Boden als Ressource
„Verbietet das Bauen!“

Flughafen Berlin-Brandenburg
Flughafen Berlin-Brandenburg | Foto: Daniel Fuhrhop

Tag für Tag verschwinden in Deutschland rund 74 Hektar Freifläche unter Beton und Asphalt, ökologisch wertvoller Boden wird zu Bau- und Straßenland. Daniel Fuhrhop formuliert mit seiner Initiative „Verbietet das Bauen!“ einen Lösungsvorschlag. Seit 2013 dokumentiert er in einem Blog die Folgen des ungebremsten Neubaus und zeigt, wie es anders gehen könnte.

Daniel Fuhrhop, der sich mit seinem Blog „Verbietet das Bauen!“ für einen komplettes Bauverbot einsetzt, war früher Architekturbuchverleger. Über 15 Jahre lang warb er für Neubauten. „Ich liebe Architektur und freue mich über schöne Gebäude“, erklärt der Aktivist. „Gerade weil ich mich seit Jahren intensiv mit Bauen und Architektur beschäftige, bin ich heute überzeugt: Neubau ist nicht mehr zeitgemäß. Denn Neubauten sind teuer, sie schaden der Umwelt und sind Gift für gewachsene, lebendige Viertel. Wenn wir leerstehende Gebäude umbauen und alle Flächen effizienter nutzen, brauchen wir nicht neu zu bauen.“ Zersiedelte Landschaften, wachsende Verkehrsströme, verödete Innenstädte seien die Folge von immer neuen Shoppingcentern und Siedlungen auf der „Grünen Wiese“. Teure Neubauten in der Stadt würden die Mieten in die Höhe treiben, während gleichzeitig das Geld für die Sanierung bestehender Gebäude fehle.

Berlin Tempelhof Berlin Tempelhof | Foto: Daniel Fuhrhop Daniel Fuhrhop ist davon überzeugt, dass zum guten Zusammenleben in den Städten auch Freiräume gehören. Mit dieser Ansicht steht er keineswegs allein. So möchte das Bündnis Bremer Bürgerinitiativen erreichen, dass 99 Freiflächen in ihrer Stadt durch ein Ortsgesetz vor Bebauung geschützt werden. Und die Berlinerinnen und Berliner erteilten dem Plan, das Tempelhofer Feld und damit eine der größten und beliebtesten Freiflächen der Stadt zu bebauen, per Volksentscheid im Mai 2014 eine deutliche Abfuhr.

Büroturm wird zum Wohnhaus

Ob der Bedarf an Wohnungen tatsächlich ohne Neubau zu decken ist, kann man bezweifeln. Doch fest steht: Das Potenzial, das in Umnutzungen bestehender Gebäude steckt, ist noch längst nicht ausgeschöpft. Beispiel Frankfurt am Main: Wohnungen sind knapp, während gleichzeitig hunderttausende Quadratmeter Büro- und Gewerbefläche leer stehen. Ein Büroturm in der Lyoner Straße im Stadtteil Niederrad wurde nun in ein Wohnhaus mit fast 100 Appartements umgebaut – ein Auftakt für die Umwandlung einer stellenweise verödeten Bürostadt in ein lebendiges Viertel. Auch ein lange leer stehendes Parkhaus in Münster beherbergt nach einem Umbau inzwischen Laden- und Büroräume sowie Wohnungen. 

Leerstand in Bochum Leerstand in Bochum | Foto: Daniel Fuhrhop Weniger individuelle Fläche, dafür mehr Raum für die Gemeinschaft: Nach diesem Prinzip vermieten verschiedene Wohnungsgenossenschaften, darunter die Wogeno München, vergleichsweise kleine Wohnungen, die aber durch großzügige Gemeinschaftsbereiche zum Kochen oder Feiern und Gästeappartements für Besucher ergänzt werden. Ein weiteres Beispiel von Flächeneffizienz sind die Tauschprogramme mit Umzugsbonus, die manche Wohnungsunternehmen ihren Mietern anbieten. So kann die alleinstehende Seniorin ihre zu groß gewordene Wohnung einer Familie mit Kindern überlassen und in eine passende kleinere Wohnung ziehen, ohne dass ihr dadurch finanzielle Nachteile entstehen.

Aufschub für neue Wohnbauprojekte

Nachhaltig bauen bedeutet für Michael Kopatz vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie vor allem: weniger bauen. Innovative Materialen und Techniken führten zwar zu Energieeinsparungen im Bereich Bauen und Wohnen. Doch dieser Einspareffekt werde durch ungebremsten Neubau und die steigende Wohnfläche pro Einwohner weitgehend wieder aufgehoben. „In vielen Regionen Deutschlands sinkt die Bevölkerungszahl. Trotzdem werden ständig neue Siedlungs- und Gewerbeflächen ausgewiesen“, sagt Michael Kopatz. Er schlägt deshalb ein „Wohnflächenmoratorium“ vor: „Kommunen mit stagnierender oder sinkender Einwohnerzahl bewilligen keine Wohnneubauprojekte mehr. Das erhöht den Anreiz, mit dem bestehenden Gebäudebestand besser zu wirtschaften. Schließlich stehen in Deutschland von knapp 40 Millionen Wohnungen 3,5 Millionen leer.“ Sein Vorschlag sei administrativ leicht umzusetzen, allerdings fehle der politische Wille dafür.

Planspiel Flächenhandel

Böden stellen Nahrung, Futtermittel und nachwachsende Rohstoffe bereit, sie filtern Schadstoffe, binden Nährstoffe und sichern als Wasserspeicher die Trinkwasserversorgung. Um die Ressource Boden besser zu schützen, möchte die Bundesregierung die Versiegelung von Flächen für Siedlungen und Verkehr bis zum Jahr 2020 von den aktuellen 74 Hektar auf 30 Hektar pro Tag verringern. Das Umweltbundesamt unterstützt dieses Ziel mit dem „Planspiel Flächenhandel“, einem Modellversuch, der 2015 in die entscheidende Phase geht. Rund 80 Kommunen in Deutschland nehmen teil. Die Spielregeln: Ein Flächensparziel wird in Form von Zertifikaten verbrieft und auf die teilnehmenden Kommunen verteilt. Wer bisher ungenutzte Flächen zu Bauland machen will, muss die entsprechende Menge an Zertifikaten dafür aufbringen. Für die Bebauung innerörtlicher, bereits erschlossener Flächen sind keine Zertifikate erforderlich. Die Zertifikate sind zwischen den Kommunen frei handelbar, die Einnahmen aus ihren Verkäufen können zum Beispiel für die Innenentwicklung verwendet werden.

Fassadenschwindel in Bremen Fassadenschwindel in Bremen | Foto: Daniel Fuhrhop Ob effiziente Flächennutzung, Umzugsbonus oder Zertifikatehandel: Wer anfängt, nach Alternativen zum Neubau zu suchen, findet erstaunlich viele. Die Forderung von Daniel Fuhrhops Initiative, das Bauen komplett zu verbieten, mag vorallem eine Provokation sein. Aber schon Albert Einstein wusste: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“