Girl Power
Frauen und Graffiti

Filmplakat zum Film Girl Power
Filmplakat zum Film Girl Power | © Foto: Sany

Graffiti wird im Bewusstsein vieler immer noch als rein männliche Disziplin wahrgenommen. Diese Vorstellung will Sany, eine der alten Häsinnen unter den Graffiti Writerinnen der Prager Szene mit ihrem Dokumentarfilm Girl Power untergraben. Zusammen mit Regisseur Ondřej Rybár bereiste sie in den letzten fünf Jahren fast die ganze Welt und kam mit Dutzenden Stunden Material wieder. 

„Mit diesen Mädchen hab ich ganze Wochen verbracht und am Ende kommen fünf Minuten bei rum. Die 72 Stunden Material in einen 90-minütigen Dokumentarfilm zu bringen, war gar nicht so einfach,“ beteuert Sany. Die Dreharbeiten führten sie außer quer durch Europa auch in die Wiege des Graffitis nach New York und Kapstadt. So kann man im Film die legendäre Graffitisprayerin und Fotografin Martha Cooper sehen, die seit den 70er Jahren Subkulturen in New York dokumentiert.

Ein Road Movie der anderen Art

Der Dokumentarfilm, der wie ein Road Movie aufgebaut ist, folgt zwei Handlungssträngen. Auf der einen Seite wird der Zuschauer Teil des Filmteams und begleitet es an die ausgewählten Standorte der Graffitipilgerfahrt, auf der öfters auch das ein oder andere bizarre Ereignis passiert, auf der anderen Seite wird er durch Interviews mit den Protagonistinnen näher an die Position von Frauen in verschiedenen Graffiti-Szenen herangebracht. Sany, Produzentin und Produktionsfrau in einer Person, begleitet das Publikum durch den Dokumentarfilm und führt die Interviews mit ausgewählten Writerinnen, die die Funktion der Botschafterinnen für die jeweiligen Städte übernehmen.

Gedreht wurde in 15 europäischen Städten; vertreten sind unter anderem Prag, Bratislava, Warschau, Budapest, Berlin und Amsterdam. Die Situation der weiblichen Graffitiszene in Prag und anderen Städten Tschechiens stuft Sany als nicht so besonders ein. Seit zehn Jahren ist sie nun in der Szene und es seien nicht mehr Frauen dazugekommen. „Eine Graffitiwriterin ist in Tschechien eher eine Art Einzelkämpferin“, sagt sie.

Für Sany, die Marketing an der Prager VŠE studiert hat, war von Anfang an klar, wie sie den weiblichen Blick auf Graffiti präsentieren wollte – selbstbewusst, dreist und provokant. Für Frauen bedeutet Graffiti nich nur Sprühdosen, sondern eben auch Absätze, roter Lippenstift und unverwechselbarer visueller Stil. Das betrifft aber eher die jüngeren Mädchen, für die das Gesamtimage ein wichtiger Bestandteil ihres Schaffens ist. Ein gutes Bespiel dafür ist die deutsche Gruppe „Puff crew“, deren Mitglied Sany seit 2008 ist. Neben der jüngeren Generation zeigt der Dokumentarfilm aber auch die Matadorinnen der weiblichen Graffitiszene, die ihre Energie mittlerweile in andere Richtungen gelenkt haben.

Zu Besuch bei Mizza in Berlin

Es gibt im Film zum Beispiel Mizza, eine Künstlerin aus Berlin, die sich in den 70er Jahren als politische Sprayerin einen Namen machte und heute in einem Gemeindezentrum in Kreuzberg arbeitet. Graffiti und Streetart sieht sie als aktive Teilnahme an der Gestaltung des öffentlichen Raums der Stadt, der nach ihr nicht nur dem kommerziellen Werbebusiness zur Verfügung stehen darf. Wenn man auf das Thema Graffiti vor 1989 zu sprechen kommt, erinnert sich Mizza an die Berliner Mauer als eine Art Ausbildungsstätte für Graffiti-Writer, wie auch die Spielplätze, auf denen sie anfing zu malen. Den Unterschied zu heute sieht sie darin, dass Graffiti damals nicht strafrechtlich verfolgt wurde. 

Im heutigen Berlin gibt es nur noch wenige Orte, an denen man legal malen darf. Das Gemeindezentrum, das sie leitet, hat eine gute Lage im Hof mit vielen freien Wänden und so ist er einer dieser Orte. Vor drei Jahren belebte sie die Tradition des Internationalen Frauentags im Zentrum wieder und organisierte die Veranstaltung „All Female Jam“, auf der mehrere Malerinnen gleichzeitig an die Wand sprühen und es drum herum Essen, Trinken und Musik gibt. Ziel ist es Jung und Alt, deutsch und nichtdeutsch zu vermischen und den Frauen und Mädchen so vor allem die Möglichkeit zu geben kreativ zu sein.

Die Kreativität der Frau ist für Mizza zu einem lebenslangen Thema geworden. Sie selbst sieht sich als Künstlerin und beschäftigt sich mit der Herstellung von Kunst aus recyclebaren Materialien. Auf die Frage, wie sie die Emanzipation der Frau und die Entwicklung in den letzten Jahrzenten sieht, antwortet sie: „Es ist immer noch sehr schwer, gleichzeitig Künstlerin, Mutter und Frau zu sein. Ich sehe keinen so großen Unterschied zwischen heute und der Zeit vor 30 Jahren, als ich selber Mutter geworden bin und trotzdem Künstlerin bleiben wollte.“ Das Hauptproblem sei die fehlende Zeit, die einer Frau und Mutter für die Kunst bleibt.

Aller Anfang ist schwer

Im Jahr 2010 nahm auch Sany als Gast aus Prag an der „All Female Jam“ teil und knüpfte so viele Kontakte, die sie dann für die Filmarbeiten zu Girl Power nutzte. Bis es aber dazu kam, ging Sany als Writerin einen langen Weg. Zum Graffiti kam sie über ihre Mitschüler, die die Pausen zwischen den Stunden mit Skizzieren verbrachten. Die nahmen sie dann mit in die legalen Zonen. Ihre erste Crew hatte sie zusammen mit Candy, einer anderen Sprüherin aus Prag und aus den Erzählungen wird klar, dass aller Anfang schwer war. Doch beide trugen den Willen in sich, sich und den anderen zu zeigen, dass sie das können. Mit dem Film „Girl Power“ will sie zeigen, dass Graffiti für sie nicht nur ein kurzzeitiges Vergnügen ist, sondern etwas sehr viel Tiefergehenderes und ein Teil von ihr und ihrem Lebensstil geworden ist. 

Girl Power Girl Power | © Foto: Sany Der Dokumentarfilm, den sie teils aus eigener Tasche, teils mit Fördermitteln finanziert hat, befindet sich laut ihrer Aussage in der Postproduktion. „Der Film ist so gut wie fertig, alles ist übersetzt, wir schneiden und verbessern noch, vervollständigen das Archivmaterial und klären die Rechte.“ Wenn alles nach Plan läuft, kann man den Film diesen Herbst im Kino sehen. Die beste Werbeaktion für den Film befindet sich gerade in den Startlöchern mit der Ausstellung der amerikanischen Fotografin und Writerin Martha Cooper, die Sany für die Prager Trafo Gallery konzipierte. Vom 26. April bis zum 17. Mai 2013 waren die Fotos, die die Entstehung der Graffiti und Hip Hop Subkultur in New York dokumentieren zu sehen.

Und was für Pläne hat Sany für die Zukunft? In zwanzig Jahren würde sie gerne einen Teil zwei des Dokumentarfilms Girl Power drehen. „Anstelle von einzelnen Künstlerporträts vieler Mädchen würde ich mich lieber auf vier Schicksale beschränken und gucken, wo sie sich in zwanzig Jahren befinden. Das würde mir gefallen,“ schmunzelt sie am Ende des Interviews. 

Die Premiere des Films Girl Power findet am 27.02.2016 im Kino Lucerna in Prag statt.