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Berlinale-Gespräch mit Popo Fan
„Mein Traum ist es, die Gesellschaft mit der Kamera zu verändern“

Popo Fan at the film shoot
Photo: Pan Jinxin

Der chinesische Filmemacher und Aktivist Popo Fan engagiert sich mit seinen Dokumentarfilmen für die Freiheit von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender-Menschen in seiner Heimat. Für das Projekt „Cut it out“ drehte er einen Kurzfilm gegen Zensur. Im Gespräch mit Goethe aktuell erzählt er davon, wie er mit dem Thema Zensur umgeht und welche Ziele er mit seinen Filmen verfolgt.

Von Annette Walter

Warum sind Sie nach Berlin gekommen?
 
Ich bin nach Deutschland gekommen, um eine Pause von dem ganzen politischen Stress in China zu haben und zu sehen, was ich hier realisieren kann. Ich hasste Peking, wo ich bis dahin lebte, weil die Stadt extrem gentrifiziert wurde und es sehr starken politischen Druck gibt. Deshalb habe ich beschlossen wegzugehen.
 
Woran arbeiten Sie derzeit?
 
Derzeit lerne ich Deutsch und will mich hier an einer Universität bewerben. Ich war schon immer ein großer Fan des deutschen Films. Als ich an der Universität in Peking studierte, war ich nicht zufrieden, weil die Professoren zu konservativ waren. Nun will ich Filmprojekte in Deutschland realisieren.
 
Sie haben vor zwei Jahren am Berlinale-Programm „Talent Press“ des Goethe-Instituts teilgenommen. Wie kam es dazu?
 
Ich hatte davon während meines Studiums in Peking gehört, als jemand von der Berlinale einen Vortrag an der Uni hielt. 2017 wurde ich schließlich für das Programm ausgewählt. Es war sehr spannend, denn wir hatten sieben Tage lang ein vielfältiges Programm aus Labs, Workshops, Diskussionen und vielen Networking-Events. Dadurch konnte ich viel von erfahrenen Filmemacherinnen und Filmemachern lernen, die über ihr Leben und ihre Arbeit erzählt haben.
 
Welche Herausforderungen gibt es für Ihre Arbeit in China?
 
Es ist immer noch ein Tabu, die Inhalte meiner Filme wie Homosexualität oder LGBT-Themen in den Medien zu zeigen. In China gibt es zwar seit 2001 kein Gesetz mehr gegen Homosexualität – schwul oder lesbisch zu sein wird nicht mehr als psychisches Problem betrachtet –, aber wenn man seine Rechte einfordert, werden einem Steine in den Weg gelegt. Kundgebungen sind beispielsweise nicht erlaubt. Bei der Shanghai Pride etwa gab es keine Demonstration wie beim Christopher Street Day, sondern nur Events in geschlossenen Räumen wie Lesungen, Filmvorführungen und Konzerte. Für viele LGBT-Nicht-Regierungs-Organisationen ist es daher schwer, Veranstaltungen zu organisieren. Die Regierung versucht, sie zu überwachen und Veranstaltungen zu unterbinden. Für mich ist es auch schwierig, meine Filme in China zu finanzieren. Eine öffentliche Förderung für Filmemacher wie mich gibt es nicht. Viele sehen kein kommerzielles Potenzial in meinen Projekten.

Zensur tötet die Kreativität

Wie gehen Sie mit Zensur um?
 
Das Problem dabei ist, dass es keine klare Linie gibt, was erlaubt ist und was nicht. Die Zensur hängt von den jeweiligen Entscheidungsträgern ab. Wenn eine Person etwas mag, kommt man damit durch, aber wenn eine andere Person dagegen ist, kann ein Film verboten werden. Also versuchen die meisten Filmemacherinnen und Filmemacher, auf der sicheren Seite zu bleiben. Das tötet die Kreativität. Die Zensur erschwert natürlich auch den Zugang zum Publikum.

Szene aus dem Film von Popo Fan im Rahmen von Cut it out Szene aus dem Film von Popo Fan im Rahmen von Cut it out | © Popo Fan Wie schaffen Sie es dennoch, Ihre Filme zu zeigen?
 
Dafür arbeite ich viel mit NGOs zusammen, um Vorführungen in Cafés, Galerien und LGBT-Zentren zu veranstalten. Außerdem stelle ich häufig kurze Versionen meiner Filme online. Aber sie werden meistens von der Zensurbehörde in China entfernt, was sehr traurig ist.  Meine Filme sind wie meine Kinder. Wenn sie zensiert werden, kommt es mir vor, als würde jemand einem meiner Kinder Arme und Beine abschneiden.
 
Was wollen Sie mit Ihren Filmen erreichen?
 
Mir ist es wichtig, einen Dialog zwischen verschiedenen Communitys aufzubauen. Bei einem meiner Screenings sagte einmal jemand, Homosexuelle wollten nur Sex, und nur Heterosexuelle würden die wahre Liebe kennen. Ich habe versucht, ihn davon zu überzeugen, dass es auch zwischen Schwulen wahre Liebe gibt, aber er hörte mir nicht zu. Ich kann solche Menschen nicht ändern, aber ich habe gemerkt, dass es wichtig ist, solche Menschen zu treffen. Es geht mir nicht darum, nur in meiner kleinen Blase zu leben und meine sexuelle Freiheit auszuleben. Vielleicht gelingt es mir, einige Menschen mit meinen Filmen zu erreichen, sodass sie darüber ins Gespräch miteinander kommen und mehr Verständnis entwickeln. Als ich an der Universität war, lebte ich im Wohnheim mit einem Kommilitonen, der sehr homophob war. Ich habe zu dieser Zeit ständig queere Filme angeschaut und ihm einige davon empfohlen. Nachdem er ein paar dieser Filme gesehen hatte, änderte er seine Einstellung. Der Film kann also zu einer Veränderung beitragen. Mein Traum ist es, die Gesellschaft mit der Kamera zu verändern.
 
Weitere Informationen

Popo Fan ist Aktivist und kämpft mit seinen Dokumentarfilmen für die Freiheit von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender-Menschen. Damit bringt er sich in seiner Heimat China immer wieder in Gefahr. 2017 war er als Filmemacher zur Berlinale geladen und nahm am Talent Press Programm teil.

Talent Press ist eine Initiative der Berlinale Talents in Zusammenarbeit mit FIPRESCI (Fédération Internationale de la Presse Cinématographique) und dem Goethe-Institut und bildet eine Plattform für junge Filmkritikerinnen und Journalisten aus aller Welt, um sich mit aktuellen Trends des Weltkinos vertraut zu machen. Ziel ist es, einen Beitrag zur Ausbildung und Vernetzung der internationalen Filmkritikerinnen und Filmkritiker zu leisten sowie den Kultur-Austausch zwischen den Ländern zu fördern und die kulturellen Verbindungen zu stärken.
 

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