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Esskultur
Über Kartoffeln und Kartoffelsalat

Die Kartoffeln kamen Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Schiffen der Eroberer der Neuen Welt nach Europa. Es dauerte aber noch fast 300 Jahre, bis sie ihren Weg in die deutschen Küchen fanden.
Die Kartoffeln kamen Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Schiffen der Eroberer der Neuen Welt nach Europa. Es dauerte aber noch fast 300 Jahre, bis sie ihren Weg in die deutschen Küchen fanden. | © Goethe-Institut / Getty Images

Wenn man "Kartoffelsalat" sagt, denken die meisten Tschechen an den Kartoffelsalat mit Mayonnaise, den sie zu Weihnachten essen. Wenn man in Deutschland dasselbe sagt, denken die meisten Deutschen aber eher an eine viel leichtere Version von Kartoffelsalat – mit Dressing.
 

Von Jana Vlková

Sowohl im Tschechischen als auch im Deutschen gibt es viele verschiedene Dialektwörter für Kartoffeln. Es ist schwer zu sagen, ob und inwieweit sie tatsächlich noch im alltäglichen Gebrauch sind. Wer von den tschechischen Leser*innen hat denn schon einmal das Wort erteple gehört oder gar verwendet, das im Tschechischen immer noch ein anerkanntes Synonym für Kartoffel ist, abgeleitet vom deutschen "Erdapfel"? Es ist jedenfalls nicht überraschend, dass es in Deutschland, einem Land, in dem Brot unter Hunderten Namen verkauft wird, auch Hunderte von Rezepten für „den echten“ Kartoffelsalat gibt.

Die Kartoffeln kamen Mitte des 16. Jahrhunderts mit den Schiffen der Eroberer der Neuen Welt nach Europa. Es dauerte aber noch fast 300 Jahre, bis sie ihren Weg in die deutschen Küchen fanden. Dann machten sie es sich jedoch in verschiedenen Rezepten gemütlich, und heute kann das Gespräch über Kartoffelsalat eines jener endlosen Gesprächsthemen sein, die niemanden beleidigen und sich nie erschöpfen. Ähnlich wie bei Gesprächen über das Wetter.
 

Kartoffelsalat mit Bratwurst Kartoffelsalat mit Bratwurst | © Fotografiert von Tomáš Moravec, gekocht von Barbora Hudcová aus dem Goethe-Institut in Prag

Was verbirgt sich hinter dem Namen?

Es ist bekannt, dass die ersten Kartoffeln, wegen ihrer schön geformten fünfblättrigen Blüten, vor allem als Zierpflanzen angebaut wurden. Die Knollen kamen dann langsam auf die Teller, und zwar unter verschiedenen Namen. Im deutschsprachigen Raum sagt man heute meistens einfach "Kartoffel". Dieser Name soll eine Verballhornung des italienischen Wortes tartufo oder des spanischen trufa sein, was Trüffel bedeutet, die die spanischen Eroberer Amerikas an Kartoffeln erinnerten. Als die Kartoffel jedoch nach Deutschland kam, wo Trüffel nur selten wachsen, wurden sie auch "Erdäpfel" oder "Grundbirne" genannt. Hören Sie in diesen Worten den tschechischen Regionalbegriff erteple oder Varianten der Balkansprache für krompir?

Was ist aber mit dem tschechischen Wort für Kartoffel, d.h. brambora? Die Kartoffelknolle kam mit den Brandenburgern (auf tsch. Braniboři) während des Kartoffelkriegs Ende des 18. Jahrhunderts nach Böhmen. Die Tschechen haben das Wort dann wahrscheinlich leicht verändert  und so ist aus Branibor brambor (Kartoffel) geworden. Es ist jedoch auch möglich, dass es sich bei dieser Etymologie nur um eine volkstümliche sprachliche Mythologie handelt.

Eines ist allerdings sicher: Der wissenschaftliche binomische Name Solanum tuberosum wurde der Pflanze 1753 von Carl von Linné gegeben. Prager Professor Presl prägte 1823 den tschechischen Namen lilek bobál.

Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht

Die Geschichte der stärkehaltigen Knollen in Europa ist geprägt von Geschichten darüber, wer wem wann und warum ein paar Kartoffeln schickte. Die ersten derartigen Geschenke, die damals sehr selten waren, wurden zwischen Klöstern, Schlössern und Palästen, aber auch zwischen botanischen Gärten ausgetauscht. Im 17. Jahrhundert waren Kartoffeln eine Delikatesse für die Reichsten. Erst ein Jahrhundert später verbreiteten sie sich in der Küche des Volkes, aber es war kein leichter Weg.

In Frankreich wusste der Apotheker und Agrarwissenschaftler Antoine Augustin Parmentier (1737–1813), dass es gut wäre, wenn diese sehr unfranzösischen, aber nährstoffreichen Knollen von allen Bürgern gegessen würden, obwohl sie ihnen nicht schmecken würden. Um die Kartoffel trotzdem weit zu verbreiten, wandte er den  sogenannten Parmentier-Trick an und hatte damit auch Erfolg. Parmentier erklärte die Kartoffeln zu einer Rarität, bewachte sie mit einer Armee, ließ sie aber dann stehlen und so unter den Bauern verbreiten. Parmentier selbst ist auch der Autor zahlreicher Kartoffelgerichte, und sein Name ist zum Synonym für Kartoffeln geworden, die mit Hackfleisch, vorzugsweise Rindfleisch, gebacken werden – einfach Parmentier.

Auf Deutsch sagt man, „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“ Und weil die deutschen Bauern lange Zeit keine Kartoffeln kannten, musste zum Beispiel der Anbau von Kartoffeln in Preußen durch den so genannten Kartoffelbefehl angeordnet werden. Dieser wurde von Friedrich II. im Jahr 1756 erlassen. Darin heißt es u. a.: „Sie werden sich nicht damit begnügen, die Informationen zu übermitteln, sondern die Dragoner werden Anfang Mai überprüfen, ob die Kartoffeln im Boden sind.“

Die Bauern akzeptierten den Befehl und schlossen innerhalb eines halben Jahrhunderts Freundschaft mit den Kartoffeln. Außerdem lernten sie, aus ihnen Schnaps zu machen. Unterstützt wurden sie von dem Kaufmann, Landwirt und Erfinder Johann Heinrich Leberecht Pistorius (1777–1858), der 1817 eine Destillationskolonne zur Herstellung von Kartoffelschnaps patentieren ließ. Die Destillation von Kartoffeln war sehr effizient, dennoch hielt das alkoholische Vergnügen nicht lange an. Die deutschen Kartoffeln wurden krank. Monokulturen wurden von Schimmelpilzen befallen und in verschiedenen Teilen Deutschlands brachen Hungersnöte aus. Im Jahr 1846 wurde das Brennen von Kartoffelalkohol verboten. Der letzte große Schlag gegen die Blüte der Kartoffel war die Mandelfäule, die 1877 erstmals in Deutschland in großem Stil auftrat. Nachdem die Landwirte sich mit ihr auseinandergesetzt hatten, konnten die kulinarischen Genüsse der Kartoffel, die bis heute andauern, aber wieder beginnen. Nehmen wir das Beispiel des Kartoffelsalats.
Schnitt durch einen Pistoriusapparat, Dephlegmator erfunden von Johann Heinrich Leberecht Pistorius, 1817 Schnitt durch einen Pistoriusapparat, Dephlegmator erfunden von Johann Heinrich Leberecht Pistorius, 1817 | Bild Biblioteca de la Facultad de Derecho y Ciencias del Trabajo Universidad de Sevilla by CC BY 2.0

Einhundert Salate, einhundert Meinungen

Kartoffeln für Salat kochen und schneiden – klingt einfach, aber schon hier gehen die Meinungen darüber auseinander, wie man es richtig macht. Wichtig ist jedoch, dass Sie Kartoffelsorten verwenden, die beim Kochen gut zusammenhalten. Sie kochen sich "in Mundur", wie die tschechische Sprache Kartoffeln in der Schale nennt.

Und was macht man jetzt mit ihnen? Nach einigen Lehrmeinungen müssen sie gepellt werden, solange sie noch heiß sind. Am besten, Sie verbrennen sich dabei die Finger. Nur so kann der Belag aufgesaugt werden. Dem Gegenüber gibt es Stimmen, die darauf bestehen, dass gekochte Kartoffeln bis zum nächsten Tag ruhen müssen, damit die Stärke schön einzieht und die Kartoffel nicht zerfällt. Sind geschälte Kartoffeln also ausgeschlossen? Nein, es gibt auch Abwandlungen dieser Art.

Wie wird geschnitten? Dies ist der nächste Schritt, bei dem die Ansätze radikal polarisiert werden können. Nur in Scheiben! Sonst ist es kein echter bayerischer Salat, schreien manche. Man muss sie in Spalten schneiden! Nur so kann man einen "echten deutschen" Kartoffelsalat machen, berichtet die andere Seite. Außerdem ist es in den Grenzregionen Böhmens relativ üblich, Kartoffeln in Würfel zu schneiden. Und glauben Sie mir, es gibt auch Rezepte, bei denen die Kartoffeln gar nicht geschnitten und nur leicht püriert werden.

Erforderliche und mögliche Zutaten

In der Grundversion enthält der "deutsche" Kartoffelsalat neben den Kartoffeln nur Marinade und Zwiebeln und wird als Beilage zu Schnitzel oder Bratlingen serviert. Aber auch seine Zubereitung ist nicht ganz einfach. Zuerst braucht man ein Dressing, und das beginnt mit der Brühe. Aber sollte man Weinessig oder Apfelessig verwenden...? Ähnliche Überlegungen werden zu Senf angestellt: Gehört er überhaupt in einen Salat? Und wenn ja, welcher Art? Und was ist mit Öl? Da die ersten Rezepte bereits Ende des 18. Jahrhunderts auftauchten, kann man nicht automatisch davon ausgehen, dass das heute verehrte Olivenöl ursprünglich in den Kartoffelsalat gegossen wurde. In der Steiermark in Österreich zum Beispiel kann schwarzes Kürbiskernöl ungestraft verwendet werden. In jedem Fall wird die Zwiebel, die den Kartoffeln Geschmack verleiht, in Scheiben oder Würfel geschnitten und manchmal in Salzwasser gedünstet. Für die Franken um Nürnberg ist der Schnittlauch ebenfalls eine obligatorische Zutat.

Das Kartoffelsalatgebiet erstreckt sich von Deutschland über Böhmen und Österreich bis nach Kroatien. Auf den ersten Blick sieht die balkanische "Krompir Salata" der deutschen "Basisversion" sehr ähnlich –rohe Zwiebeln, kein Senf, Olivenöl. In Deutschland wird der Kartoffelsalat je nach Region oder Jahreszeit warm oder kalt serviert. Versuchen Sie, aus den angebotenen Optionen Ihre Lieblingskombination zu wählen. 

Etwas Besonderes

Selbst das gewöhnlichste Gericht hat immer unzählige Variationen. Diese richten sich oft nach dem Budget der Gäste –seit jeher werden dem Grundrezept zusätzliche Zutaten hinzugefügt, um den Geschmack und in der Vergangenheit auch den Kaloriengehalt zu verbessern. Es liegt auf der Hand, dass jede Region dem Kartoffelsalat ihre eigenen Köstlichkeiten hinzufügt und aus einer einfachen Beilage ein Hauptgericht macht.

Süddeutsche Varianten fügen geräucherte Fleischstücke hinzu. Im Land der Gurken – rund um die Spree –gibt man fermentierte oder eingelegt, in Scheiben geschnittene Gurken dazu. Die Regionen um die Nord- und Ostsee verfeinern den Kartoffelsalat mit Heringsstücken oder anderen Meeresfrüchten.

Von Süden nach Norden und von Westen nach Osten sind Mayonnaisevarianten ebenfalls häufiger anzutreffen. Die Grenzen sind fließend, vor allem in der heutigen Zeit, in der die Küchen der ganzen Welt praktisch miteinander verschmelzen. Durch die Globalisierung kann sogar Curry im deutschen Kartoffelsalat auftauchen, wenn ein indischer Koch in der Küche steht, oder Chubrica, wenn jemand vom Balkan kocht.

Wie sieht Kartoffelsalat für Sie aus? HIERist ein Rezept für einen leichten Kartoffelsalat, den Sie auch auf tschechischen Tellern unter dem Namen schwäbisch, bayerisch, österreichisch-ungarisch oder wienerisch finden können.
Süddeutscher Kartoffelsalat (aus Prag) Süddeutscher Kartoffelsalat (aus Prag) | © Fotografiert von Tomáš Moravec, gekocht von Barbora Hudcová aus dem Goethe-Institut in Prag

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