Jahre 1997–2000
Ein besonderes Glück

Gabriele Becker in Prag, 1997
Gabriele Becker in Prag, 1997 | © Goethe-Institut

​Ob New York, Sudan, Kairo oder Prag: Gabriele Becker war im Auftrag des Goethe-Instituts auf der ganzen Welt tätig. Doch was bleibt ihr in der Erinnerung, wenn sie an ihre Zeit in der Stadt an der Moldau zurückdenkt? Lesen Sie mehr über Christa Wolf, Herta Müller und ein skurriles DDR-Museum im Keller.

Von Gabriele Becker

Einen ersten, leider misslungenen, Versuch nach Prag zu reisen, habe ich im Jahr 1968 unternommen. Man schickte uns an der Grenze zurück, weil wir kein Visum hatten. Erst 1996 kam ich also das erste Mal nach Prag, und gleich schon als Leiterin des Goethe-Instituts. Ich war sofort begeistert von der Stadt und dem Institut.

Das Haus sah von außen und von innen sehr gediegen aus. Man merkte noch an vielen Stellen, dass es einmal zur Botschaft der DDR gehörte. Im Veranstaltungssaal im zweiten Stock hatten wir bei Empfängen noch altes Geschirr und Gläser aus dieser Zeit in Verwendung. Im Keller hatte der damalige Hausmeister Herr Plönnigs ein kleines DDR-Museum mit alten Erinnerungsstücken geschaffen. Das Gebäude atmete aus jeder Pore die sozialistische Vergangenheit. Es besaß zudem die wohl schönste Dienstwohnung; mitsamt Blick auf die Prager Burg! Auch wenn manche der Kolleg*innen mir das nicht glauben wollten, ich vergaß New York, wo ich zuvor gearbeitet hatte, ganz schnell. 
 
Prag hatte damals eine überschaubare Kulturszene. Es war konservativer als in Deutschland. Manche der „Underground“-Aktivitäten entgingen mir allerdings, weil ich nicht über die nötigen Sprachkenntnisse verfügte. Meine Versuche, Tschechisch zu lernen, waren leider nicht allzu erfolgreich.

„Es gibt Schlimmeres …“

Das erste Großprojekt, das mein Vorgänger Jochen Bloss, der Gründungsdirektor des Prager Instituts, initiiert hatte und das zu meiner Zeit umgesetzt wurde, „Kultura Thuringia“, also Kultur in Thüringen, habe ich noch sehr plastisch in Erinnerung. Der Freistaat präsentierte sich so umfassend, dass fast alle wichtigen tschechischen Partnerorganisationen des Instituts beteiligt waren. Gerne erinnere ich mich auch an eine ifa-Ausstellung, die ausschließlich Künstlerinnen aus Deutschland zeigte. Diese Ausstellung präsentierten wir im Brünner Kunstmuseum. Wegweisend waren die vom damaligen Programmreferenten, Andreas Ströhl, begonnenen Vilém Flusser-Symposien zur Rolle und Entwicklung der neuen Medien.
 
Wie die Projekte waren auch die Gäste, die zu uns nach Prag kamen, sehr beeindruckend. Die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Ruth Klüger fällt mir da gleich ein oder die Schriftstellerinnen Herta Müller und Christa Wolf. Auch der Regisseur Rosa von Praunheim, dessen Filme wir in Prag präsentierten. Das Prager Team des Goethe-Instituts habe ich in bester Erinnerung – an die von Angelika Hájková gerne benutzte Wendung „Es gibt Schlimmeres …“ habe ich mich oft und mit Freude erinnert. Sie relativiert vermeintlich große Probleme.
 
Unvergessen ist mir Frantisek Černý. Der enge Freund des Goethe-Instituts und der deutschen Kultur war früher tschechischer Botschafter in der Bundesrepublik; unvergessen ist auch Pavel Kohout, der Ende der 1990er-Jahre das Prager Theaterfestival deutscher Sprache gründete. Und sehr gern erinnere ich mich an Michael Bielicky, den Medienkünstler, der später am ZKM lehrte. Es gäbe noch einige, die ich hier nennen könnte …
 
Ich war im Laufe meines Berufslebens an vielen Goethe-Instituten tätig. Prag war insofern besonders, als es ein Institut im Herzen Europas war, in einer Region, die sich seit der politischen Wende in einem umfassenden Veränderungsprozess befand. Dem wollten wir in unserer Arbeit entgegenkommen. Wir wollten das tschechisch-deutsche Verhältnis intensivieren und internationale Diskurse nach Prag bringen. Das war ein besonderes Glück, zu dieser Zeit an diesem Ort zu sein.
  • Gabriele Becker Foto: Archiv von Gabriele Becker

    Gabriele Becker

  • Kultur aus Thüringen in Prag, 1997-1998 Foto: Goethe-Institut

    Kultur aus Thüringen in Prag, 1997-1998

  • Erinnerung an die DDR-Botschaft im Keller des Goethe-Instituts: Das Ehrenbuch Foto: Tomáš Moravec / Goethe-Institut

    Erinnerung an die DDR-Botschaft im Keller des Goethe-Instituts: Das Ehrenbuch

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