Architekturspaziergang Brno
Schluss mit Funktionalismus

Obwohl Brno die zweitgrößte Stadt des Landes ist und der Umfang der Bautätigkeit dieser Tatsache auch entspricht, zeichnet sich die Architektur der südmährischen Stadt durch eine gewisse Provinzialität aus, deren Wurzeln in der Zwischenkriegszeit liegen. Nur mühsam gelingt es, dieses Erbe abzuschütteln.

Das architektonische Erbe offenbart sich jedoch nicht nur in der Menge an Rekonstruktionen und dem Ausbau historischer Häuser. Beliebte Motive sind nach wie vor Zurückhaltung, Bescheidenheit und Strenge. Sehr oft wird eher die Außergewöhnlichkeit der Umgebung als die Außergewöhnlichkeit des Projektes betont. Unter dieser Bescheidenheit verbirgt sich wahrscheinlich die Tatsache, dass es der zeitgenössischen Brünner Architektur nach wie vor an Selbstbewusstsein mangelt. Einige der vorgestellten Projekte verdanken ihre Entstehung öffentlichen Architekturwettbewerben, für alle gilt jedoch, dass sie ohne aufgeklärte und aufgeschlossene Bauherren nicht entstanden wären.

Erneuerung der Villa Jurkovič

Jana Nečase 2, Brno
49°12'23.774"N, 16°34'33.567"E
 
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST
  • Villa Jurkovič  Foto: Studio TOAST

Das eigene Wohnhaus des Architekten Jurkovič aus dem Jahr 1906 ist ein Musterbeispiel für dessen Orientierung an den Prinzipien der englischen Arts and Crafts-Bewegung in Kombination mit volkstümlichen slawischen Motiven. Die Rekonstuktion geschah mit dem Ziel, einen neuen öffentlichen Gemeinderaum in einem vorwiegend von Villen geprägten Stadtviertel zu schaffen. Neben der Renovierung von erhalten Gebliebenem kam es auch zu aktuellen Modifikationen und neuen Interpretation nicht erhalten gebliebener Elemente. Neu hinzugekommen ist ein Glasmosaik an der Eingangsfront (Josef Bolf), ein Besucherzentrum, ein Lesesaal, ein Ausstellungsraum im Stile Sol LeWitts (Ateliér Štěpán) und eine neue Rampe nebst Aufzug. Das Gebäude wird von einem öffentlich zugänglichen Garten eingerahmt.

Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau

Kraví hora 2, Brno
49°12'14.976"N, 16°35'1.958"E
Rudiš – Rudiš Architekten, 2011
 
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal
  • Sternwarte und Planetarium – Rekonstruktion und Anbau Foto: Filip Šlapal

Die nüchtern gehaltene Erneuerung der Sternwarte und des Planetariums adaptiert teilweise ursprüngliche Objekte aus den Jahren 1949–1991. Gleichzeitig werden neue Verbindungen des vollendeten Gesamtbaus mit dem ihn umgebenden Park und dem Stadtpanorama geschaffen. Der mittlere Teil des ursprünglichen Gebäudes wurde durch einen Anbau mit Eingangshalle ersetzt. Hinzugekommen ist auch ein neuer Gebäudeteil hinter dem großen Planetarium. Das gesamte Objekt mit seinen markanten Kuppeln wurde mit einem einheitlichen Fassadenmantel versehen: silberne Kassetten aus perforiertem Blech, dessen Struktur auf eine grafische Abstraktion des Waldes verweist. Eine dreistöckige grafische Wandfläche des Treppenhauses ist das neue zentrale Element des Interieurs.

Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora

Kraví hora 1, Brno
49°12'5.788"N, 16°35'7.822"E
Archtekturbüro DRNH, 2004
 
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová
  • Rekonstruktion und Neugestaltung des Areals für Sport und Erholung Kraví hora Foto: Barbora Ponešová


Der Neubau des Hallenbades wurde behutsam in den Hang mit dem ursprünglichen Freizeitareal vom Ende der 1960er Jahre integriert. Der Objektkörper mit den Betriebsgebäudeteilen aus Sichtbeton ist in das Gelände eingelassen, das eigentliche Hallenbad befindet sich auf einer Terrasse, die an das bestehende Freibad anknüpft. Mit der Verwendung von gläsernen Zwischenwänden und Geländern wurde dem Interieur ein leichter, luftiger Charakter verliehen. Gleichzeitig wurden damit neue Aussichtsmöglichkeiten auf das Panorama der Stadt ermöglicht; auch die Konstruktion der Überlaufsysteme der neuen Becken nahmen auf darauf Rücksicht. Das Exterieur des oberen Eingangsbereichs wurde mit einem Sonnenschutzgitter aus horizontalen Holzlamellen versehen.

Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität

Kotlářská 2, Brno
49°12'12.211"N 16°35'51.619"E
Architekturbüro Radko Květ, 2006
 
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Libor Teplý
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Architektonická kancelář Radko Květ
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Anna Pecková
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Libor Teplý
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Libor Teplý
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Anna Pecková
  • Informationszentrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität Foto: Architektonická kancelář Radko Květ


Das Neubau-Element des Informationszentrums überbrückt und verbindet die bestehende Aula mit dem Seminargebäude von 1970. Die ursprünglichen Gebäude sind in vollem Umfang in eine gläserne Fassade eingefasst, hinter der sich die Eingangshalle und die zum Botanischen Garten ausgerichteten Lesesäle befinden. Im Gebäudeinnern entstand ein Atrium um eine mächtige Buche. Der markanteste Teil des Projekts ist das gitterartige Überbrückungselement, welches als eine Art Blechbox über das bestehende Gebäude in die Veveří-Straße herausragt. Die geplante Ausgestaltung der Gebäudefassaden mit Rankpflanzen ist bisher leider nicht realisiert worden.

Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität

Arne Nováka 1, Brno
49°12'1.491"N 16°35'50.910"E
Kuba & Pilař Architekten, 2001
 
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal
  • Bibliothek der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität  Foto: Filip Šlapal


Dieser gläserne Quader mit einer sichtbaren Stahl-Beton-Konstruktion, variablen großräumigen Lesesälen und einem zentralem Treppenaufgang als rundförmiger Lichtschacht war das erste Nachwende-Bauprojekt, das aus einem öffentlichen Architekturwettbewerb hervorging. An den zentralen Gebäudekörper der Bibliothek schließt ein als Haupteingang fungierender Kubus mit horizontaler Zugangsrampe und vertikaler Fluchttreppe an. Im Verlauf der Projektarbeiten wurde die Fassade des Hauses mit vertikalen Eichenholzlamellen ausgestattet, die der äußeren Gestalt einen minimalistischen Charakter verleihen und im Gebäudeinnern für eine kontemplative Atmosphäre sorgen. Bestandteil des Entwurfs war auch eine Neugestaltung des Gartens im Innenhof.

Bistro FRANZ

Veveří 14, Brno
49°11'58.283"N, 16°36'9.472"E
Hrdina, 2011
 
  • Bistro FRANZ Foto: Vladimír Novotný, Kiva Foto
  • Bistro FRANZ Foto: Vladimír Novotný, Kiva Foto
  • Bistro FRANZ Foto: Vladimír Novotný, Kiva Foto
  • Bistro FRANZ Foto: Vladimír Novotný, Kiva Foto
  • Bistro FRANZ Foto: Vladimír Novotný, Kiva Foto


Im Erdgeschoss eines großartigen Jugendstil-Hauses, das 1903 von František Pavlů erbaut wurde, eröffnete zum Ende des Jahres 2011 das Bistro Franz. Die von innen im satten rot gehaltene Tür und die Schaufenster des Eingangsbereichs bilden den Rahmen für dieses bisher letzte Projekt Martin Hrdinas, der bereits zuvor die Brünner Innenarchitektur mit seinen Raumentwürfen der Cafés Tungsram, Leporelo, Alfa oder Art bereicherte.

Die teilweise enthüllten, ursprünglichen Wandelemente werden durch neue zementverputzte Wände, weiße Holzvertäfelungen sowie farblich ausdrucksstarkes Mobiliar aus Chrom und Holz ergänzt. Zusätzliche Gestaltungselemente bilden von Hrdina entworfene grafische Schriftzüge und Logos.

Boutique DNB

Veselá 4, Brno
49°11'40.924"N, 16°36'25.056"E
muon, 2008
 
  • Boutique DNB  Foto: Michal Ureš
  • Boutique DNB  Foto: Michal Ureš
  • Boutique DNB  Foto: Michal Ureš
  • Boutique DNB  Foto: Michal Ureš

Das Interieur der Boutique von Modedesignerin Denisa Nová enthüllt den Körper eines funktionalistischen Hauses in seiner naturalistischen Schönheit. Durch die Entfernung der Kachelung, des fröhlichen Farbanstrichs sowie der einheitlichen eingezogenen Zwischendecke kam es zu einer Art archäologischer Enthüllung der Stahlbetonkonstruktion. Der Fußboden wurde durch Industrie-Estrich ersetzt, alle technischen Leitungen sind sichtbar. Einige Hängebügel der ehemaligen Zwischendecke sind erhalten geblieben, sie werden heute zum Anhängen von Kleidermodellen verwendet. Die Kunden nicht zugänglichen Betriebsräume befinden sich hinter einer schräg eingesetzten beweglichen Wand. Einzige Elemente der Boutique-Innenausstattung stellen mobile Bänke aus unbearbeiteten Holzplanken dar.

Musikdramatisches Laboratorium der JAMU

Orlí 19, Brno
49°11'38.871"N, 16°36'43.876"E
Archteam, 2012 (im Bau)
 
  • Musikdramatisches Laboratorium der JAMU Visualisierung: Archteam, MISS3
  • Musikdramatisches Laboratorium der JAMU Visualisierung: Archteam, MISS3
  • Musikdramatisches Laboratorium der JAMU Visualisierung: Archteam, MISS3
  • Musikdramatisches Laboratorium der JAMU Foto: Jakub Kopec
  • Musikdramatisches Laboratorium der JAMU Foto: Jakub Kopec

Es handelt sich um den dritten Bau in Brno, der aus einem öffentlichen Architekturwettbewerb hervorging (neben der Bibliothek der Philosophischen Fakultät und dem Palais Omega von Kuba und Pilař). Die Grundstruktur des Hauses besteht aus zwei sich kontrastierenden Gebäudeteilen, einem zweistöckigen Foyer mit markanter Fensterfront zur Straße hin sowie einem den Innenblock dominierenden Kubus, der ein Café, ein Theatersaal, Probe- und Seminarräume beherbergt.

Beim höheren Teil ist eine Bepflanzung mit Kletterpflanzen geplant, so dass eine Verbindung zum Garten des Innenhofs hergestellt wird, der durch die Eingangshalle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Derzeit befindet sich das Gebäude mitten in den Bauarbeiten, so dass die einzigartige Stahlbetonkonstruktion sichtbar ist, die in Zukunft unter einer Außenverkleidung und einer akustischen Verkleidung verborgen sein wird.

Polyfunktionales Haus mit Atelier

Kamenná 13, Brno
49°11'4.636"N, 16°35'36.463"E
Fránek Architects, 2005
 
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová
  • Polyfunktionales Haus mit Atelier Foto: Ester Havlová

Dieses selbstbewusst wirkende Haus, das zehn Jahre in Eigenleistung gebaut wurde, besteht aus einem Maisonette-Atelier des Architekten im Souterrain sowie vier überirdischen Etagen, die vermietet werden (in den beiden oberen Stockwerken sollte sich ursprünglich die Maisonette-Wohnung des Bauherren befinden). Der Bau öffnet sich mit seinen verglasten Flächen der Frontseite in Richtung Straße und Hof, aus der kompakten Gebäudemasse wölbt sich weich der Umriss des zentralen Treppenaufgangs nach außen, zu dem als vertikaler Einschnitt der Haupteingang führt.

Die Höhe des Hause entspricht der Höhe der Villa im Garten hinter dem Haus; es handelt sich – nach der Villa Tugendhat – um den außergewöhnlichsten Brünner Bau für individuelles Wohnen.

Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec

Raisova, Brno
49°10'57.461"N, 16°33'27.151"E
Atelier Štěpán, 2011
 
  • Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec Foto: Petr Drápal
  • Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec Foto: Vanda Štěpánová
  • Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec Foto: Vanda Štěpánová
  • Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec Vizualisierung: Ateliér Štěpán
  • Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec Foto: Petr Drápal
  • Erneuerung des Waldparks in Nový Lískovec Foto: Petr Drápal

Dieser Waldpark über der Stadt, der für die Zwecke des nahe liegenden Sanatoriums bereits vor dem Ersten Weltkrieg angelegt wurde, erlebte seine größte Blütezeit während der Jahre der Ersten Republik (1919–1938). Nach 60 Jahren Verfall wurde im Jahr 2011m eine weitere Etappe seiner Revitalisierung beendet, an die in Zukunft hoffentlich noch der Neubau des schiefen Turmes und die Errichtung von Fußgängerbrücken anknüpfen werden.

Neben Durchforstung und Neubepflanzung wurden die Wege instandgesetzt und die verfallenen Objekte für eine neue Nutzung wiederhergestellt und umgestaltet. Der ursprüngliche funktionalistische Aussichtsturm dient heute eher als Altan mit Trinkbrunnen und gelegentlich als Aussichtsplattform (nach Anmeldung). Der ehemalige Swimming-Pool wurde in einen flaches Becken mit Sitzmöglichkeit umgewandelt.