Kulturpalast Dresden
Kulturkampf um den Palast

Kulturpalast Dresden

In Dresden tobt seit Jahren ein leidenschaftlicher Streit um den Kulturpalast. Dabei geht es weniger um die Architektur des 1969 eröffneten und mittlerweile sanierungsbedürftigen sozialistischen Prachtbaus als vielmehr um sein Innenleben. Die Stadt will den Palast ab Mitte 2012 für mehr als 70 Millionen Euro umbauen.

Aus dem Tempel der leichten Muse im Stadtzentrum, in dem die Dresdner Schlagerfesten, leichter Pop- und Volksmusik ebenso beiwohnten wie Jugendweihen und Kochshows, soll ein Hort der Hochkultur werden. Zentraler Baustein des Plans: Der bisherige Mehrzwecksaal wird zu einem akustisch hochwertigen Konzertsaal umgestaltet, der den Ansprüchen der Dresdner Philharmonie genügt. Dagegen klagt der Architekt – er sieht sein Urheberrecht verletzt.

„Frevelhaftes Unternehmen“

Die äußere Hülle des Kulturpalasts soll weitgehend unverändert bleiben. Auch im Innern orientiert sich der Plan am ursprünglichen Zustand. Selbst das 30 mal 10 Meter große Wandgemälde Der Weg der roten Fahne, das in Farbglas auf Betonplatten an der Westseite des im Volksmund „Kulti“ genannten Mehrzweckbaus prangt, soll erhalten bleiben. Für den Architekten Wolfgang Hänsch ist das Projekt dagegen schlichtweg „barbarisch“.

„Ein funktionsfähiger Mehrzwecksaal wird zerstört, um einen Konzertsaal zu errichten. Das ist ein frevelhaftes Unternehmen“. Der Umbauplan sei die „unzulässige Entstellung“ seines urheberrechtlich geschützten Werkes, die Stadt wolle einen „Schildbürgerstreich“ begehen. Dagegen wehrt sich der Architekt mit einer Klage.

Lange Vorgeschichte

Gewinnt Hänsch, muss der Mehrzwecksaal wohl bleiben. Die durch den Prozess noch einmal befeuerte Debatte um den „Kulti“ wird bereits seit Jahren geführt: Nachdem der Stadtrat den Umbau 2008 beschlossen hatte, dominierte das Thema den damaligen Oberbürgermeister-Wahlkampf.

Vor allem SPD und Linke, aber auch örtliche Veranstalter machten sich unter dem Motto „Kulturpalast erhalten“ für den Saal in seiner bisherigen Form stark. Die Stadt, hieß es, zerstöre ein funktionierendes Ensemble und verbanne populäre Musik aus dem Zentrum. Zudem hätten viele Dresdner positive Erinnerungen an den Bau, der Schauplatz für Tanz, Feiern und Jugendweihe war.

Doch dass überhaupt etwas passieren muss – darüber sind sich alle einig. Ende 2012 läuft die Betriebsgenehmigung des Kulturpalastes aus – unter anderem, weil er die aktuellen Brandschutzvorgaben nicht erfüllt. Aktuell rauchen vor allem die Köpfe der Befürworter und der Gegner des Umbaus. Das schlichte Gebäude, ein flacher Glasquader auf einem Granitsockel, gilt als Beginn der Nachkriegsmoderne in Dresden. Um den DDR-Bau, sagt der Schauspieler Uwe Steimle, ein Umbau-Gegner, beneide man die Dresdner „in der ganzen Bundesrepublik“. So ist der Streit mehr als eine Auseinandersetzung zwischen Klassik und Kochshow – er ist für viele Beteiligte auch zur Identitätsfrage geworden.

Der Freistaat Sachsen hat sich klar positioniert: Die Landesregierung will rund die Hälfte der projektierten Umbaukosten aus einem europäischen Regionalentwicklungsfonds beisteuern. Auch im Stadtrat gibt es eine eindeutige Mehrheit für den Umbau: CDU, FDP, Bürgerfraktion und Grüne ziehen in diesem speziellen Fall an einem Strang.

Weinberg für den besseren Klang

Sie sind sich einig, dass der neue Saal eine optimale Lösung darstellt. Der erste Blick auf Modelle erinnert an das Leipziger Gewandhaus: Die Zuschauerränge sind weinbergförmig angeordnet, die bisher an der Stirnseite des Mehrzwecksaales positionierte Bühne soll in die Mitte rücken. Rund 1.900 Zuschauer sollen im neuen Saal Platz finden, rund 500 weniger als bislang.

Die Philharmonie rückt mit dem Umbau nicht nur räumlich ins Zentrum, sondern auch auf dem Spielplan des Palastes: Zwei Drittel der Veranstaltungen sollen künftig Klassikkonzerte sein. Ein Drittel ist Jazz, Chansons und Pop vorbehalten. Rockkonzerte, Schlager- und Kochshows finden nach dem Willen der Umbau-Befürworter in Zukunft auf dem Dresdner Messegelände statt – weit außerhalb des Stadtzentrums.