Architekturspaziergang Ostrava
Unter der Dunstglocke einer Industriestadt

Die Bedeutung und Größe Ostravas, Tschechiens drittgrößter Stadt, ist das Ergebnis der modernen Zeit. Die hiesige Kohleförderung gehört bereits der Vergangenheit an, auch die Bedeutung der Schwerindustrie ist deutlich zurückgegangen. Dennoch ist nach wie vor erkennbar, dass Industrie in Ostrava weiterhin eine Rolle spielt, wenn auch in etwas veränderter Form.

Mit der modernen Entstehungsgeschichte der Stadt hängt auch die bedeutende Rolle der modernen Architektur und des Urbanismus bei der Herausbildung des Ballungsgebiets Ostrava zusammen. Das Ende der Kohleförderung nach 1989 und der nicht nur damit zusammenhängende Niedergang der Schwerindustrie führten zu einem deutlichen Rückgang der Bautätigkeit. Das äußerte sich in einer vorherrschend uninspirierten Reflexion neuer Architekturstile einschließlich Postmodernismus und Neofunktionalismus. Es dauerte ein ganzes Jahrzehnt bis bedeutendere Herausforderungen und auch Ergebnisse der architektonischen Stadtgestaltung in Erscheinung traten. Ostrava ist zwar nicht zu einem eigenständigen Architektur-Zentrum wie beispielsweise Brünn geworden, allerdings sind in den vergangenen zehn Jahren auch hier Bauten entstanden, die aktuelle Architekturtrends reflektieren. Darüber hinaus haben sich Institutionen wie das Architekturkabinett der Galerie für Bildende Kunst, das Institut für Architektur an der Technischen Universität sowie Vereine und Klubs formiert, in denen die aktuelle und zukünftige Architektur-Kultur der Stadt ein Thema ist. Einer ausgeprägteren Entwicklung dieser Architektur-Kultur stehen jedoch eine geringe Menge an relevanten Aufgaben und der relativ enge Bereich entgegen, in den gute Architektur vordringen kann. Die folgenden zehn Projekte repräsentieren gelungene Beispiele der vergangenen zehn Jahre.
 

Umbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov

Peterkova Nr. 5
49°49'16.590"N, 18°12'34.355"O
Karl Hummel, 1846-1847; Erweiterungsbau Hartwig Fischel, 1895
Rekonstruktion und Erweiterungsbau Václav Filandr, 2000-2007
 
  • Anbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov| © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Anbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov| © Roman Polášek, 2009
  • Anbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov| © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Anbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov| © Roman Polášek, 2011
  • Anbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov| © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Anbau des Bahnhofs Ostrava-Svinov| © Roman Polášek, 2011

Überlegungen, den alten Svinover Bahnhof abzureißen, gab es seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Dieses historisierende Gebäude stellt eine Verbindung des ältesten eingeschossigen Teils von 1846/1847 mit dem höheren und größeren Neorenaissance-Erweiterungsbau von 1895 dar. Im Verlauf der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ist dieser Bahnhof dermaßen verwahrlost, dass man in den 90er Jahren einer Rettung dieses ältesten Bahnhofs in Ostrava keine Chance gab. Es ist jedoch gelungen, ein Rekonstruktions- und Erweiterungsprojekt zu erarbeiten, das den Neubau einer verglasten Abfertigungshalle mit Hightech-Stahl-Konstruktion und transparenten Glasfassaden vorsah, die den Blick auf den historischen Gebäudeteil öffnet. Teil des Projekts ist auch der im Geiste der Hightech-Architektur neugestaltete Platz vor der Halle mit Umsteigemöglichkeit in den ÖPNV sowie ein zweistöckiges Eckhaus mit Ziegelbändern. Die symmetrische Komposition des Anbaus entspricht dem ursprünglichen historisierenden Gebäude. Deshalb bezeichne ich diesen Stil als konservatives Hightech.

Interieur der St.-Katharina-Kirche

Jestřábského
49°46'27.490"N, 18°16'48.989"O
Ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert; Replik-Projekt Antonín Závada – Antonín Závada jr., 2003-2004; Interieur Marek Štěpán, Atelier Štěpán, 2003-2005 
 
  • St.-Katharina-Kirche | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    St.-Katharina-Kirche | © Roman Polášek, 2009
  • Interieur der St.-Katharina-Kirche | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Interieur der St.-Katharina-Kirche | © Roman Polášek, 2011
  • Interieur der St.-Katharina-Kirche | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Interieur der St.-Katharina-Kirche | © Roman Polášek, 2011

Die Kirche, eine der ältesten erhalten gebliebenen Holzkirchen, ist Anfang April 2002 den Flammen zum Opfer gefallen. Der ursprüngliche Bau war ein Beispiel der ausklingenden spätgotischen Tradition, in der Elemente wie eine freistehendes Kirchenschiff, ein quaderförmiger Glockenturm oder ein Kielbogenportal verwendet wurden. In den Jahren 2003–2004 ist es gelungen, eine Replik des hölzernen Sakralbaus zu errichten. Da es nicht möglich war, das ursprüngliche Interieur einschließlich der historischen Einrichtung zu erneuern, entschied man sich, einen modernen Kirchenraum mit Bezügen zu den spezifischen Traditionen des Ortes zu schaffen. Im Innenraum wird auf Metallplatten, die in die Steinfliesen des Presbyteriums integriert sind, an die Brandkatastrophe erinnert. Die religiöse Bestimmung des Raumes wird mit neu interpretierten Elementen – Altartisch und steinernes Taufbecken – zum Ausdruck gebracht, die scheinbar über den ursprünglichen Steinfliesen schweben, welche durch gläserne Bodenfenster sichtbar gemacht wurden. Bestandteil des Interieurs ist ein neues und gleichzeitig auf die Tradition verweisendes Altarretabel mit figuraler Malerei, die Szenen aus dem Leben der Heiligen Katharina zeigen. 

Heilig-Geist-Kirche

Výškovická Nr. 124a
49°47'21.888"N, 18°13'31.989"O
Marek Štěpán, Atelier Štěpán, 2004-2007 
 
  • Heilig-Geist-Kirche | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Heilig-Geist-Kirche | © Roman Polášek, 2009
  • Interieur der Heilig-Geist-Kirche | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Interieur der Heilig-Geist-Kirche | © Roman Polášek, 2009
  • Interieur der Heilig-Geist-Kirche | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Interieur der Heilig-Geist-Kirche | © Roman Polášek, 2009

Eine Kirche war in der dritten Ausbau-Etappe des Wohnsiedlung Zábřeh aus den 60er Jahren nicht vorgesehen. Die Idee der Errichtung eines neuen Gotteshauses auf der Freifläche zwischen dem Einkaufszentrum Kotva und dem Wohnheim Hutník entstand erst nach 1989. Den Kirchenbau mit dem markanten Souterrain auf einem rechteckigen Grundriss dominiert optisch vor allem der obere Teil mit dem ovalen Hauptschiff, dessen vielgliedriger Grundriss eine Schichtenstruktur ähnelt mit dem Hauptkirchenschiff als Zentrum. Der weiße Gebäudekorpus der Kirche ist mit unterschiedlich geformten Öffnungen und Schlitzen versehen. Neben dem Kirchenschiff befindet sich auf der zur Hauptstraße gerichteten Seite ein quaderförmiger Glockenturm aus Sichtbeton. Auf Höhe des Glockenraums hat der Turm eine Öffnung in Dreiecksform, unter anderem ein Symbol für die Heilige Dreifaltigkeit. Die Architektur der Kirche knüpft an moderne Traditionen, an barocke Raumkonzeptionen sowie an minimalistische Tendenzen in Bezug auf die verwendeten Materialien an. 

Bürohaus „Šupináč“

Brandlova Nr. 9
49°49'58.099"N, 18°17'1.136"O
Tomáš Havlíček – Pavel Magnusek – Martin Hloch; Létající inženýři, 2005-2008
 
  • Bürohaus „Šupináč“ | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Bürohaus „Šupináč“ | © Roman Polášek, 2011
  • Interieur Bürohaus „Šupináč“ | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Interieur Bürohaus „Šupináč“ | © Roman Polášek, 2011
  • Interieur Bürohaus „Šupináč“ | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Interieur Bürohaus „Šupináč“ | © Roman Polášek, 2011

Es handelt sich um unkonventionelle Büroräume, die in einem alten eingeschossigen Lagerhaus entstanden sind. Die Außenwände des Gebäudes sind mit verschiedenfarbigen Betonspan-„Schuppen“ verkleidet, die die Optik des Hauses bestimmen. Die hölzerne Fachwerk-Konstruktion ist mit ungebrannten Ziegeln gefüllt, sie sorgt im Inneren für eine angenehm-freundliche Atmosphäre. Den Eingang bildet eine Holzterrasse im Erdgeschoss, an der Westseite führt das Haus in ein kleines Atrium, von wo zwei kleinere Zimmer zugänglich sind; von einem der Zimmer führt ein Zugang zur geschlossenen Terrasse. Im ersten Stock befindet sich ein Großraumbüro mit integrierter Bar, das auf der Westseite in Richtung Aussichtsterrasse geöffnet ist. Das „Šupináč“ (etwa: „Schuppenhaus“) ist ein sehr schönes Beispiel für die gelungene Umwandlung eines ursprünglich uninteressanten Industrieobjektes, das für den Abriss bestimmt war. 

Schlesische Galerie im Rathaus von Slezská Ostrava

Těšínská Nr. 35
49°50'14.514"N, 18°17'54.229"O
Viktorin Šulc – Jaroslav Volenec – Josef Vysloužil, 1910-1913
Rekonstruktion des Souterrains Tadeáš Goryczka, 2008
 
  • Rathaus von Slezská Ostrava | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Rathaus von Slezská Ostrava | © Roman Polášek, 2009
  • Schlesische Galerie im Rathaus von Slezská Ostrava | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Schlesische Galerie im Rathaus von Slezská Ostrava | © Roman Polášek, 2009
  • Schlesische Galerie im Rathaus von Slezská Ostrava | © Roman Polášek, 2009 Foto: Roman Polášek, 2009
    Schlesische Galerie im Rathaus von Slezská Ostrava | © Roman Polášek, 2009

Um das Jahr 1900 strebte der Marktflecken Polská Ostrava (Polnisch Ostrau) einen Neubau des Rathauses an, da das Amt bis dahin in einem kleinen eingeschossigen Neobarockhaus untergebracht war. Auf der Grundlage eines Wettbewerbs entschied man sich für einen Entwurf von V. Šulc, der später vom Leiter der örtlichen Baubehörde V. Volenc und dem Baumeister J. Vysloužil umgearbeitet wurde. Die äußere Gestalt des Gebäudes ist ein Beispiel für eine späte Rezeption der tschechischen Neorenaissance mit Volutengiebel und einem Eckturm mit Glockenhelm. Im Interieur befinden sich eine dreiarmige Treppe und Säulenarkaden. Im ersten Stock der ehemalige Saal des Gemeindeausschusses mit Jugendstil-Stuck und reich verzierten Jugendstil-Kronleuchtern aus Metall. Im Bemühen die Funktionalität dieses Gebäudes zu erhöhen, entstand im Souterrain des Objektes eine Galerie, womit die ehemaligen Keller- und Lagerräume jetzt kulturellen Zwecken dienen. Die Räume sind nüchtern eingerichtet mit einer Veranda aus Glas und Stahl. Die Gestaltung der Decken und Fußböden ist eine adäquate Antwort auf das dekorative Ambiente in den höher gelegenen Geschossen des Rathauses. 

Architektonische Gestaltung der Dauerausstellung im Museum Ostrava

Masarykovo náměstí Nr. 1
49°50'6.508"N, 18°17'35.200"O
Architektonische Gestalter: Ateliér Skupina/ Marcela Steinbachová – David Kubík – Bronislav Stratil, 2006-2009
 
  • Museum Ostrava | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Museum Ostrava | © Roman Polášek, 2011
  • Architektonische Gestaltung der Dauerausstellung im Museum Ostrava | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Architektonische Gestaltung der Dauerausstellung im Museum Ostrava | © Roman Polášek, 2011
  • Architektonische Gestaltung der Dauerausstellung im Museum Ostrava | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Architektonische Gestaltung der Dauerausstellung im Museum Ostrava | © Roman Polášek, 2011

Das Rathaus wird im Jahre 1539 erwähnt, höchstwahrscheinlich wurde zu der Zeit der Turm errichtet, ein gemauertes Haus existierte an diesem Ort aber bereits früher, davon zeugen die vorhandenen Kellergewölbe. Im Laufe des 19. Jahrhunderts machte das Gebäude mehrere Veränderungen durch. Seit 1930 dient das Haus als Museum. Die letzte Renovierung fand 2003–2005 statt. 2009 wurden die Ausstellungsräume fertig gestellt, in denen einfach gehaltene Motive und Element zur Geltung kommen. Die einzelnen Räume unterscheiden sich in der Art und Weise der Lichtgestaltung, der Farbgebung und der Verwendung bestimmter Interieur-Elemente. An der Gestaltung der Natur-Abteilung des Museums hat beispielsweise der bildende Künstler Petr Nikl mitgearbeitet. Der dem Bergbau gewidmete Raum arbeitet mit dem Gegensatz von Licht und Dunkelheit; er erinnert an einen dunklen Schacht, in dem die Glasvitrinen leuchten. In den Vitrinen sind Grubenlampen und andere Bergbau-Utensilien ausgestellt. 

Mietshaus Ostravská brána

Biskupská Nr. 8 und 10
49°50'10.349"N, 18°17'43.300"O
Ladislav Kuba – Tomáš Pilař, Kuba & Pilař architekti, 2006-2010
 
  • Ostravská brána | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Ostravská brána | © Roman Polášek, 2011
  • Innenansicht Ostravská brána | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Innenansicht Ostravská brána | © Roman Polášek, 2011
  • Innenansicht Ostravská brána | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Innenansicht Ostravská brána | © Roman Polášek, 2011

Auf einer leicht gekrümmten rechteckigen Parzelle wurde dieses sechsstöckige Haus errichtet, das den Raum zwischen der Kirche und der Straße Havlíčkovo nábřeží einnimmt – letztere entstand durch den Abriss älterer Häuser in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Verbindung zum Nachbarobjekt erfolgt durch ein Anknüpfen an das Torso der Stadtbefestigungsanlage, das sich hinter dem Chor der St.-Wenzels-Kirche (kostel sv. Václava) befindet. Deshalb wird das Haus auch „Ostravská brána“ (Ostrauer Tor) genannt, denn an diesem Ort befand sich ein Tor innerhalb des Stadtwalls, der weiter in Richtung Brücke über den Fluss Ostravice führte. An der Ecke Kostelní-Straße bildet das Haus eine Konsole, die die Terrasse eines möglichen Cafés überdacht. Die Fassade des Hauses besteht aus schwarz-grau gefärbten Platten mit französischen Fenstern und in Richtung Kirche auch Loggias, die rot gefärbt sind. Dadurch bekommt der Gebäudekörper eine Struktur und er wirkt auf der Kirchenseite bunter und abwechslungsreicher. Insgesamt handelt es sich um minimalistische, westeuropäisch inspirierte Architektur mit strukturierten Fassaden. 

Hotel Mercure im ehemaligen Palais der Revierbrüderlichen Krankenkasse

Českobratrská Nr. 18
49°50'21.822"N, 18°17'17.042"O
František Kolář – Jan Rubý, 1924-1928
Rekonstruktion Patrick Dumont, Design Partners, 2008-2011 
 
  • Hotel Mercure | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Hotel Mercure | © Roman Polášek, 2011
  • Innenansicht Hotel Mercure | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Innenansicht Hotel Mercure | © Roman Polášek, 2011
  • Innenansicht Hotel Mercure | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Innenansicht Hotel Mercure | © Roman Polášek, 2011
Das Areal des ursprünglich dreigeschossigen zur Hauptstraße weisenden Verwaltungsgebäudes nebst zweier Wohnhäuser in den Seitenstraßen entfaltet sich auf einem Grundriss in Form eines „E“ mit zwei Innenhöfen und Walmdächern. Die Entstehung solcher Bauten war eine Begleiterscheinung der Krankenversicherungsreform von 1918. Gegliedert wird die Frontseite von einem neunachsigen Mittelrisalit mit Haupteingang und einem fünfachsigen Mittelteil mit hohen Teilpfeilern, die in fünf attische Dreiecksgiebel mit Fenster münden. In den Innenräumen sind eine ganze Reihe ursprünglicher Elemente erhalten geblieben wie zum Beispiel die Eingangshalle, die Treppen sowie der große Saal mit Holzvertäfelung, zwei Skulpturen von Augustin Handzel und den Original-Lampen. Das Palais ist ein Beispiel für die Übernahme von kubistischen Ausdruckselementen eines Josef Gočár oder Pavel Janák im provinziellen Milieu einer Industriestadt. Dieser Zusammenhang inspirierte den belgischen Architekten dazu, bei der Gestaltung des Interieurs für die Zwecke einer großen Hotelkette unter anderem bei der Möbelauswahl mit kubistischen Verweisen zu arbeiten – was zum Beispiel bei der Hotel-Rezeption deutlich wird.

Erweiterungsbau des Marionettentheaters

Pivovarská Nr. 15
49°50'1.083"N, 18°17'32.761"O
Petr Maria Hájek, Gabriela Minářová, Bronislav Stratil, 2009-2011 
 
  • Aussenansicht der Erweiterung des Marionettentheaters | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Aussenansicht der Erweiterung des Marionettentheaters | © Roman Polášek, 2011
  • Treppenansicht der Erweiterung des Marionettentheaters | © Roman Polášek, 2011 Foto: Roman Polášek, 2011
    Treppenansicht der Erweiterung des Marionettentheaters | © Roman Polášek, 2011

Auf der Grundlage eines Architekturwettbewerbs entstand zwischen 1995 und 1999 der Neubau eines Marionettentheaters in Form einer Schneckenhaus-Spirale mit einem geräumigen zentralen Saal. Die Autoren bezeichneten den Bau als einen Protest gegen den Minimalismus, als postmoderne Variation auf die individualistische Moderne der Zwischenkriegszeit. Der neue Erweiterungsbau, der fehlende Räume des Hauptgebäudes beherbergen soll, knüpft zwar mit seiner turmartigen Form an den Bühnenturm des Hauptobjektes an, gleichzeitig zeichnet er sich jedoch aufgrund der Verwendung von Sichtbeton durch eine gewisse Genügsamkeit aus. Charakteristisch sind ausdrucksstarke Elemente wie die schrägen Fenster auf allen vier Seiten, die dem Treppenhaus Licht spenden. Im Souterrain befindet sich die Zweitbühne, die mit der Außenarena verbunden ist. Im Erdgeschoss befindet sich ein Café, in den oberen Geschossen die Technik- und Verwaltungsräume des Theaters. Die stilisierte Turmuhr mit Firmament-Darstellung und den Skulpturen des Todes, Kasperls, des Königs und der Königin knüpft an die Dekoration des Hauptgebäudes an und ruft Assoziationen an die Welt des Theaters und der Marionetten hervor. 

Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer

Místecká / Ruská, Vítkovice
49°49'8.646"N, 18°16'46.622"O
Josef Pleskot, Miloš Linhart, Andrej Škripeň, AP Atelier, 2009-2012 
 
  • Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012 Foto: Martin Strakoš, 2012
    Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012
  • Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012 Foto: Martin Strakoš, 2012
    Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012
  • Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012 Foto: Martin Strakoš, 2012
    Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012
  • Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012 Foto: Martin Strakoš, 2012
    Multifunktionsaula Gong im ehemaligen Gasometer| © Martin Strakoš, 2012

Das im Bereich der Vítkovicer Hochöfen situierte Gasometer aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die markanteste Umwandlung ihrer Art nicht nur in Ostrava, sondern im gesamten Mährisch-schlesischen Kreis. Aus dem ehemals industriell genutzten Bau ist die architektonische Dominante eines neu entstandenen Stadtviertels geworden, die eine Galerie, technische Räume und Verwaltungsräume, eine Eingangshalle und einen Saal mit einem Fassungsvermögen von 1500 Zuschauern beherbergt. Durch die Verknüpfung von industriellen Formen mit dem nüchternen Ausdruck von Beton, Stahl, Glas und neuen Materialien ist ein Raum entstanden, der auf signifikante Art und Weise die ursprüngliche Struktur mit dem neuen Innenbau verbindet. Der ursprüngliche Mantel des Gasometers wurde an mehreren Stellen aufgeschnitten, wodurch Öffnungen entstanden sind, die als Eingang und als Lichtfenster dienen. Die Eingangshalle verfügt über einen genieteten Blechboden und verweist damit auf die ursprüngliche Gestalt des Gebäudes. Der neue Innenbau basiert auf einer kombinierten Eisenbeton- und fachwerkartigen Stahlkonstruktion, die den Hauptsaal des Objektes bildet. Der Saal öffnet sich in Richtung Decke mit einem Lichtschacht an der Spitze des Daches. Richtung Hochofen weist ein Fenster aus dem Gasometer hinaus, das gleichzeitig eine Durchsicht über die Bühne in Richtung Zuschauerränge ermöglicht. Die Form der Arena, die verwendeten Materialien sowie die Sichtachsen auf die Industrie-Bauten wie zum Beispiel den Hochofen oder die gewaltigen Rohrsysteme sind für den Ort kennzeichnend und verleihen dem Gebäude einen spezifischen Charakter. Die Nutzung der Halle wird davon abhängen, wie die Umwandlung des gesamten Areals fortschreiten wird, ihre Wirkungskraft wiederum davon, in welchem Maße es gelingt, die industrielle Identität diese Ortes beizubehalten.