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©Liuxizi Yang

Ich fragte die Künstler*innen meiner Auktion: „Wenn ihr nur noch eine letzte Möglichkeit hättet in eurem Leben etwas nach eigener Vorstellung zu malen – was würdet ihr malen?“ Eine rhetorische Frage, auf die keine Antwort nötig war und ich auch keine hören wollte. Sie sollte nur das tiefe und inhärente Bedürfnis nach Kreation anregen.


 

Von Liuxizi Yang

„Art is not pie in the sky“. Das künstlerische Geschehen ist nie von unserer Gesellschaft getrennt, denn sonst würde es ohne unsere Teilnahme seine Bedeutung verlieren. Das Handeln von Kunst in Auktionshäusern erinnert mich an einen Traum, der auch eine Inspiration für meine Arbeit war.
Wie klingt „Kunstauktion“? Nach Privileg oder etwa wie eine Aufforderung an alle?
Teilnehmer*innen von Auktionen erhoffen sich eine Anerkennung ihrer Identität, aber in meiner Auktion hat sich jede*r mit Freude an der Kunst beteiligen können.

Vor vier Jahren hatte ich einen Traum: Ich befand mich in einem versiegeltem Museum namens „White Cube“, voll mit Menschen, die sich miteinander unterhielten. Alle waren verwirrt und hatten keinen blassen Schimmer darüber, warum sie Nummernschilder hielten. Auf einmal rückten unerwartet die Künstler*innen an, ich darunter. Wir waren alle von Kopf bis Fuß in blassweißer Schutzkleidung gewandt – die Gesichtsmasken so enorm, dass man darunter nicht erkannt werden konnte. Trotz der Uniformen waren wir an unseren unterschiedlichen Werkzeugen, Pinseln und Farben zu erkennen.
Stillschweigend standen wir vor einer riesigen Leinwand. Dann gab ich das Zeichen und wir begannen gemeinsam damit, die leere Wand zu bemalen. Nach einer gefühlten halben Stunde war das Werk vollendet und wir verließen den Raum. Ich trennte mich von der Gruppe und zog die Schutzkleidung aus. Darunter war bereits ein formaler Anzug. Ich stand hinter einem Pult, griff nach einem Hammer und eröffnete eine Auktion. Zu Ersteigern war die frisch bemalte Leinwand und alle waren herzlich eingeladen teilzunehmen. Allerdings durfte nicht die Leinwand als Ganzes, sondern nur einzelne Abschnitte ersteigert werden. Trotzdem kam es zum ein oder anderen Bieterrasen. Anschließend konnte dann auf der Stelle der entsprechende Abschnitt ausgeschnitten und mitgenommen werden.
Dieser Traum und die daraus entstandene Ausstellung ist Ausdruck meiner Perspektive auf die Kunstwelt.

Während der Versteigerung kam es zu vielen Überraschungen. Jemand hatte einen gleichmäßigen Preisaufstieg mit einer gewaltigen Überbietung gebrochen. Andere hatten sich beim Bieten in eine Art Tauziehen verbissen. Manche waren zögerlich und enthaltsam, einige sowohl zufrieden, als auch enttäuscht.
Ich selbst musste als Auktionatorin rapide reagieren und eilig erkennen, ob die Gebote noch offen oder bereits überholt worden waren. Zudem musste ich mich auch um die Stimmung kümmern und das Auktionstempo anpassen. Jede*r, egal ob vom Bieten begeistert, verbittert oder verwirrt, war involviert und bildete Teil des Geschehens. Die gesamte Komik unserer Menschheit war auf ein einziges Geschäft kondensiert: die Auktion.
Die Teilnehmer*innen, begeistert oder verwirrt, und die Zeug*innen, die sich auf den Gossip konzentrierten, sind alle involviert. Die Versteigerungen ziehen alle Augen auf sich, wie zum Beispiel als Basnky sein Kunstwerk zerstörte oder der plötzlich entstanden und rasend ansteigenden NFT-Markt. In Auktionen werden Kunstgegenstände mit Abermillionen und Milliarde Preisschildern verzettelt, um zum einen mögliche Käufer*innen anzuregen, aber zum anderen auch um Zuschauer*innen mit der Enthüllung einer „exakten“ Wertbestimmung zu verblüffen. Ist es denn wirklich möglich einen wertgerechten Preis für Kunst zu bestimmen? Millionen Seelen haben doch Millionen verschiedene Perspektiven und Weltanschauungen?

Auktionen, als Mittel der Preisermittlung und Eigentumsbestimmung, haben sich als Alternative zu den unzulänglichen konventionellen Möglichkeiten der Wertbemessung von Pionierwerken, wie zeitgenössische Kunstobjekte, bestätigt. Allerdings wird dabei der Preis, sobald Bieter*innen sich in einer Auktionshalle zusammenfinden, vom kollektiven Verhalten im direkten Wettbewerb und einer einhergehenden Eitelkeit beeinflusst. So gesehen sind Auktionen eines der effizientesten und direkteren Wege heutzutage ein Kunstwerk zu bewerten.
  • Action & Auction1 © Ying-Tzu Chen, Liuxizi Yang

    Performance “Action & Auction”, 3. Oktober 2021, Düsseldorf

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Eine traditionelle Auktion reduziert den Wert und die Aussagekraft eines Kunstwerks auf die Zahlen eines Preisschilds. Ich habe eine Auktion geplant, welche die wesentliche Eigenheit eines Kunstwerks, nämlich die Beziehung der Öffentlichkeit zum Werk und die gemeinsame Anteilhabe an seiner Aussage, als zentrale Bedingung fasst.
Stellen sie sich vor, wie Picasso in der Auktionshalle säße und miterleben würde, wie eines seiner Werke versteigert wird oder wie ein Meisterwerk Mondrians in farbfrohe Quadrate geschnitten und nach der Auktion in verschiedenen Häusern untergebracht wird. Wie wäre das Verhalten der Bieter*innen? Wäre der emotionale Bezug zu den Künstler*innen und deren Kunst größer? Gäbe es unter den Bietenden ein gemeinsames Zugehörigkeitsgefühl – vielleicht sogar eins als Kunstliebhaber*innen?
Ich fragte die Künstler*innen meiner Auktion: „Wenn ihr nur noch eine letzte Möglichkeit hättet in eurem Leben etwas nach eigener Vorstellung zu malen – was würdet ihr malen?“ Eine rhetorische Frage, auf die keine Antwort nötig war und ich auch keine hören wollte. Sie sollte nur das tiefe und inhärente Bedürfnis nach Kreation anregen.
Den Bieter*innen gegenüber habe ich vor dem Beginn der Auktion stark betont, dass diese Werke für die Künstler*innen hohen Wert tragen, denn sie sind die einzigartige Quintessenz ihrer künstlerischen Seele.
Das entstandene Gemälde ist eine Symphonie, dass die singulären Schwingungen der einzelnen Künstler*innen erklingen läßt.
Diese Auktion soll anders als alle anderen sein. Sie sollte Freude bereiten und barrierefrei zugänglich sein. Mit dieser Aktion vergegenwärtige ich meine Vorstellung, nach der jede*r an dieser "privilegierten" Aktivität teilnehmen und Kunstwerke mit nach Hause nehmen kann. Genau wie das Video zeigt: Jede*r nimmt an der Welt der Kunst teil.
Liuxizi Yang - Porträt © ©Liuxizi Yang Liuxizi Yang - Porträt ©Liuxizi Yang
Liuxizi Yang(Irina) ist in Yichang, China geboren. Sie studiert an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie befasst sich mit der Verbindung zwischen dem Fiktiven und dem Realen in der Kunst. Ihre Arbeiten umfassen graphic design, Performance und Video. 

 

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