Zonen des Vertrauens

Zonen des Vertrauens © Albena Baeva

Ausstellung von Albena Baeva


In ihrer neuen Ausstellung erforscht Albena Baeva Themen wie Trauma, Vertrauen und alternative Zukunftsmodelle unter dem Blickwinkel der Maschinen. Die Werke folgen einem aus der Konzeptkunst der Mitte des letzten Jahrhunderts bekannten Prinzip, bei dem die Künstler*innen Anweisungen zur Aufführung ihrer Kunst erstellen. Hier werden die Handlungsanweisungen jedoch von einer künstlichen Intelligenz gegeben, die ihrerseits von originalen Instruktionswerken seit den 1960er Jahren gelernt hat. Für „Zonen des Vertrauens“ hat Albena Baeva ausgewählte Anweisungen in Form von Zeichnungen, Wandgemälden und erweiterter Realität ausgeführt und interpretiert. Die Arbeiten entstanden durch das Zusammentreffen von künstlerischer Autonomie und maschineller Intelligenz. Zentrale Themen sind der Kontrollverzicht über das Endergebnis und die Bereitschaft, der Technologie Vertrauen zu schenken.

Die Ausstellung ist Teil eines Projekts von Albena Baeva und der russischen Kuratorin und Kunsthistorikerin Natalia Fuchs. Als sich Albena und Natalia Anfang 2020 während der Veranstaltung Mutek AI Art Lab in Montreal kennenlernten, entdeckten sie Gemeinsamkeiten in ihren kritischen Anschauungen und ihrem Interesse an der modernen Entwicklung von Technologien und künstlicher Intelligenz. Seitdem arbeiten sie zusammen als kreatives Team, wobei sie historische und neue Instruktionswerke studieren. Mithilfe der gesammelten Materialien trainiert Albena den Sprachalgorithmus GPT-2, der wiederum neue Instruktionswerke erstellt.

Die Anweisungskunst entstand in den 1960er Jahren mit den Arbeiten von Pionieren wie John Cage, Yoko Ono, Bruce Nauman und Sol LeWitt. Diese Tradition wurde später von Marina Abramović, Miranda July und anderen fortgeführt. Instruktionswerke können als Anweisungsabfolgen bezeichnet werden, die von Künstler*innen erstellt und von Betrachter*innen oder Darsteller*innen ausgeführt werden. Anweisungen werden in der Regel als eine Form der Kontrolle wahrgenommen und selten als Mittel der Zusammenarbeit oder Fürsorge. Instruktionswerke entstanden als Folge des Traumas des Zweiten Weltkriegs und können als Heilmethode der turbulenten 60er Jahre aufgefasst werden. Im Alltag dienen Anweisungen als Leitfäden für die richtige Ausführung einer Tätigkeit. Dadurch werden Fehler vermieden und die gewünschten Ergebnisse sichergestellt. Instruktionswerke spielen mit den Themen Kontrolle und Vertrauen. Sie verlangen vom Betrachter, dem oder der Künstler*in zu vertrauen, die eigene Kontrolle aufzugeben und ins Werk einzutauchen. Mit dieser fordernden und kontrollierenden Geste helfen uns die Arbeiten jedoch, uns alternative Anordnungen, Denk- und Wahrnehmungsweisen vorzustellen. Indem sie die Konzepte von Normalität und Annehmbarkeit radikal umformen, helfen sie uns, neue Strukturen, Realitäten, Räume und Normen zu entdecken.

Menschliche Kontrolle und Manipulation gehörten in den 60er Jahren zu den großen Themen der Kunst. Heute erleben wir einen neuen Vertrauensverlust gegenüber den Behörden, den traditionellen Medien und der Wissenschaft. Angesichts der rasanten Entwicklung von Machine-Learning-Technologien, die immer mehr in unser Leben eindringen, fürchten viele die potenziellen Risiken. Kontrollverlust ist ein ein Kernthema, ob in Bezug auf die berufliche Zukunft oder eine gerechte Ressourcenverteilung. Interessanterweise werden die mit der Entwicklung von Überwachungstechnologien einhergehende Kontrolle und die Manipulation der Öffentlichkeit trotz der Risiken für die Gesellschaft als Ganzes und für den einzelnen Verbraucher selten als Problem wahrgenommen.

Die COVID-19-Pandemie hat ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das bisher oft übersehen wurde: die Beziehung zwischen Mensch und Technologie. Das Gebot der physischen Distanzierung hat uns gezwungen, eine Vielzahl digitaler Lösungen zu verwenden. Unter den Krisenbedingungen des vergangenen Jahres waren unser Einkommen, unsere Kommunikation mit anderen Menschen und unsere engsten Beziehungen aufs Zusammenspiel mit intelligenten Technologien angewiesen. Geht es um eine neue Form von Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine? Bringen wir Maschinen und digitalen Technologien mehr Vertrauen entgegen?

Es ist ein guter Zeitpunkt, die Grenzen solcher Erfahrungen und unseres neuen Vertrauens in Technologie zu untersuchen. Die Ausstellung „Zonen des Vertrauens“ von Albena Baeva ist ein Versuchsfeld , auf dem der Besucher einen Beta-Тest seines Vertrauens in künstliche Intelligenz machen kann.
 

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