Berlinale-Blogger 2017
Für immer Berlin!

Berlin Syndrome, Max Riemelt, Teresa Palmer
Foto: Max Riemelt, Teresa Palmer

„Berlin Syndrome“ und „Tiger Girl“ beschwören die deutsche Hauptstadt als gefährlichen Ort. Der eine Film liefert Einblicke in deutsche Seelenhaushalte und überzeugt als Genrefilm, der andere handelt von der Faszination der Gewalt – wirkt dabei allerdings irgendwann posenhaft.

Tiger Girl (Panorama Special) hat viele begeistert, und man versteht auch warum: Kraftvolle Charaktere, kampfbetonte Action und schnelle Schnitte sieht man im deutschen Kino nicht häufig. In seinem „Martial Arthouse“-Experiment lässt Regisseur Jakob Lass zwei junge Frauen auf Berlin los. Das kickboxende Punk-Girl Tiger zeigt der schüchternen Vanilla, die gerade bei einem Sicherheitsdienst anheuert, wo der Hammer hängt. Was als mutige Selbstverteidigung gegen zudringliche Männer beginnt und im Spaß am Kaputtmachen durchaus kreative Momente zeigt, hat erwartungsgemäß böse Folgen: Vanilla erliegt der Faszination der Gewalt. Dasselbe lässt sich allerdings auch über den Film sagen. Die Feier weiblicher Selbstermächtigung wirkt irgendwann posenhaft, auf einem zugegeben schmalen Grat verliert Lass bisweilen die Balance. Dabei hat der Regisseur, der 2013 für Love Steaks gefeiert wurde und unter dem ironischen Titel Fogma eine Art Regelwerk des „German Mumblecore“ formulierte, keineswegs alles verlernt. Als kluge Kritik an Autoritätsverhältnissen und durchdachte Studie ganz realer Gewaltmechanismen hat seine Comic-Fantasie eine Menge zu sagen.
 
Ein dunkles Berlin voller Gefahren beschwört im Panorama auch Berlin Syndrome von Cate Shortland. Ein unbedachter One-Night-Stand wird für die junge Touristin Clare, Australierin wie die Regisseurin, zum monatelangen Martyrium – der scheinbar so nette Deutsche Andi hat sie in seiner Wohnung eingesperrt. Eine gespenstische Paarbeziehung entwickelt sich: Die eine will nur noch raus, der andere will das nicht einsehen und organisiert seelenruhig das gemeinsame Leben: „Magst du Pesto?“ Während Clare in der Wohnung gegen den Wahnsinn kämpft, führt Andi sein normales Leben als Englischlehrer und braver Sohn eines Professors einfach weiter. Mit Lore hat die bis dahin weithin unbekannte Shortland 2012 eine der besten filmischen Charakterstudien zur NS-Zeit vorgelegt; umso unheimlicher ist dieser neuerliche Einblick in deutsche Seelenhaushalte. Berlin Syndrome überzeugt jedoch eher als Genrefilm, der die genaue Psychologie von Kidnapping-Filmen wie Room (Lenny Abrahamson, 2015) mit deftigen Horroreffekten verbindet.