3. Mai 2017
Die neue Bauakademie global denken

Beitrag des Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann

Der Diskurs zur Architektur als kulturellerDisziplin hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Aber es fehlt ein zentraler Ort in Berlin, der neben den hier angesiedelten Museen(Museumsinsel und Humboldt-Forum) sowie den wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen mit unangefochtener internationaler Bedeutung für die globale und interdisziplinäre Vernetzung, Vermittlung und Präsentation von Ideen und Akteuren auf dem Gebiet der Architektur steht.

Der Wiederaufbau der Bauakademie bietet einen einmaligen Anknüpfungspunkt für ein solches Vorhaben. Karl Friedrich Schinkel schuf damals auf dem kenntnisreichen Fundament des Vorhandenen etwas Gewagtes und Neues, um einen wichtigen Beitrag zu einer sich wandelnden Gesellschaft zu leisten. Sein Denken gegen enge Grenzen, statische Abgeschlossenheit und systematische Verfestigung und für Dynamik, Imagination und praktisches Handeln kann heute wiederum Leitmotiv sein.

Eine neue Bauakademie an diesem hochwertigen Ort muss sich diesen Maßstab setzen: Keinesfalls soll sie bestehende Einrichtungen doppeln. Vielmehr muss sie sich den veränderten globalen Kontexten öffnen und neue Perspektiven bieten. Der sozialen Dimension des Bauens kommt eine zunehmende gesellschaftliche Bedeutung zu. Es ist der raumprägende und identitätsstiftende Charakter der Architektur, der ihr beispielsweise Antworten zur Gestaltung inklusiver Stadträume und den proaktiven Umgang mit Prozessen der beschleunigten Urbanisierung abverlangt.

Im besten Sinn operiert die neue Bauakademie als Plattform für Kreativität und Wissenstransfer, die eine führende und gestaltende Rolle für die Zukunft einnimmt. Sie gibt ebenso Raum für die Weiterentwicklung des Kulturerhalt-Gedankens wie für die Architekturvermittlung, ist Forschungsstätte und Ort des Dialogs zwischen Experten, Kulturen und Generationen und gestaltet auch die digitalen Möglichkeiten entscheidend mit.

Warum engagiert sich das Goethe-Institut für eine neue Bauakademie?

Das Goethe-Institut ist mit seinen 160 Instituten in knapp 100 Ländern mit den weltweiten Entwicklungen vertraut und engagiert sich partnerschaftlich besonders in den Bereichen Bildung und Kultur. Dabei spielen insbesondere das starke Anwachsen der Stadtbevölkerung, die aktuellen Migrations-und Flüchtlingsströme, die unterschiedlichen demografischen und zivilgesellschaftlichen Entwicklungen sowie die Tendenzen gegenseitiger Abschottung einerseits und globaler Vernetzung andrerseits eine Rolle.

Unser menschliches Zusammenleben ist in erster Linie eine kulturelle Leistung. Dazu bedarf es geeigneter Voraussetzungen, die dieses Zusammenleben ermöglichen. Architektur hat, angefangen von ihren Entwurfs- und Bauprozessen über die Realisierung bis hin zur Stadtplanung mit öffentlichen Räumen, eine langfristige und tiefgreifende Auswirkung. Architektur hat somit mehr denn je eine soziale Verantwortung und ist für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft entscheidend. Den großen Städten kommt immer mehr die Aufgabe zu, die mit der Urbanisierung verbundenen Entwicklungen in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu reflektieren und zu gestalten. Diese Rolle muss einerseits nachdem lokalen und sozialen Kontext fragen und andererseits sich an globalen Fragestellungen ausrichten. Dazu bedarf es ganz im Sinn von Schinkels Motiven nicht unbedingt einer ausgreifenden Programmatik, sondern eher eines schlüssigen Pragmatismus. Den gewinnt man aus einem intensiven Austausch von Architekten, Stadtplanern, Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen (Sozialwissenschaften, Philosophie, Kunstwissenschaften, Geschichtswissenschaft usw.), Künstlern, Bürgerinitiativen.

Das Goethe-Institut hat seit einigen Jahren mit seinem Schwerpunkt „Architektur und Stadtentwicklung“ Ausstellungen, Publikationen, Konferenzen und Kooperationen ermöglicht, in Zusammenarbeit mit Universitäten und Architekturmuseen(Think Global, Build Social – Actopolis – Afritecture– All Change – usw.).

Das Goethe-Institut versteht sich im Verbund mit der TU Berlin und dem Deutschen Archäologischen Institut als komplementärer Partner, der zu deren Wissen, Diskursen und Kompetenzen aktuelle kulturelle Perspektiven aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt beisteuert und wissenschaftliche Themen durch kreative Ansätze aus verschiedenen wissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen bereichert.

Das Goethe-Institut kann einerseits das Potential des Netzwerks der 160 Institute für die Bauakademie öffnen und damit einen immer aktuellen Diskussionsstand verfügbar machen, andererseits die Arbeitsergebnisse der Bauakademie in die Weltvermitteln. Dieser Austausch macht die Bauakademie zu einem ehrgeizigen Ort, der Zukunft schafft. Er wird dann besonders effektiv wirken, wenn er über ein eigenes Residenzprogramm zusätzlich gestärkt wird, das den Aufenthalt von Expertinnen und Experten der verschiedenen Disziplinen in der Bauakademie ermöglicht. Das Residenzprogramm ist ein Basislager für Künstler und Intellektuelle. Damit lässt sich auch nachhaltig das Veranstaltungs-und Ausstellungsprogramm profilieren. Durch diese Vernetzung können ungewöhnliche Perspektivwechsel ermöglicht werden und Impulse sowohl in Deutschland als auch in den Herkunftsländern ausgelöst werden.

Gemeinsam mit den Partnern der TU Berlin und dem Deutschen Archäologischen Institut wird das Goethe-Institut das Ziel verfolgen, in engem Austausch zu den international relevanten Institutionen und Szenen die globale Relevanz der neuen Bauakademie als zentralem Ort des Architekturdiskurses in Deutschland zu sichern. Dabei muss die Bauakademie ein Konzept vertreten, das am Anfang des 21. Jahrhunderts nicht auf Entwicklungen reagiert, sondern innovativ neue Sichten eröffnet. Was Karl Friedrich Schinkel als Kern der Kunst seiner Zeit begriff, nämlich, dass sie „nichts ist, wenn nicht neu“, soll auch hier gelten.