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(Informelles) Lernen im digitalen Wandel
Google als Bildungsort

Digitale Medien im Unterricht nutzen
Digitale Medien im Unterricht nutzen | Foto (Ausschnitt) © Rawpixel- Fotolia.com

Lernen wird immer noch fast ausschließlich mit Klassenzimmern und Prüfungen in Verbindung gebracht. Dabei lernt man auch bei der Netzrecherche: Google, YouTube und Wikipedia sind Bildungsorte. Die Online-Angebote machen Schulen zunehmend Konkurrenz. Oder können diese das informelle Lernen nutzen?

Wie berechne ich den Flächeninhalt eines Dreiecks? Wie lerne ich, so zu tanzen wie Beyoncé? Was koche ich für Veganer? Und: Was bedeutet überhaupt „vegan“? Antworten auf derartige Fragen suchen Jugendliche und Erwachsene heute ganz selbstverständlich tagtäglich millionenfach im Internet. Sie gehen auf Google, YouTube oder Wikipedia, wenn sie etwas lernen wollen. Taucht in einem Gespräch eine Unklarheit auf, werden die mobilen Geräte gezückt, damit alle gemeinsam einen Schritt weiter kommen.

INFORMELLES LERNEN

Wer im Netz lernt, tut das oft unbewusst. Dabei ist informelles Lernen in gewisser Weise „wirklicher“ als Lernen etwa im Klassenzimmer. Gleichwohl weisen besorgte Stimmen auf einen wichtigen Aspekt hin: Wer im Netz lernt, ist ständig der Versuchung ausgesetzt, sich ablenken oder zerstreuen zu lassen. Schließlich müssen im digitalen Raum mehrere Reize gleichzeitig verarbeitet werden. Dies führt zu einem veränderten Umgang mit Aufmerksamkeit. Traditionelle Konzentration fokussiert einen Reiz, während alle anderen Reize möglichst ausgeblendet werden. Digitale Konzentration hingegen muss mehrere Reize gleichzeitig verarbeiten. Damit produktiv umzugehen, bleibt eine Herausforderung.

Es lohnt sich aber digitale Werkzeuge produktiv einzusetzen, denn informelles Lernen mit digitalen Medien erfüllt zahlreiche pädagogische Anforderungen an gehaltvolles Lernen. Es ist

  • motivierend: Die Lernenden wollen gerade jetzt genau diese Sache um ihrer selbst willen lernen oder wissen.
  • aktiv und selbstgesteuert: Lernende entscheiden über Lernanlass, Lernweg und Lernmaterialien.
  • situiert, konkret relevant und authentisch: Lernende können Zeit, Rhythmen und Orte des Lernens selbst bestimmen.
  • direkt nützlich: Lernende können es selbst bewerten.

Dies gilt auch für den Fremdsprachenerwerb, wo informelles Lernen über die Digitalisierung an Vielfalt gewonnen hat. Wer etwa Mandarin lernen will, kann das mit einem Smartphone zunächst komplett akustisch tun. Wörter und Sätze werden vor- und nachgesprochen. Daran anschließend gibt es eine ganze Reihe von Apps für den Erwerb der Schriftzeichen, die sich an die Bedürfnisse der Lernenden anpassen lassen.

KONKURRENZ FÜR SCHULEN?

Durch diese neuen Möglichkeiten verlieren Schulen mit ihren Lernmaterialien und Lernmethoden die Exklusivität als Lernbegleitung. Das Postulat, eine Gruppe von Menschen müsse zur selben Zeit im selben Raum anwesend sein, um lernen zu können, wird zunehmend unhaltbar. Nicht mehr der Raum oder die Zeit definieren den Lernprozess, sondern das Netz der Informationen.
 
Gerade deshalb muss informelles Lernen  aber auch an den Schulen selbst eine immer größere Rolle spielen. Wenn Lernende ermutigt werden, ihre digitalen Geräte für den Unterricht zu nutzen, verfügen sie auch im Klassenraum über das ganze Repertoire ihres privaten Lernens. Aufgabe einer zukunftsfähigen Schule ist es daher, Jugendliche bei ihrem selbstgesteuerten Lernen zu begleiten und sie anzuleiten, reflektierter, einfacher und kooperativer zu lernen. Aber: Wie könnte das geschehen?

NEUE MÖGLICHKEITEN FÜR DEN UNTERRICHT

Die Möglichkeiten hierbei sind vielfältig. Der einfachste Schritt ist wohl, immer wieder offene Aufgaben zu formulieren, die mit informellen Mitteln gelöst werden müssen:

  • „Chatte mit jemandem in der Sprache, die du gerade lernst.“
  • „Warum wird Sahne eigentlich steif, wenn man sie schlägt?“ 
  • „Wie unterscheidet sich Höflichkeit in Peking und in Berlin?“ 
  • „Woher bekommen Entwicklungsländer mehr Geld: Über Entwicklungshilfe oder über Geldsendungen von Emigranten in Industrieländern?“ 
  • „Finde Profile von Expertinnen und Experten zu den Themen, die wir gerade bearbeiten. Woran sind sie interessiert? Worüber schreiben sie?“

Im Unterricht werden dann die Ergebnisse dieser Aufgaben zum Thema, aber auch die eingesetzten Mittel und Erfahrungen. Lernende merken so, dass ihre informellen Lernprozesse eine Bedeutung haben – aber auch, dass es Möglichkeiten gibt, sie zu verbessern und für den Unterricht zu nutzen.


Informelles Lernen für den Unterricht nutzen Informelles Lernen für den Unterricht nutzen | © paylessimages - Fotolia.com In einem weiteren Schritt könnten Lehrpersonen eine Präsenz im Netz aufbauen. Das kann zunächst zurückhaltend geschehen: Links zum Unterricht auf einem Twitterprofil veröffentlichen; eine Facebook-Seite pflegen; mit einem Unterrichtsblog Zusatzinformationen bereit stellen. So kann auf ergänzende Angebote aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig nehmen Lernende wahr, wie wichtig das Lernen ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer ist. Das ist ein wesentlicher Faktor für Lernerfolg.

LERNEN IN DER ZUKUNFT

Informationen, Expertenwissen, Lerngruppen und Lernmethoden sind ortsunabhängig auf tragbaren Geräten verfügbar. Entsprechende Lernangebote wachsen jedes Jahr. Darauf können und sollten Schulen zurückgreifen. Computer und Smartphones sind keine Bedrohung fürs Lernen im Klassenraum, sondern zumeist eine Erleichterung und Erweiterung des Unterrichts. So können Aufgaben der traditionellen Bildungsinstitutionen ins Netz ausgelagert werden. Dies ermöglicht den Schulen einen Fokus auf weitere Aufgaben: Starke Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden beziehungsweise zwischen Lernenden untereinander aufzubauen zum Beispiel. Unterschiedliche Lernformen für unterschiedliche Lerntypen anzubieten. Oder Medienkompetenz zu schaffen, die für informelle Lernprozesse nötig sind.
 

Literatur

Wampfler, Philippe: Generation »Social Media«. Göttingen 2014.

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