Diskussion Die Manns – eine tschechische Geschichte

 © Goethe Institut

Mi, 26.10.2016

19:00 Uhr

Goethe-Institut

In Zusammenarbeit mit dem Humboldt Klub
 
Es diskutieren: Ivan Pfeifer (Humboldt Klub in der Tschechischen Republik), Vratislav J. Slezák (Übersetzer, zuletzt  Der Zauberberg/Čarovná hora), Milan Tvrdík  (Germanist und Übersetzer) und der Regisseur Jindřich Mann, Enkel Heinrich Manns.
 
Moderation: Jiří Peňás


Vor 80 Jahren, im Laufe des Jahres 1936, wurden die Schriftsteller Heinrich und Thomas Mann sowie einige ihrer Familienangehörigen Bürger der Vorkriegs-Tschechoslowakei. Die Situation war dringlich, denn beide gehörten in Deutschland zu den unerwünschten Personen.
 
Dass sie die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes annehmen konnten, war eine große Hilfe. Es war unter den damaligen politischen Verhältnissen jedoch alles andere als selbstverständlich. Um ihre Einbürgerung haben sich nicht nur Präsident Masaryk und sein Nachfolger Edvard Beneš, sondern auch die Repräsentanten der Kleinstadt Proseč im Pardubicer Land und dort allen voran Rudolf Fleischmann verdient gemacht, indem sie Heinrich und Thomas Mann mitsamt ihren Familien das Heimatrecht verliehen.
 
Schon vor diesen Ereignissen hatten beide Schriftsteller – zumeist anlässlich von Lesungen aus ihren Werken und Vorträgen –  die Tschechoslowakei besucht. Bald entstanden die ersten Übersetzungen ihrer Werke ins Tschechische. Die Übersetzungen Heinrich Manns erschienen früher, Thomas Manns Werk wurde jedoch öfter übersetzt und zieht auch heute noch die Aufmerksamkeit von Übersetzern auf sich. 2015 erschien auf Tschechisch der Roman Doktor Faustus (revidierte Fassung der Übersetzung von Hanuš Karlach). In diesem Jahr erschien dann der Roman Der Zauberberg unter dem Titel Čarovná hora in einer Neuübersetzung von Vratislav J. Slezák. 
 
Heinrich Mann war durch familiäre Beziehungen mit tschechischen Kreisen verbunden: Seine erste Frau, Marie Mann, geborene Kanová, war Tschechin. Aus ihrer 1914 geschlossenen Ehe ging die Tochter Leonie hervor. Nach der Scheidung übersiedelten Marie und Leonie nach Prag. Marie überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt, starb aber 1947 an den Folgen dessen, was sie dort erlitten hatte. Ihre Tochter Leonie heiratete nach dem Krieg den Schriftsteller Ludvík Aškenazy, aus dieser Ehe stammen die beiden Söhne Jindřich (1948) und Ludvík (1952).


Diskussionsteilnehmer:
Jindřich Mann
(geb. 1948 in Prag), Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller
Er entstammt der Schriftstellerfamilie Mann; sein Großvater war Heinrich Mann. Sein Vater war der Schriftsteller Ludvík Aškenazy, der bis 1968 mit seiner Familie in der Tschechoslowakei lebte. Nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings, emigrierte die Familie nach Westeuropa. Jindřich Mann konnte erst nach der Wende 1989 wieder in seine Heimatstadt zurückkehren. Seine Erinnerungen schildert er in seinem autobiographisch gefärbten Roman Prag, poste restante, der zuerst 2007 auf Deutsch erschien und 2012 auf Tschechisch.

Jiří Peňás (geb. 1966 in Prostějov), Kulturjournalist und Literaturkritiker
In den 90er Jahren arbeitete er für die Tageszeitungen Prostor, Mladá Fronta und Lidové noviny, später leitete er die Kulturrubrik der tschechischen Zeitschriften Respekt und Týden. Nach einigen Jahren in der Redaktion der Tageszeitung Lidové noviny schreibt er heute für die Zeitschrift Echo und seine Internetausgabe Echo 24. Im Jahre 2013 wurde er mit dem Ferdinand-Peroutka-Preis ausgezeichnet.

MUDr Ivan Pfeifer, CSc. (geb. 1944), Arzt, stellvertretender Vorsitzender des Humboldt Klub in der Tschechischen Republik.
In seiner beruflichen Laufbahn forschte er zum Thema Einfluss der Luftverschmutzung auf die Kindergesundheit. Ivan Pfeifer war im Gesundheitsministerium und an der Akademie der Wissenschaften im Bereich der Forschungsförderung tätig.  Dem Thema der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft von Heinrich und Thomas Mann widmet er sich langfristig, wie auch den deutsch-tschechischen Beziehungen.
 
Prof. Milan Tvrdík (geb. 1953), Germanist, Hochschullehrer und Übersetzer.
Er ist als Professor für deutsche Literatur am Institut für germanische Studien tätig. Er befasst sich mit deutschgeschriebener Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und aus den böhmischen Ländern. Er übersetzte das Werk von H.G. Adler, Klaus Merz, Josef Winkler oder Robert Menasse. Seit 1999 ist er der Präsident der Goethe-Gesellschaft in der Tschechischen Republik. 2013 wurde ihm das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Forschung überreicht.

Vratislav Jiljí Slezák (geb. 1932 in Neratovice), Übersetzer
Er studierte Germanistik und Polonistik an der Philosophischen Fakultät der Palacký-Universität in Olomouc. In den sechziger Jahren war er kurz im Kultusministerium tätig, danach arbeitete er hauptsächlich als Sprachlehrer an Hochschulen. Neben Werken von Hermann Hesse übersetzte er die Werke z.B. Peter Handkes, Walter Niggs, Thomas Bernhards, Heinrich v. Kleists, Friedrich Dürrenmatts, Heinrich Bölls, Gustav Meyrinks, neu Thomas Manns (Tod in Venedig, Der Zauberberg). 2013 wurde ihm der Staatliche Übersetzerpreis der Tschechischen Republik verliehen.


 

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