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Sprachenlernen in der Zukunft
„Neue Technologien werden das Lernen verändern“

VR Brille in der Bibliothek
© Asya Finn

Lernen wir in Zukunft noch Fremdsprachen? Oder besitzen wir Programme, die Sprachen simultan übersetzen? Wie wird die Digitalisierung den Unterricht verändern? Im Interview entwirft der Trendforscher Peter Wippermann Visionen, wie sich das (Sprachen-)Lernen der Zukunft entwickeln wird.

Herr Wippermann, wann haben Sie die erste Fremdsprache gelernt?

Ich habe Englisch in der Schule gelernt. Das lief ganz traditionell: Ich habe Vokabeln gelernt, Texte interpretiert, im Klassenraum Antworten auf Englisch gegeben. Bedauerlicherweise sind die Schulen in Deutschland heute nicht viel weiter.

Sie sagen, es ist bedauerlich, dass beim Sprachenlernen noch Stift und Zettel dominieren. Welche technischen Möglichkeiten gäbe es, Sprachen zu vermitteln?

Im digitalen Raum ist die Spracherkennung durch Smartphones, Alexa oder Google selbstverständlich. Diese Entwicklung wird das Sprachenlernen mit Sicherheit verändern. Die schriftliche Darstellung wird deutlich abnehmen, automatisierte Übersetzungen werden selbstverständlich. Darauf sind die Schulen in Deutschland noch nicht vorbereitet.

Lernen mit Virtual Reality

Könnte es auch Programme geben, mit denen man sich am heimischen Bildschirm durch fremde Länder bewegt?

Aktuell wird viel im Audiobereich getestet, sodass man durch interaktives Hören in der Lage ist, eine Fremdsprache zu erlernen, ohne sie gut schreiben zu können. Das ist erst der Anfang. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Sprachenlernen steckt noch in den Kinderschuhen. Wenn Programme in der Lage sind, Bildwelten mit Hörbeispielen zu verknüpfen, entstehen ganz neue Möglichkeiten. Mit Virtual Reality könnte auch möglich werden, Sprachen so zu lernen, als bewegten wir uns in einem anderen Land.

Gibt es das bereits?

Bislang ist das beim Sprachenlernen noch nicht stark ausgeprägt, solche Szenarien gibt es aber in der Spieleindustrie. Versuche, Smartphones mit Virtual Reality zu verknüpfen, werden seit zwei Jahren ausprobiert. Die Technologien sind aber noch viel zu teuer. Ich bin aber sicher: Die technische Welt wird die analoge in vielen Bereichen ablösen.

Denken Sie hier auch an digitale Lehrkräfte?

Unterrichtsroboter werden in Japan eingesetzt – bei uns in Deutschland gibt es eine große Skepsis gegenüber Robotern. Wir setzen auch nicht die Finanzmittel ein, um das auszuprobieren. Wir müssen uns aber im Klaren darüber sein, dass Künstliche Intelligenz noch ganz am Anfang steht, unser Leben aber deutlich verändern wird. Das Forschungsinstitut des amerikanischen Militärs geht davon aus, dass wir in 2025 mit Quantenrechnern arbeiten, die 100 Millionen Mal schneller sein werden als ein normaler PC von heute. Wir gehen in eine Zukunft, die polarisiert - die aber völlig neue Gegebenheiten mit sich bringt.

„Unser Leben wird sich verändern“

Was bedeutet das denn für das Lernen der Zukunft?

In den vergangenen Jahren haben wir in Europa das Lernen beschleunigt. In Deutschland wurde durch die Einführung der Abschlüsse Bachelor und Master ein industrialisiertes Lernen geschaffen. Es geht um Normierung, Beschleunigung, Effizienzsteigerung. Was herauskommt, werden Maschinen in Zukunft viel besser machen. Jack Ma, der Gründer von Alibaba, sagt, wir müssen vor allem kreativ sein – aber das lernen wir gar nicht.

Wie könnte Kreativität an Schulen oder Hochschulen gelehrt werden?

Ich maße mir nicht an, konkrete Vorstellungen zu formulieren – aber die Lernziele von heute werden verschwinden. Sprachtechnologien werden in zehn Jahren omnipräsent sein und die Frage ist, ob wir die schriftliche Darstellung von Informationen dann noch brauchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man im Alltag keine Texte mehr schreibt, sondern mit Maschinen redet, ist sehr hoch.

Ich bin aber froh, wenn ich Informationen nachlesen kann, die für meinen Alltag oder Beruf relevant sind.

Sie kommen auch aus einer Zeit, in der es diese Technologie gar nicht gab. In Deutschland treffen sich 47 Prozent der Jugendlichen unter 25 lieber im virtuellen Raum als in der realen Welt. Je jünger die Menschen sind, desto mehr nehmen sie neue Technologien an. Live-Videos haben Postkarten oder Briefe längst abgelöst. In der Lehrerausbildung spielt die Digitalisierung aber nur eine geringe Rolle. Das sollte sich ändern.

Muss man in Zukunft überhaupt noch Sprachen lernen? Das könnten ja auch Programme für mich erledigen.

Sprachprogramme werden vieles übernehmen, aber der menschliche Kontakt bleibt bestehen. Menschliche Nähe ist durch Technik nicht zu ersetzen – und deshalb werden wir auch in Zukunft Sprachen lernen. In meiner Vorstellung ist es in Zukunft so: Wir sind digital ganz selbstverständlich miteinander verbunden. Persönlich miteinander zu sprechen und sich zu verstehen, wird jedoch weiter wichtig sein.
 

Der Trend zu Abgrenzung und Autonomie

Finden Sie es nicht problematisch, dass man in der digitalen Welt so viele Daten von sich preisgibt?

Ich sehe es realistisch: Wenn man Daten nutzt, produziert man auch Daten. Diese Daten werden gespeichert – und zwar nicht nur im eigenen Land. In dem Moment, in dem man einen Vertrag mit Google abschließt, entscheidet Google, wohin die Daten gehen und nicht die Bundesrepublik Deutschland oder die Europäische Gemeinschaft. Das ist ein Irrglaube, dem viele unterliegen.

Im Moment stärken Staaten wieder die eigene Autonomie. In Deutschland taucht der Begriff Heimat wieder auf. Wie erklären Sie sich das?

Das ist eine Entwicklung, die viele beunruhigt. Die Utopie der Globalisierung hat einen Rückwärtstrend produziert hin zum nationalen Abkapseln. Das lässt sich nicht nur in Amerika, der Türkei, Ungarn, Polen oder Dänemark beobachten, sondern auch bei uns. Die Menschen fragen sich, wer sie eigentlich sind. Da fängt auch Sprache an, einen gestalterischen Wert anzunehmen. Man versucht, sich zu verorten, um in kleinen Räumen Komplexität abzubauen. Ich denke, die Menschen versuchen, den rasanten Wechsel in Technologie und Machtgefügen zu bremsen. Wohin das führt, warten wir es ab.
 
Peter Wippermann Foto: © ProSiebenSat1 Peter Wippermann lehrte bis 2015 als Professor für Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste in Essen und ist Gründer des Trendbüros – eine international tätige Trendforschungsagentur mit Sitzen in Hamburg und München. Gemeinsam mit Jens Krüger, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Kantar TNS, gibt Peter Wippermann alle zwei Jahre den Werte-Index heraus. Für den Index untersuchen die Forscher, wie Internetuser in Blogs, Communitys oder Foren über Werte diskutieren. Für den Index 2018 wurden erstmals Bilder von Instagram mit ausgewertet. Die aktuelle Auswertung zeigt, dass traditionelle Werte an Bedeutung gewinnen. Die Bedeutung von Erfolg nimmt ab, Natur landete erstmals auf Platz 1, gefolgt von Gesundheit und Familie.

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