Nachruf
Danke, Hans-Dietrich Genscher

Klaus-Dieter Lehmann und Hans-Dietrich Genscher
Klaus-Dieter Lehmann und Hans-Dietrich Genscher | © Goethe-Institut e.V.

Wir trauern um Hans-Dietrich Genscher. Er war nicht nur ein großer Förderer des Goethe-Instituts, sondern ein Freund. Ein Nachruf von Klaus-Dieter Lehmann

Das Goethe-Institut hat Hans-Dietrich Genscher viel zu verdanken. Als Außenminister von 1974 bis 1992 prägte er entscheidend das Bild einer Außenpolitik, die die  Kultur als dritte Säule neben Politik und Wirtschaft etablierte.

„Deutschland ist nicht nur eine führende Wirtschaftsnation, wir sind eine Kulturnation. Das allein verbietet eine Ökonomisierung des Deutschlandbildes in der Welt. Deshalb ist Auswärtige Kulturpolitik mehr als schmückendes Beiwerk unserer Außenpolitik, und schon gar nicht ist sie eine ästhetische Form der Außenhandelsförderung.“ Dieses Credo Genschers stärkte das Goethe-Institut in seiner Unabhängigkeit, Diskursfähigkeit und in seinem partnerschaftlichen Arbeiten. Mit ihm war es möglich, unsere  gesellschaftlichen Debatten der 1970er- und 1980er-Jahre  in die Programmarbeit im Ausland einzubeziehen und den Prozess des demokratischen Deutschlands glaubhaft zu vermitteln. Es war die aufregende Zeit eines kulturellen Aufbruchs, dem eine emanzipatorische Grundhaltung entsprach – auch in seinen Widersprüchen.

Hans-Dietrich Genscher bei der Eröffnung des Goethe-Instituts in Prag 1990 Hans-Dietrich Genscher bei der Eröffnung des Goethe-Instituts in Prag 1990 | © Goethe-Institut e.V. Nach dem Mauerfall 1989 ermöglichte uns Genscher die Neugründungen in diesem bislang verschlossenen Teil der Welt. Kurz vorher, am 1. November 1988, hatte er nach langen Verhandlungen mit China ein Goethe-Institut einrichten können, das 16 Jahre das einzige ausländische Kulturinstitut blieb. Es hat sich prächtig entwickelt und im Oktober 2015 einen weiteren Veranstaltungsort im Künstlerviertel 798 hinzugewonnen. Es ist ein Ort ganz in seinem Sinn, den ich bei der Eröffnung so charakterisierte: „Ich wünsche mir hier einen Dialog des praktischen Handelns, einen Dialog der Offenheit. Meinungsfreiheit ist für uns ein hohes Gut.“ Das hätte Genscher gefreut. Der Dialogbegriff war für Genscher zentral und er ist für das Goethe-Institut zentral. Er sah darin die beste Garantie gegen neue Feindbilder und Ausgrenzungen und war deshalb für ihn unverzichtbar. Er wusste, er ist kein Allheilmittel, dazu gehören auch geeignete politische Rahmenbedingungen wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, aber ohne ihn geht es sicher nicht.

Kultur war für ihn nicht der private Spielplatz für Künstler und Intellektuelle sondern die Grundlage von Gesellschaften, um offen zu sein und Neues zu denken. Dies alles bestärkte ihn in der Auffassung, den Goethe-Instituten langjährige stabile Arbeitsmöglichkeiten zu geben, um einen glaubwürdigen Dialog nachhaltig leisten zu können. Hans-Dietrich Genscher war nicht nur Förderer des Goethe-Instituts, er war ein Freund. Bis zuletzt blieb er an der Arbeit interessiert und es freute ihn zu hören, dass wir 2016 ein Goethe-Institut in Windhuk gründen, in einem Land, für dessen Verfassung er bei seiner Unabhängigkeit 1990 aktiv gestaltend mitgewirkt hat.

Wir werden auch nach seinem Tod seiner Überzeugung folgen, dass sich Kultur nicht zum Wettbewerb der Systeme eignet sondern zum gleichwertigen kulturellen Austausch und zur Wertschätzung der Vielfalt.

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts