documenta 14
Lernen zu verlernen
Der Kurator der Documenta 14 Adam Szymszyk erklärte, dass die Welt nicht aus einem einzigen Standpunkt heraus erläutert werden kann und erweiterte die Perspektive der Documenta bis zu einem mentalen und geografischen Gegenpol von Kassel – bis nach Athen.
Die Documenta 14 entwickelte sich zu einem Organismus, der von Konzerten, Performances, Vorlesungen, Workshops und Publikationen, Radioprogrammen und Diskussionen mit Leben erfüllt wird, die wahrscheinlich vor der offiziellen Eröffnung der Ausstellung begonnen haben und sicherlich auch nach ihrem Ende andauern werden. Der Kurator der Documenta 14 Adam Szymszyk erklärte, dass die Welt nicht aus einem einzigen Standpunkt heraus erläutert werden kann und erweiterte die Perspektive der Documenta bis zu einem mentalen und geografischen Gegenpol von Kassel – bis nach Athen. Das Motto der Ausstellung Von Athen lernen (Learning from Athens) erinnert daran, dass die Ideen-, Kapital- und Menschenströme durch beide Orte fließen.
So steckte zum Beispiel die Leidenschaft Winkelmanns, der - eine Ironie des Schicksals -Griechenland nur durch späte Kopien und Vorbilder kannte und selbst noch nie in Athen war, Generationen von Künstlern, Architekten, Dichtern und Schriftstellern an, die die antiken Texte und Dokumente im Geist der Neoklassik und Romantik transformierten.
All diese Figuren sind bestrebt, die Hierarchien zwischen Künstlern und dem passiven Zuschauer und zwischenLehrern und Schülern abzubauen und den schöpferischen Prozess für alle zu öffnen. Der Komponist Jani Christou ist der Auffassung, dass das Kontinuum eine offene Handlungsform, eine Partitur ist, die aktiviert werden muss und für eine unbestimmte Zeit existieren und unterschiedliche Personen einbeziehen kann, ohne einem vorgegebenen Szenario zu folgen. Cornelius Cardew verließ das Gebiet der experimentellen Musik und begann Musik für den durchschnittlichen Menschen zu machen, der sie auch spielen kann. Seine Partituren sind eine Reihe von Anweisungen, die einfach auszuführen sind und sehr unterschiedlich klingen können.
Rabindranath Tagore sammelt sein Wissen sowohl vom Westen, als auch vom Osten während seiner Reisen. Er hält Vorträge in Athen, Sofia und an anderen Orten der Welt. Seine Schüler versammeln sich unter freiem Himmel, es wird ein Vortrag gehalten und Lehrer und Schüler bilden eine Kette, in der die Ideen frei übertragen werden.
Im Freien findet auch die langjährige Praxis von Lucius Burckhardt in Kassel statt, der eine eigene Bildungsmethodik, die Strollogy, erarbeitet hat (von „stroll“ – Spaziergang). Er führt seine Studenten hinaus in die Natur, um in der Gegend herumzugehen und die Landschaft zu beobachten, während sie sich über Kunst unterhalten. Burckhardts Spaziergänge beeinflussten die Praxis von Urbanisten, Architekten und Kunstwissenschaftlern. Darüber hinaus bietet Burckhardt kein fertiges Wissen auf dem Silbertablett an, sondern animiert seine Studenten zum Entdecken.
In seine Fußstapfen tritt auch der Chorus – ein Teil des Non-Bildungsprojekts der Documenta 14. Der Chorus ist nicht nur aus Malern und Kunsthistorikern zusammengesetzt, daran beteiligt sind auch Ökonomen, Videoschnitt-Fachleute, Architekten, Restaurateure, Tänzer und sonstigen Mitglieder, die mindestens zwei Interessensbereiche mit Schnittstellen der Kunst gemeinsam haben. Die Chorus-Mitglieder können ihre eigene Route durch die Ausstellung gehen, Besucher zur Mitwirkung in einer Performance animieren oder eine Diskussion initiieren. Ziel der Spaziergänge ist es, das Publikum anzuregen, aktiv auf die Kunst zu reagieren und Möglichkeiten zu schaffen, in den Dialog zu kommen. Und er kommt auch zustande, nicht immer, aber immer öfter.