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Theater
Über Kleist und das Marionettentheater

Masaccio, Fresko mit der Vertreibung aus dem Paradies, Brancacci-Kapelle, S. Maria del Carmine, Florenz, 1424
Masaccio, Fresko mit der Vertreibung aus dem Paradies, Brancacci-Kapelle, S. Maria del Carmine, Florenz, 1424 | Gemeinfrei

Heinrich von Kleists Text Über das Marionettentheater stellt ausgehend von Reflexionen über das Theater philosophische Fragen über das Wesen des Menschseins. Im November wird er in Prag auf die Bühne gebracht.
 

Von Janina Alvarez, Maria Kordasch

„Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müssten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.“ Heinrich von Kleists Text Über das Marionettentheater stellt ausgehend von Reflexionen über das Theater philosophische Fragen über das Wesen des Menschseins. Im November wird er am Studio Hrdinů in einer Bearbeitung der deutschen Regisseurin Katharina Schmitt auf die Bühne gebracht.

Wer war eigentlich Heinrich von Kleist?

Heinrich von Kleist (1777-1811) gehört zu den bedeutendsten deutschen Dramatikern, steht aber häufig genug im Schatten bekannterer Namen wie Goethe und Schiller. Dabei haben seine Werke nichts an Aktualität eingebüßt: Selbst von Sinnkrisen gebeutelt, schreibt Kleist über den Kampf mit dem eigenen Schicksal, über Konflikte mit der Gesellschaft und die Unmöglichkeit, die Welt objektiv wahrzunehmen. Er führt ein unstetes Leben und nimmt bis heute eine Außenseiterposition abseits der gängigen literarischen Strömungen seiner Zeit ein.

Seine Lebensgeschichte ist so turbulent wie manche seiner Werke: Kleist wird 1777 in Frankfurt an der Oder als Nachkomme eines alten preußischen Offiziersgeschlechts geboren. Die Militärlaufbahn sagt ihm jedoch nicht zu: Nach sieben Jahren nimmt er seinen Abschied, um stattdessen Mathematik, Physik, Philosophie und Staatswissenschaften zu studieren. Allerdings bricht er auch das ab, und die Auseinandersetzung mit den Schriften Immanuel Kants führt zur Zerrüttung seines Weltbildes und zu seiner ersten Lebenskrise. Er muss feststellen, dass es keine Möglichkeit gibt, als Mensch zu objektiver Erkenntnis zu gelangen. Von da an versucht Kleist den Spagat zwischen gesellschaftlichen Verpflichtungen und seinen eigenen Neigungen zu meistern. Er reist viel, wechselt häufig den Wohnsitz und befasst sich immer wieder mit neuen Ideen (auch politischer Natur), auf die aber oft Enttäuschungen folgen. Eine Zeit lang wohnt er in Weimar, wo er Goethe und Schiller kennenlernt, und in Dresden bewegt er sich in den Kreisen der Romantiker. Obwohl er für seine literarischen Werke durchaus Unterstützer hat, bleibt der große Erfolg zu Lebzeiten aus. Am 21. November 1811 erschießt er sich gemeinsam mit seiner an Krebs erkrankten Geliebten Henriette Vogel am Kleinen Wannsee in Berlin.

Nachdem Kleist zu Lebzeiten viel Unverständnis entgegengebracht wurde, gehört er heutzutage zum Kanon der deutschen Literatur. Zu seinen wichtigsten Werken gehören die Erzählungen Michael Kohlhaas und Die Marquise von O…. sowie die Dramen Der zerbrochene Krug, Das Käthchen von Heilbronn, Penthesilea und Prinz Friedrich von Homburg. Seit 1935 wird jährlich der Kleist-Preis verliehen, einer der renommiertesten deutschen Literaturpreise. Preisträger*innen waren unter anderem schon Bertolt Brecht, Robert Musil oder in jüngerer Zeit Daniel Kehlmann, Yoko Tawada und Ralf Rothmann.

Über das Marionettentheater

Regisseurin Katharina Schmitt Katharina Schmitt | Foto: Merav Marood Welche Rolle spielt die menschliche Präsenz für das Theater? Was bringt uns dazu, einen Raum als theatralisch wahrzunehmen, auch wenn es dort keine Schauspieler*innen gibt? Für ihre neueste Inszenierung am Studio Hrdinů hat sich die deutsche Regisseurin Katharina Schmitt einem Text von Heinrich von Kleist angenommen: Über das Marionettentheater.

In dem Aufsatz, der erstmals 1810 in den von Kleist mitherausgegebenen Berliner Abendblättern erschien, unterhält sich der Erzähler mit einem Tänzer über das Theater und die Anmut von Marionetten, wodurch sich ein philosophisches Gespräch ergibt. Schmitt verbindet in ihrer Inszenierung diesen Text mit Interviews mit Schauspieler*innen aus Berlin und Prag und bezieht ihn auf die Gegenwart, auch im Kontext der Pandemie. Ihr Stück mit dem Titel Das letzte Kapitel der Menschheit untersucht die menschliche Abwesenheit und konfrontiert einen leeren Theaterraum mit Schauspieler*innen, die ihre Bühne zurückerobern. Nachdem Katharina Schmitt hier zuletzt Das Moulyneux Problem und Kafkas Ein Bericht für eine Akademie inszenierte, sind wir gespannt auf Das letzte Kapitel der Menschheit.

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