He, she, they + er, sie, sif, sier, xier = ∞
10 schwierig zu übersetzende Begriffe in Bezug auf Gender und Sexualität

Eine schwarze und eine weiße Person vor orangefarbenem Hintergrund, auf dem die englischen Pronomen "they", "them", "sier" und "xier" zu lesen sind.
They, them, sier, xier...? Gar nicht so einfach! | © Goethe-Institut. llustration: EL BOUM.

Übersetzungen sind wahnsinnig herausfordernd: Historische, geographische, politische und soziale Kontexte müssen mitgedacht werden. Außerdem ist es absolut notwendig, sich in den entsprechenden Diskursen, die im zu übersetzenden Text behandelt werden, auszukennen. Allerdings passiert es häufig, dass sich die Diskurse in verschiedenen Sprachräumen unterscheiden. Als wäre das nun nicht schon komplex genug, befindet sich Sprache im ständigen Wandel – besonders in Bezug auf politische und damit sensible Begriffe. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit den Sprachen Deutsch und Englisch und thematisieren 10 schwierig zu übersetzende Begriffe in Bezug auf Gender und Sexualität. Da klar ist, dass Sprache sich ständig weiterentwickelt und verändert, kann diese Liste vielleicht in einem Jahr, in fünf oder in zehn Jahren ganz anders aussehen.

Von Anna von Rath und Lucy Gasser

Aufgrund der existierenden Diskurse zu manchen dieser Themen im Englischen werden im Deutschen oft englische Begriffe beibehalten. Dabei ist die Vertrautheit mit der englischen Sprache eventuell auch bildungs- und teilweise klassenbedingt. Andererseits sind politisch sensible Alternativen oft erst einmal umständlich und wirken sperrig. Diese Tatsachen sind symptomatisch dafür, dass wir in diesem Themenbereich eine Diskussionkultur aufbauen und sichtbar machen müssen. Es ist wichtig, ein Bewusstsein für aktuelle Schwierigkeiten zu schaffen und damit Diskussionen zu stärken, die wir haben müssen, wenn Sprache und Gesellschaft weniger sexistisch und heteronormativ werden sollen.

Daher erklären wir in diesen Beiträgen anhand einiger Schlüsselbegriffe und anhand von Beispielen, was wir momentan basierend auf unseren Recherchen beachtenswert finden. Dabei zählen wir uns selbst auch als Lernende in Bezug auf die Übersetzung von sensiblen Begriffen und beziehen uns auf die wichtige Arbeit von Lann Hornscheid, Kübra Gümüşay, Linus Giese und vielen weiteren. Zu Erklärungszwecken und um einigen sensibleren Ausdrucksweisen ihre potentiell elitären Elemente zu nehmen, werden im folgenden Text einzelne diskriminierende Begriffe reproduziert. Wir möchten Leser*innen mit den Erklärungen einladen, sich auf möglicherweise ungewohnte Bezeichnungen und Terminologien für einen respektvolleren Umgang miteinander einzulassen.

Die Autorinnen sind Anna von Rath und Lucy Gasser, Herausgeberinnen von poco.lit., promovierte Literaturwissenschafterlinnen im Bereich der Postkolonialen Studien und weiße, cis-gender Frauen.

1. Gegenderte Substantive

Die Tatsache, dass die deutsche Sprache allen Substantiven ein Geschlecht zuschreibt, stellt viele Probleme für eine Übersetzung mit Sensibilität für Gender dar. Dies zeigt sich besonders bei Nomen für die Berufsbezeichnung von Menschen. Im Englischen ist doctor geschlechtsneutral, während man sich traditionell im Deutschen für Arzt oder Ärztin entscheiden müsste. Damit ergibt sich implizit eine Geschlechterbinarität – die Person müsste entweder als weibliche Ärztin oder männlicher Arzt kategorisiert werden – eine Einordnung, die die beschriebene Person vielleicht lieber vermeiden möchte. Die Beschränkung auf nur zwei Optionen, männlich oder weiblich, spricht nichtbinären und inter-Personen ihre Existenz ab. Es gibt Beispiele, in denen dies noch expliziter ist als bei doctor, wie z.B. Krankenschwester. Während im Englischen sowohl doctor als auch nurse implizit gegenderte Konnotationen haben können, sind sie zumindest theoretisch ohne Geschlechtsspezifikation anwendbar. Diese Schwierigkeit der Übersetzung ins Deutsche wird durch die Verzerrung von Übersetzungsprogrammen noch verschärft. Bei der Eingabe des Begriffs researcher in ein Übersetzungsprogramm wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Wissenschaftler als Ergebnis ausgespuckt. In Deutschland gibt es immer noch viele Stimmen, die sagen, dass das generische Maskulinum angeblich alle Geschlechter mit einschließen soll. Übersetzungsprogramme und eine derartige Argumentation tragen also dazu bei, die zugeschriebene Neutralität des Maskulinums aufrechtzuerhalten und gleichzeitig bestimmte Jobs (wie Krankenschwester und Arzt oder Wissenschaftler), bestimmten Geschlechtern zuzuschreiben. Obwohl sich diese Diskussion schon ein bisschen wie ein alter Schuh anfühlt und sich im Deutschen bereits zahlreiche andere Schreibweisen wie etwa das Binnen-I, der Unterstrich, das Sternchen oder der Doppelpunkt etabliert haben, werden sie nach wie vor selten in Mainstream-Printmedien und noch seltener in der Mainstream-Sprechsprache verwendet. Die teilweise durchaus berechtigten Gegenargumente wiederholen sich: Zu aufwendig, die Texte werden zu lang, es sieht unschön aus und stört den Lese- bzw. Sprechfluss. Das Problem ist, dass dabei ignoriert wird, welchen Einfluss Sprache auf Rollenbilder hat und dass sowohl das generische Maskulinum als auch binäre Formen bestimmten Menschen schlichtweg die Existenz absprechen.

2. Partner

Die in Punkt 1 genannte Problematik verschärft sich, wenn es darum geht, die Mitglieder einer Partnerschaft zu beschreiben. Um nicht gleich das Geschlecht von der Person kundzutun, mit der die Beziehung geführt wird, und damit möglicherweise ungewollt Auskunft über die eigene Sexualität geben zu müssen, wird im Englischen mittlerweile häufig partner statt wife, girlfriend, husband, boyfriend, etc. verwendet. In der deutschen Übersetzung ist dieses Wort natürlich nicht so neutral oder uneindeutig, denn es wird entweder zu Partner oder Partnerin. Schriftlich kann leicht Partner*in verwendet werden und manche Menschen machen beim Sprechen eine kleine Pause beim Stern – wie ein Stolpern. Es ist weitaus komplizierter als im Englischen, aber eine flüssigere Alternative könnte Beziehungsperson sein.

3. they/them

Die Pronomen they/them benutzen im englischsprachigen Raum viele nichtbinäre Personen für sich, die sich weder mit dem Pronomen she/her oder he/him identifizieren können. In queeren Communities in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Pronomen, die sich allerdings (noch) nicht im Mainstream durchgesetzt haben, z.B. sif, sier oder xier. Sehr häufig werden die Pronomen they/them beibehalten. Alternativ kann in der deutschen Sprache stattdessen einfach das Pronomen umgangen und immer der Name der Person wiederholt werden: Es ist eine Lösung, die das Problem umgeht, aber zu einer sehr umständlichen Formulierung führen kann.
Andersherum ist es schwierig im Englischen deutsche Eigenheiten zu vermitteln. Hier bietet die stark geschlechtsspezifische Form der deutschen Sprache – sonst so oft ein Problem für gender-sensibles Übersetzen – tatsächlich Möglichkeiten für subversive linguistische Interventionen, die im Englischen so nicht möglich sind, wie zum Beispiel in dem Roman Biskaya von SchwarzRund: An einer Stelle schreibt SchwarzRund über eine Person, die sich entweder “mein Mama” oder “meine Papa” nennen lässt. Mit der grammatikalisch nicht korrekten Verwendung von Possessivpronomen wird das Normative der Geschlechterrollen aufgebrochen und drückt stattdessen eine queere Verspieltheit aus. 

4. Man

Man, oder mankind im Englischen wird oft benutzt, um die gesamte Menschheit zu beschreiben. Auch im Englischen ist das ein Relikt des sprachlichen Sexismus, denn es spiegelt die Norm des Maskulinums wieder, obwohl eigentlich human, humanity, oder humankind – also Mensch oder Menschheit auf Deutsch – gemeint sind und sich als Alternativen anbieten. Beim Übersetzen von Texten die man in diesem Sinne verwenden, sollte bewusst darauf geachtet werden, dass diese Problematik nicht unbedacht reproduziert wird, denn natürlich ist die direkte Übersetzung von man Mann.

5. One

Im Englischen ist one ein neutrales Pronomen (vergleichbar mit dem französischen on), das im alltäglichen Gebrauch für eine anonyme Person gilt. Zum Beispiel: “one cannot be sure…” gibt zu verstehen, dass etwas nicht mit Sicherheit zu wissen ist. Die Aussage würde im Deutschen höchstwahrscheinlich als “man kann sich nicht sicher sein” übersetzt werden. Der Ausdruck man im Deutschen wird immer wieder kritisiert, da er natürlich Mann als Assoziation hervorruft. Alternativ nutzen einige Leute nun mensch: “mensch kann sich nicht sicher sein”.

6. Coming out 

Mit coming out wird sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch die öffentliche Positionierung als lesbisch, bisexuell, trans*, inter*, queer, gender-nonconforming oder genderqueer bezeichnet. Dieser Begriff könnte auf Deutsch als herauskommen oder sich bekennen übersetzt werden, aber die englische Version hat sich in Deutschland etabliert. Dieser Begriff ist in keiner der beiden Sprachen völlig unstrittig, da das Coming Out – das sich bekennen – eine sehr heteronormative Angelegenheit ist. Es wird so lange davon ausgegangen, dass eine Person heterosexuell bzw. cis-geschlechtlich ist, bis sie sich öffentlich dazu bekennt, dass dem nicht so ist. Heterosexualität und cis-Geschlechtlichkeit werden also als Norm gesetzt.

7. Queer & Camp

Queer ist ein frühes Beispiel eines Begriffs, welcher zuerst als Beleidigung galt, dann aber von der angesprochenen Gruppe angeeignet und positiv besetzt wurde. Zunächst bedeutete queer seltsam oder ungewöhnlich, entwickelte sich aber im 19. Jahrhundert zu einer beleidigenden Beschreibung für homosexuelle Menschen und Praktiken. Inzwischen ist es ein Begriff des Empowerments, den Menschen, die sich gegen normative Gender- und Sexualitäts-Zuschreibungen positionieren möchten, für sich selbst verwenden. Ganz ähnlich ist es mit dem Begriff camp, der besonders in der britischen Kultur als positiv belegte Beschreibung für eine Art ironische Geschmacklosigkeit steht. Camp wird heutzutage positiv mit schwulen Ikonen und Performances assoziiert.  
Queer und camp sind Begriffe, die größtenteils als eingedeutscht verstanden werden können. Allerdings sind sie sicher nicht der breiten Masse der Gesellschaft vertraut und gewisse Übersetzungsprogramme schlagen für queer person immer noch “komische Person” vor. Und für camp entweder Zeltlager oder das beleidigende Wort tuntig, das affektiertes Verhalten von schwulen Personen lächerlich machen soll. Das heißt, bei unaufmerksamer Verwendung von Übersetzungsprogrammen könnte die hart erarbeitete Aneignung von beleidigenden Begriffen verloren gehen.

8. Transe

Transe ist eine beleidigende, deutsche Kurzform von dem Wort Transvestit. Es wird als Schimpfwort verwendet, und zwar nicht nur für trans-Personen, sondern auch für cross-dresser oder Menschen, die nicht dem normativen Bild einer Frau oder eines Mannes entsprechen.
Dieses Wort kann glücklicherweise nicht ins Englische übersetzt werden. Aber es besteht immer die Gefahr, dass Menschen, die eine Fremdsprache in dem jeweiligen Land von Mitmenschen lernen (und nicht in einer Sprachschule), beiläufig benutzte Beleidigungen aufschnappen und als “normales”, unproblematisches Wort verwenden.

9. Squirting

Squirting ist das englische Wort für das Freisetzen eines Sekrets in der Vagina bei sexueller Erregung. In der deutschen Übersetzung wird dieser Begriff einem Geschlecht zugeschrieben und als weibliche Ejakulation übersetzt. Diese Art der Übersetzung negiert die Existenz von Männern mit Vulva – also einiger trans-Männer, die ebenfalls squirten können. An dieser Stelle ist es vielleicht nützlich noch einmal zu erwähnen, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, die nicht durch Penis oder Vulva klar definierbar ist.  

10. Nicht-westliche Geschlechterkonzepte

In anderen Sprachkontexten gibt es verschiedene Konzepte, die über die Zweigeschlechtlichkeit hinausgehen, die in der deutschen Sprache so fest verankert ist. Diese Begriffe sind nur schwer oder gar nicht übersetzbar. Das Verständnis von Geschlechtern und ihr Ausdruck in Sprache beruht auf unterschiedlichen Wissenstraditionen oder Epistemologien. Ein Beispiel wären hijras in Südasien. Dies bezeichnet eine Art drittes Geschlecht. Hiermit werden intersex und transgender Menschen beschrieben.
Two-Spirit ist ebenfalls eine Bezeichnung für ein weiteres Geschlecht, das weder der Gruppe der Männer noch der Frauen zugeordnet werden kann. Two-Spirit fasst zusammen, dass zwei Seelen in einem Körper wohnen. Der Begriff wurde von Anishinaabeg – indigenen Gruppen – in Nordamerika geprägt. Als indigen werden unter anderem Gruppen bezeichnet, die bereits vor der Kolonisation Nordamerikas durch Menschen aus Europa dort lebten. Mit der Kolonisation wurde auch die Idee der Zweigeschlechtlichkeit durchgesetzt, der sich Two-Spirit widersetzt.
 

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