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Literatur
Zwischen den Stolperstücken

Kloster Broumov in Tschechien
Kloster Broumov | Foto: Pavel Vlach, CC BY-SA 4.0

Die Schriftstellerin Andra Schwarz nahm an einem literarischen Stipendium des Goethe-Instituts im Kloster Broumov teil. Doch ihr schöpferischer Aufenthalt wurde durch die Pandemie unterbrochen. Welche Anfänge hat es dennoch gegeben? Und was ist geblieben?

Von Andra Schwarz

Grenzregionen sind für mich Orte, in denen Momente der Zeitlichkeit zusammenfallen und eine historische Gegenwart bilden. Dass der Aufenthalt im Literaturhaus des Klosters Broumov für mich nur kurz sein würde, wurde mir bewusst, als ich durch die Pandemie und die erfolgten Grenzschließungen nicht zum Stipendium nach Tschechien zurückkehren konnte.

Broumov ist eine tschechische Kleinstadt nahe der polnischen Grenze, der Woiwodschaft Niederschlesien. In Broumov finden sich viele Relikte und Bezüge zur deutschsprachigen

Vergangenheit. Auf meinen Spaziergängen und Wanderungen durch die Umgebung begegnete ich immer wieder deutschen Inschriften auf Wegkreuzen, Tafeln, Grab- oder Gedenksteinen und Kirchen. Wie Stolperstücke durchzogen sie den Raum, in dem sie vermeintliche Verbundenheit durch Sprache suggerierten. So stolperte ich durch die Landschaft des Broumover Ländchens und stolperte fortwährend durch die Vergangenheit, über die Toten, Gefallenen, Gefangenen oder Vertriebenen, während sich um mich herum neue Geschichte ereignete.

Hier ließen sie alles auf einmal zurück:
bleiben die toten ungesucht auf den friedhöfen
erinnert sich niemand mehr an den gang ihrer gesten
wurzeln birken in den wirbeln schon lange entseelt
erzählen schicht um schicht unter gras von all jenen
am kreuzweg verschwinde auch ich aus dem sichtfeld
vernarbt wie die gegend am fuße der braunauer wände
lässt es mich kalt zurück wegkreuze an den feldlinien
einstige truppen im unterholz darunter das was mich quält

Auf dem Tisch Tschechische Lyrik aus 11 Jahrhunderten (eine Reclam Ausgabe der DDR), die Gedichte von Peter Hruška, Milan Kunderas Verratene Vermächtnisse und natürlich Kafka als Alternative für den Blick über die Klostermauern.

Was bleibt: Anfänge einer literarischen Begegnung, Versuche über einen Ort, Gedichte, die nicht über sich hinausgekommen sind – über das, was sie nur für kurze Zeit im Visier hatten.

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