Architekturspaziergang Dresden
Zwischen Barock und Moderne
„Dresden habe ich mehrfach verloren. Nicht nur, als es vor meinen Augen zerstört wurde, sondern auch, als ich seinen ‚Wiederaufbau‘, der es noch einmal sinnlos entstellte, mit ansehen musste.“ Diese Worte des Schriftstellers Heinz Czechowski machen deutlich, wie schwierig Bauen in Dresden war und ist.
Ein Bonmot behauptet, dass von den 525.108 Einwohnern Dresdens die eine Hälfte Architekten seien – und die andere Hälfte Architekturkritiker. Und in der Tat: Jede Planung, jeder Entwurf wird leidenschaftlich diskutiert, mit Unterschriftensammlungen pro und contra begleitet oder vor Gericht gebracht. Freilich zeigt ein Blick in alte Ratsakten, dass dieses Gebaren kein Zeichen unserer Zeit ist.
Dennoch hat sich das Gesicht der Stadt seit der politischen Wende stark gewandelt. Zahlreiche moderne Solitäre entstanden, der Wiederaufbau der barocken Frauenkirche fand weltweit Beachtung. Die ganz großen Bau- und Sanierungsvorhaben wurden in den letzten 20 Jahren vollendet. Jetzt konzentriert man sich darauf, letzte Lücken zu schließen und Vorhandenes zu ergänzen. Dieser Prozess wird noch einige Jahre anhalten – Dresden ist eine prosperierende Großstadt mit wachsender Bevölkerung.
Waldschlösschenbrücke
Bautzner Straße, 01099 Dresden51°03’56’’N, 13°46’65’’O
Kolb, Ripke, 2013
Pläne für eine Elbquerung an dieser Stelle gibt es seit etwa hundert Jahren. Konkret wurden sie erst 1996 – und spalteten die Dresdner sofort in Brückengegner und -befürworter. Ein Gerichtsverfahren jagte das nächste, es gab Anschläge auf Baugeräte und einen Bürgerentscheid. Besonders emotional wurde es 2009, als die UNESCO der Stadt den Welterbe-Titel für die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal aberkannte – wegen des ästhetischen Eingriffs, den der Brückenbau bedeutete. Die ursprünglich geplanten Kosten betrugen 100,7 Millionen Euro. Inzwischen rechnet man mit 156,7 Millionen Euro.
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden51°04’41’’N, 13°45’66’’O
Daniel Libeskind, 2011
Kriegsgerät hat das 1877 fertiggestellte Arsenal schon immer beherbergt. Diente das Gebäude einst der Königlich Sächsischen Armee als Depot für Geschütze sowie Blank- und Handfeuerwaffen, so wurde es bereits 1914 zum Museum umgewidmet – und das ist es unbeschadet aller gesellschaftlichen Umbrüche bis zum heutigen Tag geblieben.
Mit seinem dekonstruktivistischen Ansatz gelang es dem Architekten Daniel Libeskind, das Gebäude gleichermaßen zu spalten und zu ergänzen. Der markante Keil symbolisiert zum einen die Form, in der die britischen Bomber die Angriffe auf Dresden flogen, und zum anderen das Selbstverständnis des Museums, „Bausteine einer Kulturgeschichte der Gewalt“ zu zeigen.
Congress Center Dresden
Ostra-Ufer 2, 01067 Dresden51°03’30’’N, 13°43’54’’O
Storch Ehlers Partner, 2004
Wer unter architektonischen Aspekten vom Congress Center Dresden spricht, darf über die Nachbargebäude nicht schweigen. Dabei handelt es sich zum einen um den alten Speicher, in dem heute das Hotel Maritim untergebracht ist, und das 1913/14 nach Plänen des Stadtbaurates Hans Erlwein erbaut wurde. Zum anderen handelt es sich um das Gebäude des Sächsischen Landtages, das vom Dresdner Architekten Peter Kulka 1991–94 auf der Grundsubstanz eines im Stil der Neuen Sachlichkeit 1928/31 errichteten Gebäudes des Landesfinanzamtes gebaut wurde. Dazwischen kommt das Center als Teil des Ensembles aus drei Epochen voll zur Geltung. Die Sinnfälligkeit dieser Komposition freilich erschließt sich erst mit einem Blick vom gegenüberliegenden Elbufer.
Hochschule für Musik Carl Maria von Weber
Wettinerplatz 13, 01067 Dresden51°03’15’’N, 13°43’31’’O
hammeskrause, 2008
In der Nähe des Wettinerplatzes ist die Luft voller Musik. Etwa 600 Studenten aus aller Welt bevölkern das wilhelminische Schulgebäude aus dem Jahr 1879, das 2008 mit der längst fälligen Erweiterung einen Konzertsaal erhielt. Der gefällt sich sehr mit seinen verschobenen Flächen und gebrochenen Perspektiven – die aber wegen der engen Straßensituation nicht gebührend zur Geltung kommen. Sozusagen ein Geheimbau – die Dresdner Alt- und Neobarockfreunde bekamen nämlich erst nach der Fertigstellung mit, dass die Moderne schon wieder einen Fußbreit Land der Residenzstadt erobert hatte.
Hotel Altmarkt
Altmarkt, 01067 Dresden51°02’57’’N, 13°44’18’’O
Pfau Architekten, 2010
Ganz gleich, ob abgelegen oder zentral: In Dresden sind auffallend viele Plätze architektonisch oder mit ihrem Nutzungskonzept nicht bewältigt. Das gilt auch für den Altmarkt im Herzen der Stadt. Vor der Zerstörung Sammelpunkt urbanen Lebens, erinnert er heute an einen verlassenen Appellplatz. Immerhin ein Lichtblick ist das 4-Sterne-Hotel Altmarkt im Schatten der barocken Kreuzkirche. Mit seinem schrägen Ziegeldach und der Blockrandbebauung fügt es sich unaufgeregt in die Nachbargebäude ein. Der Clou ist die fünfstöckige „Nase“ Richtung Kirche, die als Reminiszenz an den früheren Grundriss des Platzes verstanden sein will.
Centrum-Galerie
Prager Straße 15, 01069 Dresden51°02’45’’N, 13°44’10’’O
Peter Kulka, Piet de Bruyn, 2009
Schon aus der Ferne fällt die markante Fassade mit ihren silbernen Waben ins Auge. Wie auch der Name „Centrum“ erinnert diese Gestaltung an das Warenhaus aus DDR-Zeit, dessen Gebäude 2007 der neuen Galerie weichen musste. Schon kurz nach der Eröffnung wurde Kritik an der verschachtelten Architektur seitens der Mieter laut, die über zu wenige Kunden klagten; im Juli 2012 stand ein Drittel der Geschäfte leer. Abhilfe sollen umfangreiche Umbauten bringen, die derzeit noch im Gange sind.
Gläserne Manufaktur
Lennéstraße 1, 01069 Dresden51°02’42’’N, 13°45’16’’O
Gunter Henn, 2002
Eine Autofabrik mitten in der Stadt? Als dieses Prestigevorhaben publik wurde, ernteten die Planer kollektives Kopfschütteln. Mittlerweile ist das VW-Werk am Großen Garten ebenso akzeptiert wie die blaue, Cargo-Tram genannte Güterstraßenbahn, die das Werk mit Teilen beliefert. Hinter der Glasfassade zur Stübelallee wird das Flaggschiff des VW-Konzerns gefertigt, der Phaeton.
Ganz anders, fast schon verspielt, gibt sich der Gebäudekomplex an der Lennéstraße, in dessen Innerem sich auf mehreren Ebenen eine Lobby befindet. Dazu gedacht, die Käufer der Nobelkarosse im standesgemäßen Ambiente zu empfangen, finden hier nicht selten Opernaufführungen statt.
Feuerwache Altstadt
Strehlener Straße/Franklinstraße, 01069 Dresden51°02’57’’N, 13°44’45’’O
Schulz & Schulz, 2012
Mit ihren 150 Metern gilt sie als die längste Feuerwache Sachsens – den auf Rekorde erpichten Dresdner wird’s freuen. Wichtiger ist jedoch, dass die Stadt erstmals seit dem Krieg wieder über fünf Feuerwachen verfügt und so auch die Folgen des Hochwassers im Juni 2013 besser in den Griff bekam als elf Jahre zuvor. Markantestes Element des Baus zwischen Bahnstrecke und Straße ist der Turm des Rettungsdienstes, der es bis zur Mastspitze auf 40 Meter bringt. 13 Rettungswagen können im Erdgeschoss parken, in der Etage darüber sind neben den Funktionsräumen Speise- und Ruheräume untergebracht. Selbst an ein Fitnessstudio wurde gedacht.
Glaskugelhaus
Wiener Platz 10, 01069 Dresden51°02’30’’N, 13°43’58’’O
Siegbert Langner von Hatzfeld, 2005
Sind Dresden-Besucher auf dem Hauptbahnhof angekommen und betreten die Stadt durch den Ausgang Prager Straße, dann stehen sie genau vor dem Kugelhaus. Genauer gesagt: vor dem zweiten Kugelhaus. Das erste entstand bereits 1928, wurde aber zehn Jahre später auf Betreiben der Nationalsozialisten abgerissen. Das heutige Glaskugelhaus zitiert zwar deutlich seinen Vorgänger, wurde aber entgegen ursprünglicher Planungen nicht als freistehende Kugel ausgeführt. Die Geschossdecken im Inneren sind der kommerziellen Nutzung des Gebäudes geschuldet – auf Kosten eines sphärischen Raumgefühls, wie man es im Inneren einer Kugel erwarten mag.
Sächsische Landesbibliothek –
Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
Zellescher Weg 18, 01069 Dresden51°01’44’’N, 13°44’13’’O
Ortner & Ortner, 2003
Die Geschichte der Bibliothek begann im Jahre 1556 – heute verfügt sie über etwa fünf Millionen Bestandseinheiten. Diese findet man seit 2003 im Dresdner Süden, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Technischen Universität. Die zwei Quader sind mit Thüringer Travertin verkleidet. Ihre Struktur erinnert an Buchrücken. Die Quader beherbergen Verwaltung, Cafeteria, Magazin sowie das Buchmuseum. Zwischen ihnen, nur an den Oberlichtern erkennbar, befindet sich als Zentrum der Anlage der dreigeschossige unterirdische Lesesaal.