Berlinale Blogger 2018
Ist die #MeToo-Debatte auf der Berlinale?

Inkan, gongkan, sikan grigo inkan | Human, Space, Time and Human
Inkan, gongkan, sikan grigo inkan | Human, Space, Time and Human | Filmstill © Kim Ki-duk Film

Inwieweit ist die #MeToo-Debatte auf der Berlinale ein Thema? Unsere Berlinale Blogger kommentieren.

Philipp Bühler
Philipp Bühler – Deutschland: In dem großartigen Romy-Schneider-Porträt  3 Tage in Quiberon sieht man, wie zwei Journalisten die temporäre Schwäche einer Frau ausnutzen – vielleicht der beste Beitrag zur Debatte, ganz ohne Sex. Weniger Skandalisierung, mehr Frauen in der Produktion wäre ganz allgemein mein Wunsch. Abgesehen davon könnte das Kino durchaus erotischer werden statt immer noch prüder und lustfeindlicher – ohne die Schattenseiten zu verschweigen.


Camila Gonzatto
Camila Gonzatto – Brasilien:
 Dieses Jahr waren 37,5 Prozent der auf der Berlinale gezeigten Filme Regiearbeiten von Frauen. Es ist noch ein langer Weg bis zur Geschlechtergerechtigkeit, doch die Debatte darum hat sicher zu einer Verbesserung beigetragen. Bei dem Ausschnitt an Filmen, die ich gesehen habe, konnte ich eine Zunahme weiblicher Protagonisten beobachten, mit starken und relevanten Figuren, was auch wichtig ist für die Konstruktion einer weniger stereotypen weiblichen Identität.
 

Grace Barber-Plentie © Foto: © privat Grace Barber-Plentie Foto: © privat
Grace Barber-Plentie – Großbritannien:
Die #MeToo-Debatte ist hier auf jeden Fall präsent, und für mich ist dabei das wichtigste Resultat, dass Männer anfangen, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Das merkt man etwa besonders deutlich an einer Szene in High Fantasy, in der ein männlicher Darsteller einen Monolog darüber hält, dass Männer alle nichts taugen. Als er daraufhin von einer Off-Stimme gefragt wird, ob er sich selbst auch dazurechnet, antwortet er „ja, unbedingt!“ und wiederholt seine Behauptung, dass ALLE Männer nichts taugen. Das ist zugegebenermaßen nur eine kleine Szene und ein kleiner Schritt, aber ich finde, hieran kann man sehen, dass Männer vielleicht gerade damit anfangen, sich selbst für ihre Taten verantwortlich zu fühlen und sich bewusst in die Diskussion miteinzubringen.


Sarah Ward
Sarah Ward – Australien:
 Wenn die #MeToo-Debatte mehr sein will als nur eine Vorzeigediskussion, die den Festivalplan schmückt, heißt die Devise ganz klar „Taten statt Worte“. Die Aufgabe der Berlinale ist es, Filme zu präsentieren, und mit deren Auswahl kann sie klare Zeichen setzen. Als derartig wichtiges Aushängeschild der Filmindustrie hat das Festival die Möglichkeit, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem es Filme von Regisseurinnen zeigt, bestimmte Stoffe bewusst auswählt und Panel-Veranstaltungen und Diskussionen entsprechend besetzt. Und auch mit dem, was sie bewusst ausklammert, kann die Berlinale ein wichtiges Statement abgeben.


Yun-Hua-Chen
Yun-hua Chen – China:
 Die Berlinale ist Mitorganisatorin des Seminars Closing the Gap („Die Lücke schließen“), wo Kreative und Produzenten darüber sprechen, wie man bis 2020 die Gleichstellung der Frau in der Filmbranche umsetzen kann. Auf der anderen Seite hat der im Bereich Panorama gezeigte Film Human, Space, Time And Human von Kim Ki-duk die #MeToo-Debatte und die Diskussion um Heuchelei beim Thema sexuelle Gewalt auch wieder angefeuert: Der Regisseur wurde jüngst beschuldigt, am Set von Moebius (2013) eine Schauspielerin sexuell belästigt zu haben und ist der Körperverletzung für schuldig befunden worden. Die offizielle Haltung der Berlinale in dieser Frage ist daraufhin erneut diskutiert worden.


Andrea D'Addio
Andrea D’Addio – Italien:
 Die Berlinale zeigt dieses Jahr viele Filme, in denen Frauen Hauptdarstellerinnen oder Regisseurinnen sind. Las herederas, Figlia mia, Real Estate, 3 Days in Quiberon, Utøya 22. Juli wurden allerdings geschrieben und produziert, noch bevor die Bewegung #metoo entstand. Sie sind ein Beweis dafür, dass es immer mehr Möglichkeiten für Frauen gibt, Filme zu machen oder zur Protagonistin zu werden. Hoffen wir, dass es auch in Zukunft so weitergeht.

Hikaru Suzuki
Hikaru Suzuki – Japan:
 Die #MeToo-Debatte ist in jedem Fall präsent auf der Berlinale. Im Film Human, Space, Time and Human von Kim Gi Duk gibt es beispielsweise krasse Szenen sexueller Gewalt, über die Berlinale-Besucher sprechen. Die Regisseurin Naris Nejar thematisiert in Apatride die Unterdrückung von Frauen im Grenzgebiet zwischen Marokko und Algerien. Es bleibt abzuwarten in welchem Maß diese Filme und die Berlinale die #MeToo-Debatte vorantreiben.  

Gerasimos Bekas
Gerasimos Bekas – Griechenland:
Die #metoo-Debatte ist für die Berlinale das, was Komparsen für ein Filmset sind. Ohne geht es nicht, aber so richtig ernst nehmen muss man sie trotzdem nicht. Sie stehen im Weg. Im Vorfeld wurde deutlich, dass die Macher der Berlinale vor allem eines verstanden hatten: wer die Debatte komplett ignoriert, kriegt schlechte Presse. Deshalb wurde ihr viel Raum zugesprochen. Gemerkt habe ich davon nichts.
 

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