Wein und Geschichte
Ein Wein mit dem Gesicht von Goethes Ulrike

Schlossweingut Třebívlice
Schlossweingut Třebívlice | © Schlossweingut Třebívlice

Das Leben Johann Wolfgang von Goethes, als ob es vom Wein durchwirkt sei. In den Annalen wird erwähnt, wie er für seinen Aufenthalt in Karlsbad im Jahre 1820 eine Fülle an Wein aus dem fränkischen Schweinfurt bestellte, es ist bekannt, dass er seine Gäste tadelte, wenn sie Wein mit Wasser verdünnten und in seinem Werk finden wir mehr als ein Bekenntnis zum berauschenden Nass: „Ich habe getrunken - nun trink ich erst gern! Der Wein, er erhöht uns, er macht uns zum Herrn - Und löset die sklavischen Zungen. Ja, schonet nur nicht das erquickende Naß: Denn schwindet der älteste Wein aus dem Fass, so altern dagegen die jungen“, sagen die Verse aus dem Gedicht Gewohnt, getan. So ist es nicht verwunderlich, dass auch seine späte Liebe, die weitaus jüngere Ulrike von Levetzow mit der Weinrebe verbunden ist.
 

Auf einem Herrschaftsgut im nordböhmischen Trziblitz wurde sie über 70 Jahre alt und der hiesige Weinbau erfuhr während ihres Aufenthaltes einen bedeutenden Aufschwung. Heute, viele Jahrzehnte später kehrt die Kunst des Weinbaus hierher zurück: Die kürzlich in den ursprünglichen, aber lange aufgegebenen Weinbergen gepflanzten Rebzeilen belegen bereits eine Fläche von 35 Hektar und mit Verweis auf die Vorgängerin und ihren berühmten Verehrer tragen die hiesigen Weinflaschen Etiketten mit der Aufschrift Johann W und das Porträt der lieblichen Baron in jungen Jahren. Der Geschäftsführer des Schlossweingutes Třebívlice ist heute Tomáš Loukota, der Besucher gern sowohl durch das Areal auf dem Berg und in der Gemeinde, als auch durch die einzelnen Weinberge und das Restaurant begleitet, wo unter anderem Variationen auf Grundlage von Rezepten aus einer Kochbuchsammlung zubereitet werden, die von der Küche gerade der Baronin von Levetzow geführt wurde.
 
War Ulrike von Levetzow eine Weinliebhaberin?
Sicher ja. Bei uns im Restaurant arbeitet auch eine Enkelin ihrer Köchin, die achtzigjährige Marie Hauptvogelová. Sie pflegt die Rezepte ihrer Großmutter und dank ihr wissen wir, dass jedes Gericht mit einem bestimmten Wein abgeschmeckt wurde. Einige Rezepte aus dieser Sammlung dienten auch als Inspiration für unser aktuelles Menü – zum Beispiel die Spezialitäten vom Kaninchen, sei es nun der Kaninchenrücken mit Kartoffeln und Kohl oder die Kaninchen-Saltimbocca mit duftendem Salbei aus unserem Garten.

  • Johann W @ Schlossweingut Třebívlice
    Johann W
  • Tomáš Loukota, Schlossweingut Třebívlice © Goethe-Institut / Petra Pospěchová
    Tomáš Loukota, Schlossweingut Třebívlice
  • Ulrike von Levetzow Anonymes Pastelgemälde, 1821
    Ulrike von Levetzow
  • Wo Johann W wächst © Schlossweingut Třebívlice
    Wo Johann W wächst
  • Schlossweingut Třebívlice © Goethe-Institut / Petra Pospěchová
    Schlossweingut Třebívlice
Haben Sie eine Vorstellung davon, welche ihre Lieblingssorte war?
Darüber schweigen die Annalen, wir wissen aber, welche Sorten hier zu ihrer Zeit angebaut wurden. Professor Kraus, der uns bei der Pflanzung behilflich war, wählte die Sorten für die jeweiligen Weinberge hauptsächlich auf Grundlage zeitgenössischer Schriften aus. Traditionell wurden hier Burgunder, aber auch rheinischer Riesling, Traminer und St. Laurent angebaut.
 
Gedeiht hier auch Rotwein?
Die mährischen Winzer sagen über uns, dass wir Wein nördlich des Polarkreises anbauen würden, wir aber haben mit dem Klima kein Problem. Im Gegenteil, manchmal wenn es in Südmähren friert, überstehen wir die Fröste ohne Probleme. Bei Blindverkostungen des hiesigen Rotweins tippen viele auf einen Wein aus der Toskana – dies betrifft vor allem den Cuvée Johann W, ein Spätburgunder mit einem kleineren Anteil an St. Laurent. Wir haben hier einen sehr guten Boden, einige Rebzeilen eignen sich für Rotwein, andere für weißen.
 
Weiße Sorten wachsen bei Ihnen auf welchem Boden?
Der größte unserer Weinberge, der Koskov, besteht aus reinem Kalkspat und dann gibt es eine Zeile unter der Hasenburg mit Basalt im Boden. Dieser schwarze Lavastein bildet die gesamte Erhebung, an deren Fuß Weißer Burgunder, Traminer, Rheinischer Riesling und Silvaner gedeihen. Der Silvaner ist einer der besten Weine, die wir haben. Wir verhätscheln ihn, denn der Ertrag an Trauben ist gegenüber anderen Sorten deutlich geringer. Auch deshalb bauen ihn nur wenige Winzer an.

Ist es möglich heute Wein zu probieren, der von denselben Reben stammt, die schon Trauben in der Zeit der Baronin Ulrike von Levetzow gaben?
Das leider nicht. Im Jahre 1860 wurde aus der Neuen Welt die Reblaus nach Europa eingeschleppt, die die hiesigen Weinberge komplett zerstörte. Für eine spätere Pflanzung war der Tod der Baronin im November 1899 das Ende. Sie selbst hatte keine Nachkommen, um das Erbe zerrten zuerst ihre Neffen Franz und Albert; der zweite verkaufte das Gut letztlich an die unweit gelegene Stadt Brüx/Most. Die wirtschaftliche Neuausrichtung ging schnell von statten, auch hinterließen beide Kriege ihre Spuren. Wir haben die ersten Weinberge im Jahre 2004 bepflanzt, älter ist lediglich eine 1970 gepflanzte Rebzeile unter dem Skršínský vrch, die haben wir schon hochgewachsen gekauft.
 
Die neuen Weinberge sind also am Ort der ursprünglichen?
Ganz genau. Wir können uns leicht vorstellen, dass vor einhundert Jahren jemand an demselben Platz gestanden hat wie wir gerade und darüber nachdachte, was mit den Staren zu tun sei, die an seine Ernte gingen.
 
Sie haben aber sicher modernere Methoden gegen die Stare als zu Zeiten Ulrikes von Levetzow, oder?
Ja, das schon. Wir benutzen tiefe Kanonenschläge, in der Saison laufen die Winzer durch die Weinberge und schießen in die Luft – der Star steht nämlich unter Schutz. Am effektivsten sind aber schalldichte Lautsprecherboxen, über die wir Töne von verschiedenen Greifvögeln abspielen. Am besten funktioniert der Falke, der auch nur so zum Spaß jagt, wenn er in seinem Revier etwas sieht. Die übrigen Greifvögel lassen sich nicht weiter an den Staren aus, wenn sie erst einmal satt sind. Und die Stare wissen das ganz genau, weshalb sie vor dem Falken auch die größte Angst haben. Auf dem Weinberg Koskov, der unter dem bewachsenen Hügel Kvítel liegt, hilft uns zudem die Natur. Es gibt dort etwa sechs Nester von Bussarden und die fliegen zur Futtersuche regelmäßig in die Weinberge. Im Kampf gegen Nagetiere haben wir Unterstützung durch den Patron des Weinberges Koskov, den Dachs Jaryna, der auch auf dem Kvítel lebt. Im Umkreis von einigen hundert Metern um seinen Bau ist nicht eine einzige Maus zu finden.
 
Koskov ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich mitten im Weinberg ein jüdischer Friedhof befindet – wie kam es dazu?
Als wir hierher kamen, waren die Parzellen devastiert, ebenso wie der Friedhof in ihrer Mitte. Wir begannen damit, beides wieder in einen normalen Zustand zu versetzen. Und wir blieben mit dieser Arbeit nicht allein – sehen Sie die vielen Grabsteine mit dem gleichen Namen? So heißt auch der Chefarzt aus dem Krankenhaus in Ústí nad Labem und gerade er hat viel zur jetzigen Gestalt des Friedhofs beigetragen. Vorher waren die Grabsteine umgestürzt und alles fürchterlich verwachsen. Jetzt sieht es schon viel besser aus, wir kümmern uns regelmäßig um den Friedhof. Er ist eine unserer Attraktionen: Dank der hochgewachsenen Kastanien, die ein ganzes Stück über seine Mauer hinaus ragen, können wir Verkostungen im Schatten direkt im Weinberg veranstalten, mit Blick auf die Reben, von denen der verkostete Wein kommt. Es reicht sich umzusehen und Sie müssen nicht einmal aufstehen: dort der Dornfelder, da Pinot und ein Stückchen weiter der Blaue Portugieser. Die Sorte erkennen Sie am Laub schon von Weitem: Der Pinot gris hat zum Beispiel helleres Laub und kleinere Blätter.
 
Sie haben hier noch eine weitere Attraktion, versteckt unter der Erde: Böhmischen Granat...
Wenn es ordentlich regnet, reicht ein Spaziergang durch den Weinberg und Sie finden eine ganze Hand voll. Wir befinden uns auch in einer traditionellen Abbauregion. Als wir die Betriebsgebäude für unser Weingut errichteten, wurden uns Angebote zum Abtransport des ausgehobenen Erdreichs gemacht, weil klar war, dass dort Granat zu finden ist. Wir haben den Aushub aber für die Abschlussarbeiten verwendet, sodass wir alles hier gelassen haben.