Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Wassermangel
Deutsche Eichen im Trockenstress

Je trockener, desto mehr Eicheln: Standen die Bäume früher nur alle paar Jahre in Vollmast, ist dies nun nahezu jährlich der Fall.
Je trockener, desto mehr Eicheln: Standen die Bäume früher nur alle paar Jahre in Vollmast, ist dies nun nahezu jährlich der Fall. | Foto (Detail): ©picture alliance/Zoonar/Marlene Cleven

Auch Gebiete in Deutschland, die sich bisher nicht über zu wenig Wasser beklagen konnten, haben vermehrt mit Dürren zu tun, andere leiden unter den Folgen von Überschwemmungen. Innovative Ideen sind gefragt, um Deutschlands Wasserreserven zu erhalten.
 

Von Petra Schönhöfer

Da hilft nur Kopf einziehen oder Kapuze auf: Wo man im Frühherbst 2021 auf der Insel Usedom geht und steht, prasseln die Eicheln nur so von den Bäumen. Sie bedecken Gehsteige, Straßen, Parkanlagen. Ein fruchtbares Jahr, so könnte man meinen. Aber ganz so einfach ist es nicht, wie Oberförster Felix Adolphi erklärt, der für die 12.000 Hektar Wald auf der Sonneninsel verantwortlich ist: „Der Grundwasserspiegel ist wegen der Dürre erheblich zurückgegangen. Das macht den Bäumen natürlich zu schaffen. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Bäume geschwächt sind, ist, dass die Eichen hier im vergangenen Jahr sehr viele Eicheln getragen haben.“ Adolphi spricht von einer Vollmast, wenn wie dieses Jahr ein Gros der Bäume volle Früchte trägt, was für die Pflanzen äußerst kraftzehrend ist. „Üblicherweise vermehren sich unsere Eichen nur alle sieben bis zehn Jahre mit einer sogenannten Vollmast. Weil die Klimabedingungen aber so schlecht waren, sind die Bäume gestresst und versuchen jetzt so schnell wie möglich eine Nachkommenschaft in die Welt zu setzen.“ Anders ausgedrückt: Die anhaltende Dürre setzt den Eichen zu.

Der Regenmacher

Eigentlich ist Deutschland ein wasserreiches Land. Laut Umweltbundesamt nutzt die Bevölkerung nur 12,8 Prozent des jährlichen Wasserdargebots von 188 Milliarden Kubikmetern. Doch Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes im Jahr 2021 zeigen, dass die drei Frühlingmonate März, April und Mai bereits achtmal in Folge nicht die typischen durchschnittlichen Niederschlagsmengen erreicht haben. Dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zufolge war fast jede Region in Deutschland in den Sommern 2018, 2019 und 2020 von „ungewöhnlicher Trockenheit“ betroffen, am stärksten die Regionen mit leichtem, sandigem Boden – wie auch das Urlauberparadies Usedom.

Trockene Böden und sinkende Grundwasserspiegel gefährden auf Dauer auch die Trinkwassergewinnung, weshalb sich Wissenschaftler*innen und Forscher*innen bundesweit mit Deutschlands Wasserreserven beschäftigen. Einer von ihnen ist Clemens Jauch. Der Professor für Windenergietechnik an der Hochschule Flensburg will Niederschlag produzieren. Er hat ein System entwickelt, mit dem Wasser durch die Atmosphäre dorthin gebracht wird, wo es als Niederschlag gebraucht wird: auf vertrockneten Wiesen, auf verdorrten Feldern oder in trockenen Wäldern. Dazu nutzt Jauch Windenergieanlagen und Wind. „Atmosphärische Bewässerung mit Windenergieanlagen“ nennt er seine Idee, über die Rotorblätter von Windenergieanlagen Wasser in die Atmosphäre zu bringen, welches dann in Form von Wassertröpfchen oder Wasserdampf vom Wind verteilt wird. „Wir nutzen eine technische Komponente, die wir bereits haben, den Rotor von Windenergieanlagen, und den Wind, der auch schon da ist“, so Jauch. Dies könne dienlich sein für die Land- und Forstwirtschaft oder gegen drohende Waldbrände.

Blau-grüner Großstadtdschungel

Aber nicht nur Dürre, auch Starkregenereignisse betreffen Deutschland immer häufiger. Vor allem für Städte ist das ein Risiko, deren Sickersysteme schnell überfordert sind. Wie sich Städte auf extremere Wetterereignisse vorbereiten können, untersuchen Resilienzforscher*innen am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. „Fokussieren wir uns auf Dürre und Starkregenereignisse, so ist die grundlegende Frage: Wie gestalten wir den urbanen Wasserkreislauf?“, so Susanne Bieker, Leiterin des Themas „Transformations- und Innovationssysteme urbaner Räume“. Städtische Bereiche sind so versiegelt, dass Regenwasser auf Dächern, Straßen und Plätzen nicht versickern kann. Es fließt in die Kanalisation, die jedoch überwiegend auf Abwasser ausgelegt und bei Starkregen schnell überfordert ist. Das Ergebnis: überschwemmte Straßen und überflutete Keller. Wird das Regenwasser jedoch dort gehalten, wo es fällt – etwa über Grünanlagen, begrünte Dächer oder Fassaden – kann es verdunsten und Kühlungseffekte entfalten. Studien zufolge kann eine Dachbegrünung mit Moosen und Gräsern 30 bis 70 Prozent des jährlichen Niederschlags zurückhalten. Ein kleiner Dachwald mit Bäumen, Sträuchern und Stauden sogar fast 100 Prozent. Hilfreich sind auch Teiche, Seen, Kanäle und große Wiesen, auf denen sich das Wasser nach einem Regenguss sammeln kann. Bepflanzte Dächer wie hier im Essener Stadtteil Kettwig können ein wirksamer Schutz bei zu viel Niederschlag sein. Bepflanzte Dächer wie hier im Essener Stadtteil Kettwig können ein wirksamer Schutz bei zu viel Niederschlag sein. | Foto (Detail): © picture alliance/ZB/euroluftbild.de/Hans Blossey Für die Umsetzung von blau-grünen Konzepten gibt es Praxisbeispiele, etwa das Projekt „Leipziger BlauGrün“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Am ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhof im Zentrum Leipzigs sollen bis 2022 über zweitausend neue Wohnungen, ein Schulcampus und Gewerbegebäude entstehen - mit Dachgärten, Grünflächen, Zisternen. „Unsere intelligente Steuerung kombiniert Daten wie Füllstände von Zisternen, die Wasserqualität oder auch Daten von Bodenfeuchtesensoren mit extern verfügbaren Daten wie der Wettervorhersage“, erläutert Marius Mohr, Innovationsfeldleiter für Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Sprich: Kündigt die Wettervorhersage Starkregen für die Region an, werden Zisternen automatisch entleert, um den neuen Regen aufnehmen zu können.

„Gieß den Kiez!“

Doch nicht nur Wissenschaft und Forschung, auch jede*r Einzelne kann etwas zur Klimaresilienz beitragen. Nehmen wir als Beispiel Stadt- und Straßenbäume: Sie regulieren das Mikroklima, spenden Schatten, filtern Emissionen aus Luft und Boden und sind Lebensraum stadttypischer Vogel- und Insektenarten. Mit der Aktion „Mein Baum – Meine Stadt“ ermöglicht das Straßenbaumkataster in Hamburg Einwohner*innen, einen Straßenbaum zu spenden. Darüber hinaus jedoch braucht so ein Baum mindestens zehn Liter Wasser pro Tag, am besten in ein bis zwei größeren Wassergaben pro Woche. Stadtbewohner*innen sind deshalb bei der Berliner Aktion „Gieß den Kiez!“ aufgerufen, beim Gießen von Straßenbäumen zu helfen. Vielleicht auch eine Lösung für die Usedomer Eichen. Herrscht Hitze und Trockenheit, hilft nur gießen. Ist wie hier in Mainz gerade kein*e Gärtner*in vor Ort, ist jede Hilfe willkommen – in Berlin werden Anwohner*innen daher aufgerufen: „Gieß den Kiez!“.  Herrscht Hitze und Trockenheit, hilft nur gießen. Ist wie hier in Mainz gerade kein*e Gärtner*in vor Ort, ist jede Hilfe willkommen – in Berlin werden Anwohner*innen daher aufgerufen: „Gieß den Kiez!“. | Foto (Detail): © picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Top