Populismus
AfD, Lega Nord, Front National – Europas Populisten auf dem Vormarsch

Was haben die Populisten gemeinsam, die in Europa auf dem Vormarsch sind? Wer wählt sie? Wie sollten die traditionellen Parteien darauf reagieren? Im Rahmen der deutsch-italienischen Begegnungen auf dem Grünen Sofa gab es am 23. November im Goethe-Institut Rom eine angeregte Diskussion über Populisten.

Giovannini pensa anche all’altra parte dell’oceano. «Con il tweet della nipote di Trump i nazionalismi non sono mai stati così global. Lei ha scritto: finalmente sono stati sconfitti l’establishment, Wall Street e i media. Lo storytelling destra/sinistra è imploso ed è emerso il partito anti-sistema. E se i partiti di destra hanno inglobato la retorica no global, la sinistra sembra svuotata». Giovannini continua ragionando sull’«influenza di ogni tweet di Trump: è stata pazzesca. Ma si è visto che il 60% di quello che scriveva erano bufale».
Im deutschen Salon Roms moderierte Andrea Pipino von der Zeitschrift Internazionale eine Debatte zwischen Ludwig Greven, Politikredakteur für DIE ZEIT und Eva Giovannini (Journalistin, Autorin von Europa Anno Zero. Il ritorno dei nazionalismi).

Populismus und Migration

„Erst Marine Le Pen in Frankreich, dann der Brexit und am Ende auch noch Trump in den USA, ganz zu schweigen von Dänemark und Deutschland, Populismus gibt es überall. Deshalb frage ich Eva Giovannini: Vor anderthalb Jahren kam dein Buch ‚Europa Anno Zero. Il ritorno dei nazionalismi’ (Europa. Stunde Null. Die Rückehr des Nationalismus) heraus. Was würdest du verändern, wenn Du es heute neu schreiben müsstest?“

Mauern und die Wurzel mangelnder Zufriedenheit

„Als das Buch bereits im Druck war, wurde die erste Mauer in Europa hochgezogen. Urheber war damals Viktor Orbán in Ungarn, sie steht an der Grenze zu Serbien. Heute würde ich eine Liste der Mauern in Europa hinzufügen.“ Dann kommentiert die italienische Journalistin den Brexit. „Wer hätte je damit gerechnet? Irgendetwas ist aus dem Ruder gelaufen: Die Menschen identifizieren sich nicht mehr mit rechts oder links. Irgendetwas ist schief gelaufen, weil die neuen Generationen weniger verdienen als ihre Eltern. Die Ungleichheit ist die Grundlage eines Mangels an Zufriedenheit, der die Menschen die Flüchtlinge als den großen Feind erscheinen lässt. Wenn es eine wirtschaftliche Wende gäbe, würde diese Bombe meines Erachtens entschärft.“

Wer wählt diese Parteien

Ludwig Greven, Politikredakteur für DIE ZEIT fragt sich, wer die Wähler dieser neuen Bewegungen sind. „Nur ein Teil von ihnen ist arbeitslos oder prekär beschäftigt. Auch die Mittelklasse mit hohem Bildungsniveau, Handwerker und Selbständige gehören dazu. Einige Soziologen gehen in diesem Zusammenhang von einer globalisierten Kulturrevolution aus. Diese Wähler sind ausländerfeindlich, ohne dass es Ausländer in ihrer Umgebung gäbe. Ihre ängstliche Wahrnehmung muss aber ernst genommen werden.“

Überblick über die Bewegungen

Pipino gibt einen Überblick über populistische Bewegungen und berichtet über Le Pens neofaschistische Ausrichtung, während in Polen nach einer beruhigenden Wahlkampagne das Abtreibungsgesetz verschärft und die Pressefreiheit aufgeweicht wurden. In Ungarn ist die Regierungspartei nationalistisch. In Griechenland gibt es die Goldene Morgenröte, in Deutschland Pegida und die AfD. In Italien stehen Salvini und die Fünf-Sterne-Bewegung für den populistischen Radikalismus. Diese Bewegungen haben wichtige Gemeinsamkeiten: Unzufriedenheit mit der Brüsseler Verwaltung und die Idee, dass es einen starken Mann wie Putin an der Regierung braucht. Und Irritation über Veränderungen wie die Homo-Ehe.

Giovannini denkt auch an jenseits des Ozeans. „Mit der Twitter-Nachricht von Trumps Nichte zeigt sich ein nie dagewesener globaler Nationalismus. Sie schreibt: Endlich sind das Establishment, Wall Street und die Medien besiegt. Die Erzählungen der Rechten und der Linken sind implodiert und dabei ist die systemfeindliche Partei herausgekommen. Und während die rechten Parteien die globalisierungskritische Rhetorik übernommen haben, scheint die Linke völlig entleert.“ Abschließend fragt Giovannini nach dem „Einfluss einer jeden Twitter-Nachricht von Trump: Unglaublich. Obwohl 60 Prozent dessen, was er schrieb Enten waren.“
 
Für Ludwig Greven hatte die AfD in Deutschland „anfangs 3-4 Prozent. Dann hat die Bewegung sich auf die Migrationskrise konzentriert. In Deutschland herrscht Offenheit gegenüber Flüchtlingen, aber plötzlich hat sich die Situation verändert. Die Wurzeln dieser Bewegungen liegen auch im Bereich der Wirtschaft. Die reichen Länder im Norden Europas wollen nicht für diejenigen zahlen, die in Schwierigkeiten sind. Europa verspricht keinen Frieden, sondern ist zum Synonym für Verarmung und den Verlust von Werten geworden.“
 
Abschließend betont er die „Notwendigkeit, dass die Linke wieder auf die Basis hört. In Deutschland fühlen sich 80 Prozent der Menschen nicht von Populisten angezogen, in Frankreich kommt der Front National auf 35 Prozent, das heißt, dass die Mehrheit ihm nicht folgt. Nach dem Brexit-Schock und dem Trump-Erdbeben dürfen wir keine Angst haben, aber wir müssen reagieren. Wenn wir uns von Angst leiten lassen, haben wir schon verloren.“