfen, ob alles gut klingt. Wenn einzelne Bestandteile nicht gelungen sind, wiederholen wir die Aufnahme. Letztendlich geht es dabei nämlich nicht um einen Livestream. Wenn die Aufnahme fertig ist, kommt als Nächstes die Bearbeitung – allein oder mit der Hilfe von Spezialisten. Zahlreiche kostenlose Lernsoftware-Programme bieten uns nahezu alles diesbezüglich an. Enthusiasmierte Fans unter den Studierenden könnten uns dabei auch bei Seite stehen. Um die bearbeitete Aufzeichnung in einen Podcast umzuwandeln, sollten wir uns überlegen, wie er erkennbar wird. Unsere erste Aufgabe ist die Erstellung eines visuellen Podcast-Logos, welches wir auch für unsere Internet-Präsenz und Werbung verwenden werden. Wenn es sich um einen Video-Podcast handelt, kommt das Logo als Intro und Outro während jeder Folge hinzu. Der zweite Teil der Identifikation ist das musikalische Logo. Das Podcast-Intro sollte nicht länger als 10 Sekunden dauern. Wenn wir keine anderen Ressourcen zur Verfügung haben, können wir zahlreiche Plattformen nutzen, die lizenzfreie Hintergrundmusik und Soundeffekte anbieten (wobei natürlich die urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu berücksichtigen sind). Der dritte Schritt zur finalen Identifikation unserer Podcast-Folge ist die Wahl des Namens. Am besten wäre es, so der Experte, wenn wir im Namen einem Hinweis auf unseren Verlag mit einbauen.

Was folgt nach der Montage der Audio- oder Videoaufzeichnung? Selbstverständlich diese hochzuladen, d. h. ins Netz zu stellen. Dies geschieht auf eine Weise, die zur gesamten Content-Strategie unserer Webseite oder unseres Blogs passt. Die Auswahl des richtigen Podcast-Hosts ist ebenso entscheidend. Unter den beliebtesten, preisgünstigsten oder vollkommen kostenlosen Plattformen sind: iTunes, Spotify, Audible (Amazon), Google Podcasts, Soundcloud, Acast, Stitcher und Podbean. In Bulgarien ziehen die erfolgreichsten Podcast-Reihen die Plattform Youtube üblicherweise vor.

Übrigens ist meiner Meinung nach das Buch: Podcasting! Von erfahrenen Podcastern lernen von Larissa Vassilian – die deutsche Journalistin, die die berühmte Podcast-Folge „Schlaflos in München“ ins Leben gerufen hat, für alle Einsteiger empfehlenswert.
Webinar "Die Bücher-Podcasts: wie wir sie erstellen können, warum sollten wir sie verwenden?" © Irina Djonkova

Schauen wir uns um

In Bulgarien gibt es die Bücher-Podcast-Folgen mit einem Fokus auf lesenswerte Neuerscheinungen oder Literaturdiskussionen bisher noch nicht sehr häufig. Es gibt kaum Verlage mit eigenen Podcast-Webseiten. Als Beispiel für einen Corporate Podcast lässt sich Booklover.bg mit seinen als „Rezensionen“ bezeichneten Videosendungen nennen. Hier wurde eine gute Balance zwischen Werbung und Information gefunden, die wichtig ist, wenn es um Bücher geht. Soweit ich es einschätzen kann, wird diese Bücher-Podcast-Reihe zukünftig an Regelmäßigkeit gewinnen. In diesem Zusammenhang sollte man auch die Podcast-Folge von Stefan Rusinov „Footnote“ erwähnen, die jedoch nur der Literaturkritik gewidmet ist. In naher Zukunft werden wir sehen, was in der bulgarischen Bücher-Podcast-Szene passiert. Jedenfalls würde ich mich auf neue Podcast-Folgen mit breiterem Themenspektrum wie z. B. das Projekt Ratio freuen.

Steht die Entwicklung des Bücher-Podcast-Marktes in Bulgarien erst noch bevor? Welche Formate sind weltweit als gute Beispiele zu erwähnen? In der deutschsprachigen Welt steht für mich persönlich die Video-Podcast-Folge von Suhrkamp Verlag: „Suhrkamp espresso: ein Thema – vier Bücher“ an der Spitze. Im US- und englischsprachigen Raum nenne ich einige Podcasts, die laut der sich mehrenden Charts als beliebteste gelten: Das sind der wöchentliche „The Guardian Books Podcast“, der monatliche „Fiction Podcast“ von New Yorker, der BBC-Podcast „Books and Authors“, der übrigens tiefgreifende Literaturdiskussionen anbietet, sowie „Freedom, Books, Flowers & the Moon“ – der wöchentliche Podcast für Kultur und Ideen von Times Literary Supplement. Die Beispiele für Podcast-Reihen der weltweit etablierten Verlage sind unüberschaubar.

Die Schlüsselfrage ist nun Folgende: Wenn die Verleger Bücher-Podcasts erstellen möchten, sollte dies nur in Form von Werbung geschehen? Das Informieren, Bilden und Unterhalten einerseits und die Werbung andererseits lassen sich zusammenzufügen. Die richtige Balance dazwischen zu finden, ist jedoch schwierig. Der Slogan einer der meistgenutzten Streaming-Plattformen lautet „Listening is everything“. Für die Bücher-Podcast-Welt ist also die optimale Beziehung zwischen kulturellem Input und Werbung von entscheidender Bedeutung.

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