Plastikmüll
Ein Leben ohne Plastik?

Plastikfrei leben
Foto: Jasmin Sessler © Pixabay

Ein Leben ohne Plastik? Kann sich einer von uns das noch vorstellen? Wir sind umgeben von Plastikverpackungen, -tüten, -flaschen und -bechern. Sogar unsere Kleidung, Kosmetik- und Reinigungsartikel enthalten Kunststoffe. Alle Plastikabfälle komplett zersetzen und wiederverwenden ist allerdings unmöglich. Deswegen bilden sich auf unserem Planeten seit Jahrzehnten tonnenschwere Müllberge, die enorme Schäden auf Natur und Mensch ausüben. Höchste Zeit, unser Plastikkonsum-Verhalten zu überdenken.

Laut Statistiken des Europäischen Parlaments fallen jedes Jahr nur allein in der Europäischen Union (EU) rund 26 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Dazu gehören Verpackungen, Einwegartikel wie Plastiktüten, -teller und -besteck, Trinkflaschen und -becher, Zigarettenstummel, Hygieneprodukte, Teile für Haushalts- und Elektronikgeräte, für PKW und Lastkraftwagen und vieles, vieles mehr. In den letzten Jahrzehnten ist die Kunststoffproduktion weltweit exponentiell gestiegen – von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf 322 Millionen Tonnen im Jahr 2015. Unabdingbar und irreversibel vergrößert sich auch die Menge des anfallenden Plastikmülls. Aber was passiert damit? Zum Beispiel hier bei uns in Europa?

Kunststoffabfälle werden auf drei Weisen verarbeitet – durch Verbrennung, Sammeln in Mülldeponien oder durch Recycling. So weit, so gut in der Theorie. In der Praxis sind die Zahlen aber etwas ernüchternder. Laut der oben genannten Statistiken werden in den EU-Mitgliedstaaten im Durchschnitt weniger als 30% der Plastikabfälle recycelt. Davon die Hälfte wird außerhalb der Union zur Weiterverarbeitung exportiert. Der Rest wird verbrannt (ca. 39%) oder deponiert (ca. 31%), oder aber auch landet im Ökosystem Erde – in Flüssen und Seen, im Meer und auf den Stränden, in den Wäldern und Feldern. Schätzungen zufolge befinden sich heute über 150 Millionen Tonnen Plastikmüll allein im Meer. Jedes Jahr kommen zwischen 4,8 und 12,7 Millionen weitere Tonnen dazu. „Das ist ungefähr so, als würde jede Minute eine LKW-Ladung Plastikmüll ins Meer entleert werden,“ so die bildliche Beschreibung auf der Webseite des ersten Ladens „Original Unverpackt“ in Deutschland.

Einmal benutzt und weg

Nicht nur, dass der Mensch eine extrem große Menge an Plastikprodukten herstellt, verwendet und damit die Natur verschmutzt. Dazu kommt es auch, dass fast die Hälfte der Abfälle, die in den Meeren und an den Stränden gefunden werden, Einwegkunststoffartikel sind: Getränkeflaschen, Zigarettenstummel, Wattestäbchen, Tüten, Luftballons – die Liste ist schier endlos. Allein aus den acht Milliarden Plastiktüten, die jährlich als Müll in der Natur enden, bilden sich in den Ozeanen riesige Müllinseln.

Denn Plastik verrottet nicht. Je nach Kunststoff kann es bis zu 450 Jahre dauern, bis sich ein Gegenstand in der Natur zersetzt. Dies führt zu immensen Problemen im globalen Maßstab – sowohl für unser Ökosystem, als auch für die Weltwirtschaft. Durch die Plastikverschmutzung werden jegliche Tier- und Pflanzenarten angegriffen, durch die Chemikalien in den Kunststoffen vergiftet oder ersticken an einzelnen Partikeln. Durch die Nahrungskette gelangen diese Kunststoffe erneut zum Menschen. Wir konsumieren verseuchte Fische und Meeresfrüchte und trinken mit Plastikpartikeln belastetes Wasser. All dies wirkt sich aber auch finanziell aus – im Bericht „Plastik im Meer“ vom Oktober 2018 schätzt das Europäische Parlament ein, die Plastikabfälle im Meer kosten der EU-Wirtschaft zwischen 259 und 659 Millionen Euro.

Auf der Suche nach Plastikalternativen

In ihrem Bestreben, dieses umweltschädliche Problem zu lösen, sucht die Wissenschaft nach Ausweichlösungen für die Plastikproduktion. Könnte man andere Materialien erfinden, die schneller und überhaupt zersetzbar sind, und zugleich die gleiche Funktion wie Plastik erfüllen?

Momentan sind biobasierte, biologisch abbaubare und oxo-abbaubare Kunststoffe die meist verbreiteten Plastikalternativen und werden z. B. für Einwegdosen, -tüten und -besteck. Biobasierte Kunststoffe bestehen vollständig oder teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen, z. B. aus Mais und Zuckerrohr. Diese müssen nicht zwingend auch biologisch abbaubar sein. Gegner dieses Alternativprodukts haben die Befürchtungen, es würden Lebensmittelknappheiten und Abholzung durch Nutzung der Ressourcen für Biokunststoffe entstehen. Andere Stimmen hingegen finden darin ein Zukunftsmodell für die Herstellung von Kunststoffen, da die benutzten Rohstoffe nachwachsen und nicht wie Erdöl endlich sind.

Biologisch abbaubare Tüten hingegen sind aus Kunststoffen, die sich unter bestimmten Bedingungen selbst zersetzen. Dabei können diese wiederum aus pflanzlichen Rohstoffen sein, aber genauso auch aus Erdölbasierten Polymeren. Dazu gibt es noch die oxo-abbaubaren Kunststoffe, die Metallionen enthalten, die durch UV-Licht oder Wärme und Sauerstoff oxidiert werden. Dabei zerfällt ihre Kunststoffstruktur in kleine Mikroplastikpartikel. Dennoch bietet das biologisch abbaubare Plastik momentan leider keine Alternative. Wie das Ergebnis einer Studie der University of Plymouth zeigt, zersetzen sich Plastiktüten aus oxo-abbaubaren und biologisch abbaubaren Kunststoffen in der Erde und im Wasser auch nach drei Jahren nicht. Genau wie konventionelle Plastiktüten aus Polyethylen. Daher empfehlen die Experten, sich nicht darauf zu verlassen, dass ein Kunststoff als biologisch abbaubar markiert ist, sondern einfach weniger Plastik zu verwenden.

Politische Entscheidungen gebraucht

Durch die ernüchternden Befunde von Naturwissenschaftlern und NGOs ist es klar geworden, dass die Politik auf einem höheren Niveau nach Lösungen suchen muss. Spätestens als China 2018 ablehnte, den Kunststoffmüll der westlichen Länder aufzunehmen, wurde die Lage alarmierend. 2019 wehrten sich noch weitere Länder wie Indonesien, Malaysia und Kambodscha gegen die ungebremste Einfuhr von nicht recyclebarem Plastik und schickten Container mit Tausenden von Tonnen Abfall zurück.

Bereits im Jahr 2015 hat das EU-Parlament ein einheitliches Abkommen verabschiedet, dass in der EU weniger Plastiktüten verbreitet werden dürfen. „Im Durchschnitt benutzt jeder Europäer jedes Jahr bis zu 200 Plastiktüten,“ so der Bericht. „Während in Dänemark und Finnland jeder Bürger nur vier Tüten pro Jahr verbraucht hat, waren es in Polen, Portugal und der Slowakei 100 Mal mehr.“ Mit der neuen Regelung hatten alle EU-Mitgliedstaaten die Wahl, entweder die Anzahl der genutzten leichten Plastiktüten pro Person auf 90 pro Jahr bis 2019 und nicht mehr als 40 bis 2025 zu begrenzen, oder bis Ende 2018 zu verbieten, dass leichte Plastiktüten umsonst an Kunden vergeben werden. Heute sind sowohl in Bulgarien, wie auch in Deutschland Plastiktüten in Supermärkten, Baumärkten, Bekleidungsgeschäften usw. nur gegen einen bestimmten Preis zu erwerben.

Ende Oktober 2018 geschah noch ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Reduzierung der Plastikabfälle – das EU-Parlament hat dafür gestimmt, dass Wegwerfprodukte aus Plastik wie Besteck, Wattestäbchen und Strohhalme ab 2021 verboten, sowie Kunststoffe ohne Alternativen wie z. B. Sandwichboxen oder Lebensmittelbehälter für Gemüse und Obst bis 2025 um mindestens 25% verringert werden müssen. Dazu werden oxo-abbaubare Materialien und bestimmte Styropore untersagt, sowie außerdem muss die Produktion von kunststoffhaltigen Zigarettenfiltern bis 2030 um 80% reduziert werden. Darüber hinaus möchte das EU-Parlament bis 2029 eine Sammelquote von 90% für Plastikflaschen erreichen. Dies soll vor allem durch Pfandrückerstattungssysteme wie bereits in elf der EU-Länder wie Dänemark, der Niederlande oder Kroatien erfolgen. In Deutschland gilt die Pfandpflicht seit Januar 2003 – man bezahlt 25 Cent für Einwegplastikflaschen, 15 Cent für Mehrwegplastikflaschen und 9 Cent für Mehrwegglasflaschen oder -gläser, bei derer Rückgabe man die gleiche Summe zurück erhält. Die Einführung eines allgemeingültigen Pfandsystems in Bulgarien wurde 2012 und 2015 diskutiert. Es wurde nach den wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen untersucht, der Vorschlag wurde dennoch im Parlament abgelehnt. Eindeutig dagegen waren ebenso Firmen aus dem Ernährungssektor sowie die einheimischen, für die Müllentsorgung und -verarbeitung verantwortlichen Organisationen. Laut letzterer wurde das Müllentsorgungs- und Recyclingsystem in den vergangenen Jahren so ausgearbeitet, dass ein Wechsel nur unnötige Kosten, Stellenkürzungen und keine Vorteile für die Umwelt mit sich bringen würde. Tatsächlich hatte Bulgarien z. B. 2016 eine hohe Recyclingquote von Verpackungsabfällen von 50 bis 60% und hat eine relativ niedrige Verpackungsmüllmenge von ca. 100.000 Tonnen produziert. Zum Vergleich war die Recyclingquote in Deutschland zwischen 40 und 50% und mit über 3 Mio. Tonnen war das Land der größte Verpackungsabfallproduzent untern den 28 EU-Mitgliedstaaten.

Mit einzelnen ProjekteN auf dem guten Weg

Während die politischen Akteure im Parlament diskutieren und Ziele für die nächsten Jahrzehnte setzen, versuchen auch private Initiativen, Veränderungen zu vollbringen. Einzelne Ideen werden weltweit aufgegriffen, Erfahrungen ausgetauscht und es werden Läden, Kampagnen und Online-Portale gegründet, um das Bewusstsein für die Umweltvermüllung durch Plastik zu stärken.

In Bulgarien gibt es bereits zahlreiche Beispiele für solche Initiativen, die aktiv dem Plastikverbrauch entgegenwirken möchten. In ihrem Blog Zero Waste Sofia schreibt Simona Stiliyanova beispielsweise regelmäßig über das Thema, gibt Tipps und hat eine Karte mit den freien Trinkwasserquellen in Sofia und Umgebung gestaltet. Mithilfe anderer Mitläufer wächst die Liste kontinuierlich weiter. Die Initiative Sipi.ey hat ebenso eine sehr informative Webseite und eine Karte mit Restaurants, Cafes und Läden in Sofia und anderen bulgarischen Städten ausgearbeitet, in denen man im mitgebrachten Becher Getränke oder im eigenen Mehrwegbehälter Speisen erwerben kann. Dazu kommen noch Aktionen wie „BringYourOwnCup“ in der Sofioter Bar „Maimunarnika“, damit man aus dem eigenen Glas trinkt und keine Plastikbecher verbraucht. In Läden wie „Rois“ oder „Zoya“ findet man getrocknete Früchte, Nüsse und Getreideprodukte ohne Verpackung, sowie auch Naturkosmetik und andere Bio-Artikel.

Die sogenannten „Unverpackt-Läden“ sind auch in Deutschland kein Fremdwort mehr. Das erste komplett verpackungsfreie Geschäft – „Original Unverpackt“ – wurde in Berlin-Kreuzberg 2014 gegründet. Heute gibt es bundesweit bereits um die 100 Läden, die als Crowdfunding-Projekte gegründet wurden und frische Nahrungsmittel, Obst, Gemüse,
Kosmetik- und Reinigungsmittel ohne Plastikverpackung anbieten. Auch manche
Supermarktketten ziehen mit eigenen Kampagnen mit. So bietet z. B. Rewe seit 2017 neben den kleinen, kostenfreien Plastiktüten in der Obst- und Gemüseabteilung, die aus Hygienegründen nicht abgeschafft werden dürfen, Mehrweg-Fischenetze im Zweierpack für 1,49 Euro an. Darin sollen das gekaufte Obst und Gemüse transportiert werden. Die Liste mit den Beispielen ist noch lang.

Die beste Lösung: Weniger konsumieren

Die enormen Abfallmengen zeigen, dass es nicht mehr einfach nur reicht, den Müll zu trennen. Auf Dauer heißt die einzige Lösung „Weniger konsumieren“ und dadurch auch die Plastikabfälle global reduzieren. Und dies ist machbar und sehr simpel zu gestalten, wie die oben genannten Initiativen zeigen. Warum nicht einfach Leitungswasser trinken, anstatt für Wasser in Flaschen zu bezahlen? In den meisten Regionen Bulgariens und Deutschlands ist die Trinkwasserqualität ausgezeichnet. Warum nicht unterwegs die eigene Trinkflasche (am besten aus Glas oder PVC-frei), Mehrwegbehälter oder Becher für den Kaffee mitnehmen? Oder zum Einkaufen den praktischen Stoffbeutel immer dabei haben? Denn jede Tat, egal wie klein, zählt und jeder bewusster Verzicht auf Plastik bedeutet ein Stückchen weniger Müll auf unserem Planeten.
 

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