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Literaturhaus Berlin
​Übersetzen ist eine Reise

Die Terrasse, ein geschützter Raum, der den Eindruck vermittelt, auf den Bäumen zu sein
Die Terrasse, ein geschützter Raum, der den Eindruck vermittelt, auf den Bäumen zu sein | © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola

2014 gründete Guggolz seinen Verlag. Das Verlagsprogramm ist eine Reise in die Literatur Nord- und Osteuropas. 2020 erhielt er den Deutschen Verlagspreis. Er schläft ungern und es gefällt ihm, ein Einmannverlag zu sein. Mit nur wenigen festen Regeln, Flexibilität und außergewöhnlichem Charme bringt er kulturelle Kleinode hervor.

Von Giulia Mirandola

Was frühstückt Sebastian Guggolz?

Normalerweise frühstücke ich gar nicht. Ich stehe früh auf, schaue meine E-Mails durch und gehe joggen. Wenn ich nicht jeden Tag Sport mache, fühle ich mich nicht wohl. Dann trinke ich einen Kaffee und Orangensaft und gehe in den Verlag.
 
Was passiert an einem normalen Arbeitstag im Verlag?

Im Büro arbeite ich zuerst meine E-Mails ab, beantworte Anfragen, Telefonate. Später widme ich mich Korrektorat, Lektorat, Textbearbeitungen, Tätigkeiten, die mehr Konzentration erfordern. Ich glaube, flexibel zu sein, ist die Stärke eines kleinen Verlages: Ich kann relativ spontan auf Tagesereignisse reagieren oder entscheiden, tagsüber ins Museum, in eine Ausstellung oder ins Kino zu gehen, wenn ich in dem Moment das Bedürfnis danach habe.
 
Ihr Verlagsprogramm wirkt wie eine Reise in Raum und Zeit.

Grundlage meines Verlagsprogramms sind Übersetzungen toter Autorinnen und Autoren. Beim Übersetzen steigt man viel tiefer in einen Text ein. Ich suche nach Literatur von der Peripherie, vom Land, aus dem geografischen Spektrum Nord-, Ost-, und Südosteuropas: von den Färöern nach Skandinavien, vom Baltikum bis nach Mazedonien. Es gibt ein Publikum, das den Guggolz Verlag genau wegen dieses Verlagskonzepts schätzt und diese Reise mitmacht.
 
Reisen Sie häufig oder eher selten?

Wenn möglich, versuche ich immer auch an die Orte zu reisen, an denen die Autorinnen und Autoren gelebt haben, oder in die Regionen, wo ihre Geschichten spielen. Die einzelnen Länder haben in der Regel Institute, die die Verbreitung ihrer Literatur im Ausland fördern und in diesem Zuge auch Übersetzungsförderung und Verlegerreisen oder Lektorenreisen anbieten. Gerade plane ich eine Reise nach Finnland, wo ich die Biografin der finnischen Autorin treffen werde, die ich 2022 veröffentlichen will.

Welche Bedeutung hat das Li-Be heute für einen unabhängigen Verleger? Was macht dieses Kulturprojekt attraktiv?

Es handelt sich um eine öffentliche Einrichtung von hohem kulturellem Wert. Meinem Eindruck nach schlummert hier noch viel Potential für Verlage. Wir Verleger haben nämlich eigentlich wenig Orte des Austauschs. Literaturhäuser könnten der ideale Ort dafür sein. Das Li-Be ist in der Tat ein „Literaturhaus“ – kein „Autorenhaus“ oder „Lesungshaus“ –, hier ist klassische Literatur genauso willkommen wie experimentelle, und es ist ein unheimlich schöner Ort.
 
Welche Räume des Li-Be sind Ihnen am vertrautesten? Und warum?

Besonders vertraut sind mir der Große Saal und das Kaminzimmer. Gleichzeitig sind für mich auch die Buchhandlung Kohlhaas & Company im Untergeschoss und das Wintergarten-Café Teil des Ensembles, auch wenn sie nicht zum Literaturhaus gehören. Am allerliebsten mag ich aber die Terrasse, ein geschützter Raum, wo man den Eindruck hat, in den Bäumen zu sein.

  • Der Verleger Sebastian Guggolz © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola
    Der Verleger Sebastian Guggolz
  • Li-Be, ein Detail des Eingangs © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola
    Li-Be, ein Detail des Eingangs
  • Garten und Cafeteria der Villa © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola
    Garten und Cafeteria der Villa
  • Ein Detail des Kaminzimmers © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola
    Ein Detail des Kaminzimmers
  • Eingang des Großen Saals © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola
    Eingang des Großen Saals
  • Großer Saal © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Mirandola
    Großer Saal
Was ist für Sie ein Buch?

Ein Buch ist unglaublich vieles. In meinem Verlagsprogramm ist es ein attraktives Objekt, das die Zeit überdauert. Meine Bücher sind so konzipiert, dass sie noch in fünfzig Jahren in einem Antiquariat verkauft, gekauft und gelesen werden können. Ich fühle mich als Glied in einer Überlieferungskette, die ein Buch weiterreichen möchte, und zwar möglichst weit von dem Ort und der Zeit, in der es entsteht. Für mich ist es undenkbar, digital zu lesen.
 
Was fasziniert Sie am Übersetzen besonders?

Übersetzung ist eines der Wunder der Literatur, und die Arbeit mit Übersetzerinnen und Übersetzern ist der Kern meiner Arbeit. Eine verbreitete Vorstellung ist ja, dass es einen Originaltext und dessen korrekte Übersetzung gäbe. In Wahrheit gibt es keine „richtige“ Übersetzung. Eine Übersetzung ist immer ein Blick auf einen Text, und es kann viele Blicke auf diesen Text geben. Es ist nicht gesagt, dass die neuste Übersetzung die beste ist, und eine gute neue Übersetzung streicht eine gute alte Übersetzung nicht durch.
 
Was ist das Positivste, was dem Verlag 2020 passiert ist?

Außergewöhnlich finde ich den Einsatz unserer Kulturstaatsministerin, mit dem sie finanzielle Hilfsprogramme für Lebenswirklichkeiten wie meine umgesetzt hat. Das für mich Positivste daran ist, dass Ministerin Grütters uns nicht vergisst, ich fühle mich als Verleger wertgeschätzt. 2020 hat der Guggolz Verlag außerdem den Deutschen Verlagspreis bekommen. 

Kürzlich haben Sie einen Kurzfilm zu einer Ihrer Herbst-Neuerscheinungen gedreht, den Apokalyptischen Variationen des litauischen Schriftstellers Antanas Škėma, übersetzt von Claudia Sinnig.

Die Idee kam vom Litauischen Kulturinstitut in Berlin, mit dem ich zusammenarbeite. Dem Autor Antanas  Škėma haben wir in der Vergangenheit schon eine Buchpremiere und mehrere Veranstaltungen gewidmet. Die Veröffentlichung der Apokalyptischen Variationen und die Lesung zur Buchpremiere waren schon lange geplant. Durch die Corona-Krise waren wir gezwungen, nach einer Alternative zu suchen, die sich dann – auf Vorschlag der verantwortlichen Kulturattaché – in einem Kurzfilm mit dem Titel Ein Besuch bei der Übersetzerin konkretisiert hat. Produziert wurde er vom Litauischen Kulturinstitut, unter der Regie von Jo Radtke und Fritzi Friedrich, die Texte hat Hans Löw eingelesen. Während eine Lesung ein flüchtiges Ereignis ist, bleibt so ein Filmchen und man kann es sich mehr als einmal anschauen, das ist das Interessante. Das Ergebnis war so überzeugend und die Rückmeldungen so positiv, dass jetzt auch die Kulturinstitute von Mazedonien und von Schweden, mit mir jeweils einen solchen Film produzieren wollen!
 
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Vielen Dank an:
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