Theater
Bodecker & Neander

Bodecker & Neander
Bodecker & Neander | © Domingo

Legenden des nonverbalen Theaters in Prag: Das Hamu MyMime Festival präsentiert das Beste aus der fünfundzwanzigjährigen Zusammenarbeit des Duos Bodecker und Neander, Schüler des berühmten Marcel Marceau.
 

Von Tomáš Moravec

Alles begann in Paris. Es war in der ersten Hälfte der 1990er Jahre und zwei junge Männer - einer aus Ostdeutschland, der andere aus Frankreich - sehnten sich nach einer Karriere im Theater, genauer gesagt im Pantomimentheater. Denn warum auf der Bühne reden, schreien oder krächzen, wenn die Bretter, die die Welt bedeuten, ganz ohne Worte erobert werden können?

Zweifelsohne waren die beiden jungen Männer sehr begabt, und da sie keine kleinen Ziele hatten, beschlossen sie, bei dem weltberühmten Pantomimen Marcel Marceau, einer Legende auf seinem Gebiet, zu lernen. Und Marcel Marceau, der Begründer der modernen Pantomime, der damals in seinen Siebzigern war, nahm die beiden jungen Männer auf. Erkannte er in ihnen schon damals seine Nachfolger, und ahnte er, dass sie eines Tages zu Stars der Weltpantomime werden würden, die sein Erbe stolz weiterführen werden, Jahrzehnte nachdem der Vorhang zum letzten Mal hinter ihm selbst fallen wird?

Von den Besten lernen

Schauen wir uns die beiden genauer an: Der erste ist Wolfram von Bodecker, geboren 1969 in Schwerin, Ostdeutschland. Böse Zungen könnten sagen, dass die künstlerisch begabten Bürger*innen der DDR in gewisser Weise zur Pantomime prädestiniert waren, denn sie war - wie die Tschechoslowakei - ein Land, in dem es oft besser war, zu schweigen als zu sprechen. Doch der dreiundzwanzigjährige Wolfram verließ 1992 das mittlerweile wiedervereinigte Deutschland und begann ein dreijähriges, sehr intensives Studium an der legendären Ecole Internationale de Mimodrame de Paris - wenn man damals die beste Ausbildung in Pantomime wollte, konnte man nirgendwo anders hingehen als zu Marcel Marceau.

Marceau war ein strenger Lehrer. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erinnert sich Wolfram von Bodecker an ihn: „Wir haben ihn in einer wunderbaren Zeit kennengelernt, in der sich die Altersweisheit sehr gezeigt hat. Er war ein sehr strenger Lehrer, der sehr viel Disziplin verlangte und im nächsten Moment hatte er auch großväterliche Züge und hatte etwas ganz Sanftes.“

Während des Studiums bei Marceau lernte Bodecker seinen ein Jahr jüngeren Klassenkameraden Alexander Neander kennen. Dieser hatte in seinen jungen Jahren den umgekehrten Weg als Bodecker eingeschlagen und war im Alter von zwölf Jahren von seiner Heimatstadt Paris nach Stuttgart gezogen, um an den dortigen Schulen seine Pantomimenausbildung zu beginnen.

Zwei stille Magier

Nach ihrem Abschluss engagierte Marcel Marceau die beiden als feste Mitglieder seiner Kompanie. Sie tourten mit ihm durch die Welt und traten in seinen berühmten Shows wie Un soir à l'Eden, Der Mantel und Le Chapeau Melon auf. Und einmal, als sie auf einem Luxusliner zusammensaßen, beschlossen Wolfram und Alexander voller Eindrücke von all den Ländern, die sie besucht hatten, ein eigenes Programm auf die Beine zu stellen und - zusätzlich zu ihrer ständigen Zusammenarbeit mit Marceau - ihre eigenen Theaterstücke aufzuführen.

So entstand 1996 die Pantomime ¡ silence !, mit der Bodecker und Neander durch Belgien und Deutschland tourten und mit der sie vor allem das Berliner Publikum begeisterten. Das deutsche Publikum verliebte sich in das neue Duo: Es folgte eine musikalisch-visuelle Reise, die vom Publikum in Leipzig, München, Dresden, Stuttgart... begeistert beklatscht wurde. Weitere Projekte folgten, so auch Bonjour, Monsieur Satie, eine Hommage an den französischen Komponisten Erik Satie, die sechs Jahre lang vor einem restlos ausverkauften Konzerthaus Berlin aufgeführt wurde.

Stars bei Prager HAMU

Heute, nach einem Vierteljahrhundert der Zusammenarbeit, gehören Bodecker und Neander zu den führenden Stars der Weltpantomime. Sie halten das Erbe ihres Lehrers Marcel Marceau mit Stolz hoch, allerdings ohne ihn zu kopieren - der große Meister selbst hat seinen Schüler*innen beigebracht, ihr eigenes Talent zu entwickeln und von ihm das Handwerk zu lernen, nicht die Nachahmung.

Sie können sich nun selbst überzeugen, dass ihnen das gelungen ist: Das Beste, was Bodecker und Neander in den letzten 25 Jahren gemeinsam geschaffen haben, wird in Prag präsentiert. Dies geschieht im Rahmen des internationalen Festivals für nonverbales Theater HAMU MyMime, das vom 1. bis 6. Juni in Prag stattfindet. Bodecker und Neander präsentieren ihr "Best of" oder "eine Reise aus dem Land der Träume in das Land der Wünsche", wie sie sagen. Ihre nonverbale Sinfonie, belebt durch eine unerwartete Kombination aus Pantomime, Bewegung, Clownerie, Slapstick und Körpertheater, verspricht einen Sturm der Begeisterung auszulösen: bereits am 2. Juni 2022 um 20:00 Uhr im Theater Divadlo Bravo.

Legenden des nonverbalen Theaters in Prag: Bodecker & Neander
Legenden des nonverbalen Theaters in Prag: Bodecker & Neander | Foto © copyright - Daniel Rudzki, Piotr Wacowski

 

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