18. Juni 2017
Ausstellungseröffnung „New Types“

Rede des Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann

Anrede

Es ist für mich ein Glücksmoment, mit Ihnen heute hier im Museum für Druckkunst die Ausstellung New Types eröffnen zu dürfen. Zum einen, weil Orte wie dieser zu meinen Kindheitserfahrungen gehören. Mein Vater war Schriftsetzer und der Geruch von Druckerschwärze und der Anblick von Setzkästen gehört zu den prägenden Eindrücken. Zum anderen, weil ich diesem Museum als Gründungsmitglied im Kuratorium von Beginn an angehöre und schließlich, weil ich als Präsident des Goethe-Instituts eine gemeinsam von Goethe-Institut, Literaturarchiv Marbach und Israel Museum in Jerusalem gezeigte Ausstellung nach Leipzig zurückbringen konnte, wo die hier präsentierte Geschichte ihren Ursprung hatte – vor rund 90 Jahren. Heute schließt sich für mich ein Kreis, der faszinierender nicht sein kann.
 
Dass wir mit dieser Ausstellung hier in Leipzig sind, ist kein Zufall. Die Werke der drei Kunstschaffenden Franzisca Baruch, Henri Friedlaender und Moshe Spitzer, die wir ab heute hier beschauen können, gelten als Pionierarbeiten einer neuen Formensprache Israels und haben das hebräische Grafik-Design entscheidend geprägt. Und: Alle drei hatten ihr Handwerk in Deutschland, bevorzugt in Leipzig gelernt, bevor sie in den 1930er-Jahren wegen der nationalsozialistischen Machtergreifung emigrieren mussten.
 
Ihre Schriftzüge, Embleme und Buchgestaltungen prägen bis heute den öffentlichen und privaten Raum Israels und sind vom künstlerischen und sozialen Umfeld Deutschlands geprägt, das die Kunstschaffenden durch ihr Studium und Wirken in Berlin und Leipzig kennenlernten. Henri Friedländer studierte an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig als Schriftsetzer (1925) und arbeitete ab 1929 als Gestalter für die Leipziger Offizin Haag-Drugulin. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Deutschland zu einem Zentrum moderner hebräischer und jiddischer Kultur und Verlagstätigkeit in Europa: Hier in Leipzig sowie auch in Berlin entstanden Verlage und Zeitschriften, die Literatur, wissenschaftliche Arbeiten, Editionen alter jüdischer Texte und zeitgenössische Literatur in deutscher, hebräischer und jiddischer Sprache publizierten.
 
Spitzer, Baruch und Friedlaender waren unter dem Einfluss von Expressionismus und Bauhaus damals auf der Suche nach zeitgemäßen Schrifttypen für das moderne Hebräisch, dessen Drucklettern sich letztlich immer noch an den mittelalterlichen Handschriften Europas orientierten. Seit den frühen Drucken des späten 15. Jahrhunderts hatten sich die Formen der hebräischen Lettern kaum verändert und die meisten Druckschriften ahmten kalligrafische Texte nach. Produziert wurden diese Druckschriften auch in den Leipziger Schriftgießereien, wie zum Beispiel die Drugulin-Hebräisch oder die Schelter-Giesecke nach der gleichnamigen Leipziger Schriftgießerei. Das Museum für Druckkunst, bei dem wir heute zu Gast sind, bewahrt die Matrizen und viele hebräische Lettern.
 
Dass wir in Leipzig sind, ist also ein deutliches Zeichen dafür, dass hier eine Rückkehr von Wissen stattfindet, welches Deutschland damals während der Zeit der Nationalsozialisten verloren ging. Und ich finde es besonders wichtig, dass man auch in Deutschland um diese Beziehung weiß, welche Verbindungen bestanden und Entwicklungen möglich wurden.
 
Bereits 2015 wurde die Ausstellung New Types anlässlich der Feierlichkeiten zu "50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen" im Israel Museum in Jerusalem gezeigt. Ada Wardi kuratierte die Ausstellung, die auch die Anpassung für das deutsche Publikum vorgenommen hat. In Israel war sie ein großer Erfolg, da erstmals die gestalterische Arbeit der drei Graphikdesigner präsentiert wurde und sie eindrücklich die vielfältigen Beziehungen zwischen modernem hebräischen und deutschen Schrift- und Buchdesign vor dem Hintergrund der deutsch-jüdischen Geschichte beleuchtete. So wie es für Israel eine überraschende Entdeckung war, so gilt das auch für das deutsche Publikum. Deshalb freue ich mich, dass wir am Ursprungsort die Ausstellung zeigen können.
 
Israel ist für die Arbeit des Goethe-Instituts von großer Wichtigkeit. In Tel Aviv sind wir seit 1979 aktiv, seit 1988 auch in Jerusalem. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist besonders. Einerseits gibt es eine lange deutsch-jüdische Geistesgeschichte und andrerseits gibt es die grausame millionenfache Vernichtung der europäischen Juden durch NAZI-Deutschland. Seit 1965 hat sich zwischen den beiden Ländern eine lebendige und enge Beziehung entwickelt, die sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfasst. Die kulturelle Zusammenarbeit hat sich kontinuierlich intensiviert und vertieft. Die Kolleginnen und Kollegen des Goethe-Instituts vor Ort treffen insbesondere bei den jüngeren Israelis auf ein beständig wachsendes, persönlich bestimmtes Interesse an Deutschland.

Es freut mich deshalb sehr, dass die Ausstellung durch die Kooperation mit unseren Partnern möglich wurde: Mein Dank gilt dem Israel Museum, das als eines der weltweit bedeutendsten Museen für Kunst und Archäologie mit der Ausstellung auch die Sicherung der Archivbestände ermöglicht hat. Und mein Dank gilt dem Deutschen Literaturarchiv Marbach für seine subtile, wissenschaftlich hochkompetente Arbeit: Es ist ein aktiver Vermittler nicht nur in Deutschland, sondern in der Welt und fördert damit die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in besonderem Maß. Es ist mir eine große Freude, dass die Ausstellung im Rahmen der Jüdischen Woche 2017 nun auch im Museum für Druckkunst in Leipzig bis zum 24. September 2017 zu sehen ist. Dies wäre nicht möglich gewesen ohne die großzügige Unterstützung unserer Partner, denen allen die Ausstellung ein besonderes Anliegen ist.

Ich wünsche uns heute anregende Begegnungen und der Ausstellung einen großen Erfolg

Es gilt das gesprochene Wort.