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Interview
25 Jahre an der Pforte des Goethe-Instituts

Richard Frýbort
Richard Frýbort | © Goethe-Institut / Pavlína Jáchimová

Dieser Mann ist auf eine gewisse Art und Weise zu einem Erkennungszeichen des Prager Goethe-Instituts geworden. Wenn Sie Ihren Weg ins Gebäude finden, haben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Chance, gerade auf ihn zu treffen. Richard Frýbort, der Pförtner, der seit 25 Jahren die Tür aufschließt, den Telefonhörer abhebt und die Besucher begrüßt. Generationen von Kursteilnehmenden erinnern sich an ihn, hunderte Gäste kommen jährlich bei ihm vorbei. Wer aber ist dieser Mann, der im deutschen Kulturinstitut an der Moldau über die Pforte wacht?

Von Tomáš Moravec

Richard, wie hat deine Geschichte am Goethe-Institut eigentlich begonnen, die auch nach 25 Jahren noch nicht zu Ende erzählt ist?

Begonnen hat die Geschichte vor langer Zeit, eigentlich schon 1979. Damals war ich 15 und mein Vater war in die Bundesrepublik emigriert. Oft fragte er mich, ob ich nicht auch fliehen und zu ihm kommen wolle.

Und wolltest du?

Ich wollte. Schließlich war im Westen alles besser (lacht). Schon damals herrschte dort die Freiheit, in der Tschechoslowakei nicht. Zudem entkam ich so dem zweijährigen Wehrdienst in der kommunistischen Armee, zu dem ich unter keinen Umständen antreten wollte. Und so bin ich mit 18 tatsächlich geflüchtet.

Wie war dein Weg in den Westen?

Überraschend einfach. Über das Jugendreisebüro bin ich nach Jugoslawien gefahren. Von dort ist es nicht weit nach Österreich ... Dort habe ich mich mit meinem Vater getroffen, der mich über die Berge geführt hat. Die jugoslawisch-österreichische Grenze war damals längst nicht so stark bewacht wie die tschechoslowakisch-deutsche. Kein Grenzstreifen, kein Stacheldraht, keine Hunde ... Wir sind einfach einen Wanderweg entlang gegangen vom Gebirgskamm auf kroatischer Seite ins Tal auf der österreichischen und schon waren wir „im Westen“.

Abenteuerlicher war paradoxerweise der Weg von Österreich nach Deutschland. Ich hatte natürlich keinen Pass, nichts, nur so ein graues kommunistisches Heftchen, das die Tschechoslowakei für Reisen nach Jugoslawien ausstellte. Auf legalem Wege durfte ich nicht nach Deutschland, eigentlich hätte ich Österreich um Asyl ersuchen müssen. Nur, was sollte ich in Österreich, wo mein Vater doch in Hannover lebte? Und so zeigte mein Vater an der Grenze seinen Pass und während ich in meiner Tasche kramte und so tat, als würde ich meinen suchen, trat er aufs Gaspedal. Und bevor der österreichische Grenzer begriff, was passiert war, waren wir schon in Deutschland.

Und wie ging es in Deutschland weiter?

Gleich am nächsten Tag beantragte ich Asyl. Ich musste in kein Flüchtlingslager, ich konnte bei meinem Vater wohnen, was natürlich ein Riesenvorteil war. Aber der Anfang war schwer. Ich konnte zwar ein bisschen Deutsch, aber das reichte lange nicht. Ein Jahr lang lernte ich nur für mich selbst, dann bezahlte mir die Gemeindeverwaltung einen Sprachkurs, der hat mir sehr geholfen.

Wie sah es mit Arbeit aus, Schule usw.?

Arbeit habe ich schnell gefunden, im Kreiskrankenhaus Großburgwedel suchten sie einen Sanitäter. Und so habe ich für die Ärzte Medikamente und medizinische Hilfsmittel ausgefahren. Auf Deutsch sagte man dazu „Hol- und Bringdienst“. Die Bezahlung war nicht besonders gut, aber auch so habe ich zwei Jahre lang durchgehalten. Dann habe ich bis 1994 für eine Drogerie gearbeitet.

Ansonsten bin ich aus der Tschechoslowakei, wo ich eine Ausbildung zum Postbeamten gemacht hatte, kurz vor den Prüfungen geflohen, sodass ich ohne jegliche Qualifikation nach Deutschland gekommen war. In Hannover habe ich mir dann ein Abendgymnasium gesucht, das Abitur nachgeholt und mein Deutsch verbessert.

Wie war das damals für dich, mit 18 von zu Hause weg in ein fremdes Land zu gehen?

Für mich gut. Aber für meine Mutter war es ein Schock. Sie hatte keine Ahnung, was ich vorhatte – sie hätte sowieso nur Angst gehabt, wenn sie es gewusst hätte. Und so habe ich ihr nur gesagt, dass ich ans Meer nach Jugoslawien fahre und mich dann aus Deutschland gemeldet. Und ich habe meine Freunde hiergelassen. Ich hatte hier meine Clique, mit ein paar von ihnen bin ich später wieder zusammengekommen, aber versuchen Sie mal nach zwölf Jahren zurückzukehren ... Die Menschen sind anders mit 30 als mit 18.

Warum bist du überhaupt zurückgekommen?

Nach der Samtenen Revolution von 1989 waren die Gründe für meine Flucht nach Deutschland plötzlich weg. Ich war ein Jahr später zu Hause zu Besuch und es hat mir hier gefallen. Klar habe ich eine Weile überlegt, am Ende bin ich aber 1994 zurückgekommen. Ich war 30, die Armee wollte mich nicht mehr. In Deutschland hatte ich gespart, ich habe in Prag also nicht bei null angefangen.

Deine beinahe allerersten Schritte nach der Rückkehr führten dich ins Prager Goethe-Institut. Warum?

Damals konnte ich schon sehr gut Deutsch. Und so sagte ich mir, dass ich zum Goethe-Institut gehe, ob ich hier nicht irgendwelche offiziellen Prüfungen ablegen könnte. Denn ich konnte zwar reden, hatte das aber nirgends schwarz auf weiß bestätigt. Ich kam und der erste, den ich sah, war der Pförtner. Ein gewisser Herr Urban. Ich fragte ihn, wohin ich müsste. Er schickte mich ins Sprachkursbüro, ich habe mich über die Prüfungen informiert, und als ich wieder gehen wollte, rief Herr Urban mir hinterher: „Hören Sie mal, Sie suchen nicht zufällig eine Arbeit?“

So spontan hast du ein Arbeitsangebot bekommen?

Ja, genau so. Dieser Herr Urban hatte etwas anderes gefunden und suchte für sich einen Nachfolger. Und ich sagte zu ihm: „Ja, suche ich.“ Und er darauf: „Und wollen Sie es nicht hiermit versuchen?“ Und ich sagte: „Aber ja, würde ich.“ Naja und nun bin ich schon 25 Jahre hier.

Eingangsbereich des Prager Goethe-Instituts Eingangsbereich des Prager Goethe-Instituts | Foto: Tomáš Gerber, Google War dir damals eigentlich klar, auf was du dich einlässt?

War es nicht, aber ich hatte es recht schnell verstanden (grinst). Damals vor 25 Jahren gab es ein Rieseninteresse an Deutschkursen. Gleichzeitig waren die Geschäftszeiten kürzer und samstags geschlossen. So war alles konzentrierter als heute. Naja und mein Einstiegsgehalt war höher als das meiner Mutter, die Hauptkassiererin auf der Bezirkspost in Prag 5 war.

Was ist eigentlich deine Aufgabe am Goethe-Institut?

Die Hauptaufgaben sind immer dieselben. Am Morgen das Haus aufschließen, am Abend abschließen, Leute begrüßen, informieren und natürlich aufpassen, dass keine ungewollten Gäste zu uns kommen. Zweimal hatte ich schon handfeste Auseinandersetzungen. Einmal mit einem Strolch, der im Café nicht bezahlt hatte und weggelaufen war. Am nächsten Tag versuchte er es nochmal. Da sind wir aufeinander los. Ich habe mir eine gefangen, konnte ihn aber rauswerfen.

Und das zweite Mal?

Das war mit so einer verrückten Frau. Sie kam immer zu den Empfängen des Goethe-Instituts und machte Probleme, wahrscheinlich wollte sie Aufmerksamkeit und Häppchen (lacht). Der damalige Leiter sagte mir: „Richard, diese Dame bleibt zukünftig draußen.“ Nur dass sie das nicht so richtig einsehen wollte und alles tat, um in den Fahrstuhl zu gelangen. Schließlich schob ich sie zur Tür hinaus, auch wenn ihr das weniger gefallen hat ...

Was würdest du sagen, gefällt dir an der Arbeit am Goethe-Institut am meisten?

Dass es eine gute, stabile Arbeit ist. Ich bin immer in Kontakt mit Menschen, die meisten von ihnen sind sehr sympathisch, manchmal tut es mir leid, dass ich nicht enger mit ihnen in Kontakt komme, einige Kursteilnehmende kenne ich seit vielen Jahren. Mir macht es insgesamt immer noch Freude. Ich bin keiner von denen, die morgens aufstehen und sich sagen: „Himmel, ich muss schon wieder in die Arbeit“ (lacht).

Zu deiner Arbeit gehört es den Leuten zu sagen, was wo im Institut stattfindet. Besuchst du auch selbst die Veranstaltungen, die das Goethe-Institut ausrichtet?

Ehrlich gesagt nicht so oft. Nach einem ganzen Tag im Institut bin ich froh, wenn ich zu Hause in Ruhe lesen kann. Ich bin so ein Bücherwurm, zu Hause warten noch so etwa 150 Bücher auf mich, die ich lesen möchte.

Wie viele Bücher hast du insgesamt?

Naja, gute 2.000.

Wahrscheinlich nicht nur deutsche Autoren, oder?

Nein nein, aber natürlich habe ich zu Hause auch deutsche Bücher. Mich interessieren zum Beispiel Čapek oder Steinbeck. Ich lese Belletristik, Sachliteratur, eigentlich alles. Nur Gedichte sind nicht so meins.

Und wie stehst du zu Deutschland heute, 25 Jahre nach deiner Rückkehr?

Gut natürlich. Deutschland gibt mir hier in Tschechien Arbeit. Und ich fahre immer noch jedes Jahr für mindestens eine Woche zu meinem Vater nach Hannover. Bis heute habe ich dort meine Lieblingsorte, die ich immer besuche. Nach Deutschland komme ich immer gerne zurück, aber klar.

Das Goethe-Institut in Prag Das Goethe-Institut in Prag | © Goethe-Institut / Pavlína Jáchimová

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