Berlinale-Blogger 2019
Die Hölle von Mesolongi

"To thávma tis thálassas ton Sargassón | The Miracle of the Sargasso Sea": Syllas Tzoumerkas
"To thávma tis thálassas ton Sargassón | The Miracle of the Sargasso Sea": Syllas Tzoumerkas | Foto (Ausschnitt): © Kiki Papadopoulou

In Syllas Tzoumerkas Film „The Miracle of the Sargasso Sea“ schlängeln sich Aale durch einen Provinzalbtraum.

Von Gerasimos Bekas

Seit ich Marianna Economous When Tomatoes met Wagner gesehen habe, beschalle ich meinen depressiven Basilikum-Topf mit griechischer Volksmusik und Rihanna. Er hat sich noch nicht entschieden, ob er weiterleben will oder nicht.
 
Heute steht erstmal Aal auf der Speisekarte. Tzoumerkas’ neuer Film, in vertrauter Besetzung mit Angeliki Papoulia, Youla Boudali und Christos Passalis, spielt unter anderem auf einer Aalfarm. Dort werden Aale, bevor sie zum Laichen in Richtung Sargassosee aufbrechen, gefangen.

Die Provinz als Hölle

Wir befinden uns in Mesolongi. Hier hat jeder seinen festgeschriebenen Platz und niemand kommt von der Stelle. Die Polizistin Elisabeth ist aus Athen hierher versetzt worden, flucht, säuft und nimmt es mit Regeln und der Moral nicht so genau. Rita, eine geschundene Seele, arbeitet in der Aalfarm und träumt davon zu fliehen. Ihr Bruder, ein koksender Coversänger aus dem Dorfclub, lässt sie nicht. Als er erhängt am Strand aufgefunden wird, kreuzen sich die Wege der beiden Frauen.
 

Brutales Paradies

Wir erleben zwei Frauen, die sich aus ihren privaten Höllen herauskämpfen wollen. Sie bewegen sich in einer verlogenen patriarchalen Gesellschaft, in der alle ihr Paradies auf Erden suchen. Viele sind dafür bereit, über Leichen zu gehen. Niemand ist glücklich.
 
Bei Tzoumerkas werde die Menschen zu Aalen, die sich durch die Grauzonen des Lebens schlängeln, rastlos und triebgesteuert. Hoffentlich sind Aale nicht ganz so wütend. Es ist ein brutaler Film ohne Sympathen. Der Krimi-Plot dient als Rahmen, eindringlicher ist jedoch das Symbolfeuerwerk mit Traumsequenzen. Keine leichte Kost, aber ein wichtiger Film. Immerhin weiß ich jetzt, was ich meinem Basilikum vorspiele: den griechischen Schlager “Stin avli tou Paradisou” (Im Garten Eden) in der Version von Christos Passalis, der im Film in Anschluss an seine Performance im Club eine wundervolle Hasstirade auf das Provinznest loslässt. Ob mein Basilikum das überleben wird, ist eine andere Frage.

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