EBLIDA-Kampagne
„The right to e-read“ – E-Books in Bibliotheken

iPad im leeren Bücherregel
iPad im leeren Bücherregel | Foto (Ausschnitt): ©Thomas Meyer / Ostkreuz

Weil die rechtlichen Grundlagen der Bibliotheksarbeit nicht an die digitale Welt angepasst sind, können Verlage den Bibliotheken die Lizenzen für ihre E-Books verweigern. Eine europaweite Kampagne macht auf diesen Missstand aufmerksam.

Was haben die Titel Traumsammler von Khaled Hosseini, F von Daniel Kehlmann und Tabu von Ferdinand von Schirach gemeinsam? Alle sind zurzeit auf der Bestsellerliste des Magazins Der Spiegel – und keines dieser Bücher ist in Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland als E-Book ausleihbar. Hätten die Bibliothekare selbst entschieden, bei den genannten Titeln auf das Angebot als E-Book zu verzichten, wäre das zwar ein merkwürdiger Zufall, aber keine Kampagne wert. Doch den Bibliothekaren ist die Entscheidungsfreiheit darüber, welches E-Book sie den Nutzern anbieten, genommen. Schlichtweg deshalb, weil die Verlage diese Titel nicht für Bibliotheken lizenzieren.

Einschnitt in die Informationsfreiheit

Auf diesen Missstand will der europäische Bibliotheksverband EBLIDA (European Bureau of Library, Information and Documentation Associations) nun mit der großangelegten Kampagne „The right to e-read“ aufmerksam machen. „Wir fordern für alle Bürger Europas das Recht auf umfassende und frei zugängliche elektronische Information in Bibliotheken“, sagt der EBLIDA-Präsident Klaus-Peter Böttger. „Dabei geht es um die Sicherung der Interessen der Bibliotheken in der digitalen Welt. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bibliotheksnutzer von einem Teil des Spektrums der Verlagspublikationen ausgeschlossen werden.“

Die Kampagne soll ihren Höhepunkt am Welttag des Buches und des Urheberrechts haben: Am 23. April 2014 wird es in allen 28 europäischen Mitgliedsstaaten Pressekonferenzen zu dieser Problematik geben. Zudem soll eine Postkartenaktion den Mitgliedern des Europäischen Parlaments wie der nationalen Regierungen den dringenden rechtlichen Handlungsbedarf deutlich machen.

Gleiches Recht in der analogen und digitalen Welt

Für den heutigen Leser ist es selbstverständlich, dass die meisten aktuellen Buchtitel auch als E-Book zur Verfügung stehen. Von außen betrachtet scheinen sich Buch und E-Book lediglich in ihrer Form zu unterscheiden. Rechtlich ist es aber ein enormer Unterschied, ob man ein Buch oder ein E-Book kauft. Das Buch geht in den Besitz des Käufers über, für das E-Book erwirbt man lediglich eine Lizenz zum Zugriff.

Im deutschen Urheberrecht ist geregelt, dass Bibliotheken Bücher erwerben und verleihen dürfen. Dafür zahlen der Bund und die Bundesländer eine vereinbarte Vergütung für Autoren und andere Rechteinhaber, die Bibliothekstantieme, an die VG Wort. Doch digitale Medien wie das E-Book sind in diese Regelung nicht eingeschlossen. Öffentliche Bibliotheken haben somit keinen Rechtsanspruch darauf, E-Books verleihen zu können. Die Rechteinhaber können frei entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie Downloads von den Websites der Bibliotheken zulassen.

Im Prinzip bedeutet das: Jede Bibliothek muss für jedes E-Book Lizenzen aushandeln. In der Praxis wickeln die weitaus meisten Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland ihre elektronische Ausleihe über die divibib GmbH oder die ciando GmbH ab. Diese Dienstleister führen dann die Lizenzverhandlungen mit den Verlagen – und stoßen dabei immer wieder auf Granit. „Die Verlage, die die Lizenzen verweigern, werfen den Bibliotheken eine Kannibalisierung des Marktes vor. Zudem wird uns unterstellt, dass die Inhalte auf unseren Portalen nicht sicher vor illegalen Downloads und Raubkopien wären“, berichtet Böttger von Diskussionen mit Verlegerverbänden.

Ausweitung des Urheberrechtsgesetzes

„Aus unserer Sicht führt langfristig nichts an der Ausweitung des Urheberrechtsgesetzes vorbei. Wir brauchen europaweit einen rechtlichen Rahmen dafür, wie in Bibliotheken mit digitalen Medien umgegangen werden kann. Das gilt übrigens nicht nur für E-Books, sondern auch für alle zukünftigen Formen des Publizierens“, sagt Böttger, der auch Direktor der Stadtbibliothek Essen ist. Doch europäische Gesetzgebungsverfahren sind in der Regel langwierig. Böttger rechnet mit vier bis sechs Jahren.

Auf nationaler Ebene stimmt allerdings der gerade ausgehandelte Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen den Parteien CDU, CSU und SPD die Bibliotheksszene hoffnungsvoll. Darin heißt es: „Wir wollen das Urheberrecht den Erfordernissen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters anpassen“ und „Wir werden prüfen, ob den öffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher zu lizenzieren.“

Doch bis zur gesetzlichen Klärung ringen die Bibliothekare weiter mit den Verlegerverbänden um vernünftige Lizenzmodelle. „Wir wollen allen Bürgern den ungehinderten Zugang zu Medien in gedruckter wie elektronischer Form gewährleisten“, betont Klaus-Peter Böttger. „Auch zu den rund 40 Prozent der Titel auf den aktuellen Bestsellerlisten, die wir heute noch nicht als E-Book anbieten können.“