Kulturtipp
Franz Kafka: Ein Bericht für eine Akademie

Franz Kafka 1915/16
Franz Kafka 1915/16 | © Archiv Klaus Wagenbach

Er heißt Rotpeter und war kürzlich noch ein Affe. Was heißt ‚er war‘ – er ist de facto noch immer einer, nur fühlt er sich nicht mehr als solcher. Erleben Sie Kafkas Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ in ungewöhnlicher Art und Weise durch eine Neubearbeitung vom Studio Hrdinů!

„Ihr Affentum, meine Herren, soferne Sie etwas Derartiges hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir das meine. An der Ferse aber kitzelt es jeden, der hier auf Erden geht: den kleinen Schimpansen wie den großen Achilles,“ sagt Rotpeter, das Geschöpf, das kürzlich noch ein Affe war. Was heißt ‚er war‘ – er ist de facto noch immer einer, nur fühlt er sich nicht mehr als solcher. Fünf Jahre nachdem er an der Goldküste bei einer Jagdexpedition eingefangen wurde und womit sein normales Affen-Dasein endete und seine Umerziehung begann, schreibt Rotpeter nun einen Bericht für die gelehrten Professoren: einen Bericht darüber, was er erlebt hat, wer er ist und wie er dabei ganz offensichtlich seine frühere Existenz als Tier verachtet.
 
Kafkas Erzählung aus dem Jahr 1917 lässt sich heute noch in einem Zug lesen. Es ist die Geschichte einer erzwungenen Assimilation, eine pädagogische Satire, eine allerdings nicht gerade heitere Lektüre. Das schwere Thema der Identität des Einzelnen und das Tier im Menschen hat das Studio Hrdinů nun mit der deutschen Autorin Katharina Schmitt an der Spitze übernommen, die Kafkas Buchvorlage in der Übersetzung von Vladimír Kafka gemeinsam mit dem Dramaturg Jakub Režný für zwei Schauspieler adaptierte: Zuzana Stivínová a Ivan Lupták.
 
„Aus unserer Sicht widmet sich die Inszenierung vornehmlich der Frage des Machtdiskurses, dessen Grundlage die Sprache und ihre Assimilation bildet. Die Geschichte des Affen ist eine Geschichte über Bildung. Der Weg vom Tier zum Mensch ist ein Prozess erbarmungsloser Selbstoptimierung, “ erklärt Madla Zelenková vom Studio Hrdinů.
 
Selbstoptimierung, zum Preis des Verlustes der ursprünglichen Identität. Kafkas Affe Rotpeter drückt sich in Bericht für eine Akademie mit der beschwingten Sprache eines Gentlemans zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus, rühmt sich unter den Leuten seiner Erfolge, stellt sein tierisches Wesen in Abrede. Das wesentliche Thema der Erzählung ist nicht sein Affen-Dasein, was die Akademiker von ihm verlangen, sondern seine Assimilation und Angleichung an die menschliche Gesellschaft, die Angleichung an die Mehrheit. Und doch holt ihn die Vergangenheit ein: „Bei Tag will ich sie nicht sehen; sie hat nämlich den Irrsinn des verwirrten dressierten Tieres im Blick; das erkenne nur ich, und ich kann es nicht ertragen,“ schreibt Rotpeter über seine Schimpansen-Freundin, die ihn in jeder Nacht wieder daran erinnert, dass er doch die Natur eines Affen in sich trägt.
 
Katharina Schmitt beschreibt die Affen-Geschichte als Entwicklung von der Unfähigkeit zu sprechen hin zur Beherrschung der Sprache, und in diese Richtung arbeitet sie auch mit der Regie der Inszenierung und macht sich z.B. voice over als innere Stimme der Hauptfigur zunutze. Hören, sehen und vor allem erleben können Sie das Stück, das in einer groß angelegten Rauminstallation spielt, ab 22. Februar, wenn es auf den Brettern des Studio Hrdinů seine Premiere feiern wird.

  • Proben im Theater Studio Hrdinů © Studio Hrdinů
    Proben im Theater Studio Hrdinů
  • Proben im Theater Studio Hrdinů: Schauspieler Ivan Lupták © Studio Hrdinů
    Proben im Theater Studio Hrdinů: Schauspieler Ivan Lupták
  • Proben im Theater Studio Hrdinů: Regisseurin Katharina Schmidt © Studio Hrdinů
    Proben im Theater Studio Hrdinů: Regisseurin Katharina Schmidt
  • Proben im Theater Studio Hrdinů: Schauspielerin Zuzana Stivínová © Studio Hrdinů
    Proben im Theater Studio Hrdinů: Schauspielerin Zuzana Stivínová