Jubiläum
Das erste „westliche“ Kulturinstitut in Bulgarien

30 Jahre Goethe-Institut
Das Sommerfest anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Goethe-Instituts Bulgarien | Foto: © Photo-Corps

2019 feierte das Goethe-Institut Bulgarien sein 30-jähriges Bestehen mit einem vielfältigen Programm von Veranstaltungen, einem Sommerfest und einer Jubiläumsausstellung. Das Jahresende ist vielleicht ein guter Anlass für einen Rückblick auf die hochinteressante Geschichte und Vorgeschichte dieser Präsenz.

Ein Jahr nach der Gründung des „Goethe-Instituts zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland“ in München wurde 1952 die erste Auslandsniederlassung des Instituts eröffnet, etwa 500 Kilometer in gerader Linie von Sofia entfernt. Der Ort war Athen – damals so nahe und doch so fern – die Volksrepublik Bulgarien nahm erst 1964 diplomatische Beziehungen zu Griechenland und 1973 zu der Bundesrepublik Deutschland auf.

Ebenfalls im Jahr 1952 wurde in der Deutschen Demokratischen Republik die „Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland“ (GkV) gegründet mit dem Schwerpunkt auf der Koordinierung der Aktivitäten in den volksdemokratischen Ländern. Später wurden die Befugnisse zur Eröffnung von Reisebüros und Buchhandlungen in die Zuständigkeit der Gesellschaft aufgenommen, welche „der kulturellen und politischen Aufklärung über die DDR“ dienten. Auf dieser Basis wurden die Kultur- und Informationszentren (KIZ) der DDR errichtet. Das erste dieser Kultur- und Informationszentren öffnete seine Türen 1956 in Prag.

Das KIZ in Sofia wurde 1969 von Prof. Dr. Robert Alt eröffnet, Vizepräsident der Liga für Völkerfreundschaft, Nachfolger der Tätigkeit der GkV in der DDR.

Kultur- und Informationszentrum (KIZ) der DDR in Sofia
„In den Ländern des Warschauer Pakts werden auch Geschäfte betrieben, die Bücher und Schallplatten aus der DDR verkaufen. Dort wird die Unterhaltung der Zentren weitgehend durch die Gewinne von diesen Geschäften gewährleistet.“ Jahrbuch 1989/1990, Goethe-Institut München | Foto: © Zentrales Staatsarchiv
Dem Jahrbuch 1989/1990 des Goethe-Instituts konnten wir interessante Informationen über die KIZ entnehmen – dort steht, dass die DDR zu jenem Zeitpunkt insgesamt zehn Kultur- und Informationszentren im Ausland betrieb (Sofia, Budapest, Prag, Bratislava, Warschau, Krakau, Helsinki, Stockholm, Paris, Damaskus), mit dem Ziel, die deutsche Kultur und insbesondere die DDR in ihren verschiedenen Aspekten zu präsentieren, aber auch im Bereich der Sicherheit und politischen Kontakte tätig zu sein“. Derselben Quelle nach hatte das Goethe-Institut nicht die Absicht, diese Zentren zu übernehmen.

Das erste „westliche“ Kulturinstitut in Sofia

Im Spätherbst 1988 unterzeichneten Bulgarien und Deutschland ein Abkommen über den Austausch von Kulturinstituten in Sofia und München. Somit wurde das damals einzige westliche Kulturinstitut in Sofia am 1. Mai 1989 offiziell eröffnet. In der Jahresbewertung der Zentrale steht, dass dem Institut als solches eine „besondere Verantwortung in dieser Situation“ zukommt.

Eine der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben in den ersten Monaten war es, einen geeigneten Raum für die Tätigkeit des Instituts zu finden. Am Anfang stellte die Dienststelle des Diplomatischen Korps eine Wohnung in der „Yuriy Venelin Str.“ zur Verfügung. Als die Mitarbeiter*innen kleine Renovierungsarbeiten durchführen wollten, fanden sie Abhörgeräte überall in den Wänden. Zu dieser Zeit waren die ersten Mitarbeiter*innen des Instituts nicht nur mit Wanzen überschüttet, sondern auch mit... Süßigkeiten! Diese Übermengen an Süßigkeiten waren mit den Einkäufen von Corecom verbunden, die für die Tätigkeit des Instituts notwendig waren. Statt Restgeld in der jeweiligen Währung bekam man Kaugummis und Bonbons – ein lokaler Ansatz, der zu Problemen bei der Abrechnung der Ausgaben des Instituts führte.


Goethe-Institut in Sofia
Seit 2003 hat das Goethe-Institut einen „ständigen“ Sitz in Sofia an der Budapester Str.1. | Foto: © Ivan Shishiev

Die Anfänge

Zu Beginn der neunziger Jahre hat das Goethe-Institut die laufenden Reformprozesse in Bulgarien durch die Organisation von Expertentreffen zu Themen wie Selbstverwaltung, Verfassungsrecht, Hochschulrahmengesetz, Medien- und Wahlrecht unterstützt. „Trotz der schwierigen Lebensbedingungen, der Treibstoffkrise und des Stromausfalls konnten beide Veranstaltungen zum Thema „Die deutsche Wiedervereinigung – Auswirkungen in Osteuropa“ durchgeführt werden. Dabei ging es vor allem um politische und sozioökonomische Prozesse unter Beteiligung eines großen und engagierten Publikums“ – so ein Vermerk im Jahrbuch 1990/91. Das Institut bemühte sich den Erwartungen der Öffentlichkeit entgegenzukommen, um die Lücke nach der Schließung des DDR-Kulturzentrums zu füllen.

Goethe-Institut - Die Anfänge
Ein Block mit Kurzbeschreibung der Tätigkeit des Goethe-Instituts in Sofia Jahrbuch 1989/1990, Goethe-Institut München | © Goethe-Institut
So wurde im Oktober 1991 am Goethe-Institut eine Bibliothek mit einer umfangreichen Sammlung von 2500 Bänden und mehreren Zeitschriften eröffnet. Eigentlich waren die Zeitungen und Zeitschriften, über die die Bibliothek damals verfügte, genau vier, aber im folgenden Jahr stieg ihre Zahl auf fünfundfünfzig. Das Interesse für deutsche Gegenwartsliteratur und Informationen über Deutschland, insbesondere über seine Wirtschaft, war zu dieser Zeit immens.

Gleichzeitig fanden die ersten Sprachkurse statt – mit rund 300 Kursteilnehmer*innen pro Jahr wurden die Kurse immer beliebter, und die Zahl der Deutschlerner*innen verdoppelte und verdreifachte sich in wenigen Jahren rasant.

Für das Kulturprogramm des Instituts war es wichtig, den bulgarischen Staatsbürger*innen „die Entwicklung der westlichen Welt vorzustellen, von der sie über 40 Jahre lang getrennt waren“, so das Jahrbuch 1991/92. Die Zielgruppe war vor allem junge Menschen, die beispielsweise an Theater- oder Kunstakademien studierten. Das Folkwang Tanzstudio Essen mit der künstlerischen Leiterin Pina Bausch kam so im Rahmen seiner Tournee nach Bulgarien. Es war das Jahr 1991, als in Sofia Urs Dietrich mit „Zangius“ und Rainer Behr mit „Red Roses“ gastierten.

Bemerkenswert war auch die Einladung des Goethe-Instituts an Karlheinz Stockhausen, der mit seinem Werk „Inori“ bei „Musica nova – Sofia‘93“ im Rahmen der Sofioter Musikwochen zu Gast war. Der Komponist arbeitete mit den Musiker*innen der Sofioter Philharmonie zusammen und leitete auch die Konzerte im Saal 1 des Nationalen Kulturpalastes.

30 Jahre Goethe-Institut in Bulgarien
© Poststudio

30 Jahre Goethe-Institut in Bulgarien      

Die ersten Schritte des Goethe-Instituts im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit fielen mit denen der vielen Veranstaltungen und Initiativen zusammen, die sich aus heutiger Sicht schon bewährt haben und deren nächsten Ausgaben wir „traditionell“ erwarten. Das gilt z.B. für das Internationale Sofia Film Fest, das vom Institut von Anfang an im schon fernen 1997 unterstützt wurde. Als 2007 Deutschland im Mittelpunkt des Festivals stand, hat das Goethe-Institut den Besuch von Regisseur Wim Wenders unterstützt, begleitet von der bisher größten in Bulgarien gezeigten Filmretrospektive – es wurden fast 20 Spielfilme gezeigt.

Der zeitgenössische Tanz ist auch ein wichtiges Thema im Programm des Instituts – in Partnerschaft mit dem „Б brain С store П project“ unterstützt das Goethe-Institut seit 2007 Workshops und Seminare für zeitgenössischen Tanz der Nomadic Dance Academy. Im Rahmen dieses Balkan-Netzwerks für zeitgenössischen Tanz entstand das Internationale Festival für zeitgenössischen Tanz und Performance „Antistatik“ (XII. Ausgabe im Jahr 2019), das ebenfalls vom Goethe-Institut unterstützt wird.

Die Aufführung von Theaterstücken aus aller Welt vor dem bulgarischen Publikum ist auch eine der Richtungen, die das Institut einschlägt. Mit Unterstützung des Goethe-Instituts gastierte 2005 zum 100-jährigen Jubiläum des Nationaltheaters „Ivan Vazov“ die Truppe der Münchner Kammerspiele mit einer Antigone-Aufführung. 2016 erlebten wir in Sofia das Gastspiel „Warten auf Godot“ des Deutschen Theaters Berlin von Samuel Beckett mit Samuel Finzi und Wolfgang Koch in den Hauptrollen. Ivan Panteleevs Inszenierung von „Warten auf Godot“ – das Stück, das ursprünglich Dimiter Gotscheff herausbringen wollte, es aber zu Lebzeiten nicht beenden konnte – feierte einen großen Erfolg.

„Ich kann keine Kunst mehr sehen“, Timm Ulrichs
„Ich kann keine Kunst mehr sehen“, Timm Ulrichs |
Goethe-Institut unterstützt die lokale Kunstszene und fördert die Realisierung von Koproduktionen und gemeinsamen Projekten. Mit der Unterstützung des Instituts präsentierte der weltberühmte Minimalist Ulrich Rückriem 1999 seine Ausstellung in der Kunstgalerie Sofia. 2009 gastierte Timm Ulrichs, einer der bedeutendsten Konzeptkünstler des 20. Jahrhunderts, mit Werken der Sammlung Robert Simon des Kunstmuseums der Stadt Celle.

Im Herbst 2019 begrüßte das Goethe-Institut seine neue Leiterin Marina Ludemann, die nach ihrer Erfahrung in Brasilien neugierig auf das „exotischste Land der Europäischen Union“ ist, auf seine alte Kultur und auf die zeitgenössischen Künstler.
 
„Das Beste, was wir von der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erregt.“
Johann Wolfgang von Goethe


In den letzten 30 Jahren hat das Sprachprogramm des Instituts mit Lehrer*innen und Partnerschulen aktiv zusammengearbeitet. Über 30.000 Kursteilnehmer*innen besuchten die Sprachkurse, die Unterrichtsstunden betrugen eineinhalb Millionen Stunden. Die Bibliothek des Instituts wurde renoviert und umgestaltet, um den Interessen der zeitgenössischen Leser*innen gerecht zu werden. Das Online-Angebot „Onleihe“ bietet freien Zugang zu über 25.000 E-Books, Audiodateien und Filmen. Das Kulturprogramm bietet fast jeden Tag eine neue Veranstaltung, und der Name des Projekts, mit dem das Institut am Programm „Plovdiv – Kulturhauptstadt Europas 2019“ teilnimmt, kann alles zusammenfassen, was bisher über die Aktivitäten des Goethe-Instituts und seine Philosophie gesagt wurde – „Building Together“. Wir bauen zusammen.

Goethit
Goethit aus dem Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien wurde dem Goethe-Institut als Zeichen der Freundschaft und der guten Zusammenarbeit vom Nationalmuseum „Erde und Menschen“ zur Verfügung gestellt. Goethit, auch als Nadeleisenerz oder Brauner Glaskopf bekannt, ist ein Mineral aus der Klasse der „Oxide und Hydroxide“. | Foto: © Photo-Corps

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