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Obscura Fotofestival 2019 in Malaysia
Unsichtbare Welten sichtbar machen

Gespräch und Führung mit dem Künstler Hannes Wiedemann
Gespräch und Führung mit dem Künstler Hannes Wiedemann | Foto: 2019 Obscura Festival of Photography & Tang Chun Cheuh

Simon Menners Sammlung von ostdeutschen Überwachungsfotos und Hannes Wiedemanns Fotos von US-Bodyhackern sind auf den ersten Blick geozentrisch. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich jedoch eine weltumspannende Dimension. Das Goethe-Institut Malaysia unterstützt die zwei deutschen Künstler beim diesjährigen OBSCURA Fotofestival in George Town, Penang.

Von Adeline Chua

Ungewohnte Welten

Das Thema Subkultur wäre ein zeitgemäßer Diskussionspunkt in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft, erklärt Festivaldirektor Vignes Balasingam. Das Recht auf Raum ist ebenso wichtig wie die Notwendigkeit anderen Raum zu geben. OBSCURA 2019 zeigt unter anderem Werke zu den Themen Zoophilie, Hellseherei, schwarze Cowboys und weibliche „Fight Clubs“. Dadurch blicken die Arbeiten in ungewohnte Welten und präsentieren eindrücklich, wie sich Wertesysteme über Orte und Kulturen hinweg verändern. Die kuratorische Vision, so Vignes, bestehe darin, die individuell gefertigten Werke zusammenzubringen, mit den Gästen zu sprechen und auch zu widersprechen. Die Fotografien zeigen, dass Menschen zwar „denselben Zollstab teilen, die Dinge aber unterschiedlich messen“.

neue Perspektiven wagen

Das Werbeplakat des OBSCURA Festivals zeigt eine Arbeit Wiedemanns: Auf dem Foto ist zu sehen, wie ein Chip-Gerät unter die Haut gepflanzt wird. Wiedemann sagt, dass seine Fotografien der American Grinders, einer Gemeinschaft die den Transhumanismus anstrebe indem sie sich Technologie in ihren Körper einsetzt, weltweit unterschiedliche Reaktionen hervorrief. Sein Heimatland neige dazu, skeptisch gegenüber der invasiven Technologie zu sein, wohingegen die Niederländer*innen bereits viel Potential in dieser Entwicklung sehen.

Aus der Serie „Wetware Projects: Grinders“ Aus der Serie „Wetware Projects: Grinders“ | Foto: Hannes Wiedemann Der Akt etwas zu tun, weil man kann, sei sehr wohl ein „unternehmerisches, sehr kapitalistisches und amerikanisches Ding", so Wiedemann. Und obwohl er von ihnen fasziniert sei, bleibe er kritisch gegenüber der anarchistischen Art, die von einigen der Grinder gelebt wird.
Bei der Diskussion über das Projekt gab es eine deutliche Spannung in der Bewertung was kapitalistisch oder sozialistisch sei. Eine Sozialist*in in Amerika unterscheide sich von einer Sozialist*in in Deutschland, wenn man die jeweilige politische Geschichte berücksichtige. Und da Wiedemanns Werke in Malaysia ausgestellt werden, wird die Arbeit durch eine weitere Linse betrachtet. Hier wird das Künstlergespräch mit ihm noch wichtiger, da er die Schichten hinter den zunächst nur sensationellen Fotografien, wie auf dem Werbeplakat, beschreiben muss.

Werden wir beobachtet?

Simon Menner weiß nicht, warum er immer noch als Fotograf bezeichnet wird. Er stöberte in letzter Zeit lediglich durch Archiv- und Medienbilder und hat das Absurde inmitten des Ernsten gesucht. Für das diesjährige OBSCURA Festival hat seine Fotoauswahl die Aufgabe, die wichtige Botschaft seines Werkes an ein Publikum zu übertragen, das weit weg von der Vergangenheit der ehemaligen DDR ist. In der tropischen Hitze der Hin Bus Depot Galerie in Penang hat das Kuratorenteam des OBSCURA Festivals seine Arbeit wie einen Lehrfilm an der Wand angebracht. So sollen die Tätigkeiten der Stasi-Spione aufgezeigt werden: zum Beispiel zeigt es die Agenten während ihres Trainings zur Tarnung oder der Selbstverteidigung.
Künstlergespräch und Führung mit Simon Menner Künstlergespräch und Führung mit Simon Menner | Foto: 2019 Obscura Festival of Photography & Tang Chun Cheuh Die Absurdität der Bilder zieht die Besucher*innen zunächst in ihren Bann, aber die weitere Künstleraussage weist auf den heimtückischeren Charakter dieser Fotos hin, die den Beweis für eine rechtswidrige Überwachung durch einen Staatssicherheitsdienst verdeutlichen. Durch seinen Galerie-Rundgang kontextualisiert Menner seine Arbeit für ein vielfältiges Publikum und macht auf Gedanken zur Datenerhebung in der heutigen Realität aufmerksam. Heute setzen andere Systeme, sei es eine herrschende Macht oder eine kostenlose Telefon-App, gerne dort an, wo die Stasi aufgehört habe.

Vom Projekt „Bilder aus den geheimen Archiven der Staatssicherheit" Vom Projekt „Bilder aus den geheimen Archiven der Staatssicherheit" | Foto: Simon Menner & BStU

Die Diskussion richtet sich auf die Auswirkungen des Beobachtens. Eine Stimmung, die in der südostasiatischen Region, in der die Meinungsfreiheit immer noch ein umstrittenes Recht ist, starken Anklang findet. Obwohl durch Geographie und Zeit getrennt, bringt Menners Arbeit über die Stasi immer noch Gespräche darüber in Gang, wie Autoritäten eine selbstregulierende und selbstzensierende Gesellschaft schaffen. Auch dadurch, dass sie subtil einen Zustand etablieren, in welchem wir uns permanent fragen: Werden wir beobachtet?
 

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