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Neue Perspektiven für Unternehmen
Projektabschluss Horizonte 2023

Horizonte: Gruppenfoto der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
© Goethe-Institut

Seit 14 Jahren ermöglicht das Trainingsprogramm Horizonte Akademiker*innen aus der MENA-Region für einige Wochen in einem deutschen Unternehmen zu hospitieren. Am 17. November kamen in Berlin alle Projektbeteiligten zusammen, um Bilanz zu ziehen und das Programm 2023 feierlich abzuschließen. 

Von Elske Brault

„Maßstab für wertschätzende Unternehmenskultur“, das ist für die Journalistin Amina Younis aus dem Libanon das Horizonte-Programm des Goethe-Instituts. Als eine von sieben Teilnehmer*innen feierte sie in Berlin den Abschluss ihrer erfolgreichen Hospitation bei einer deutschen Firma. In der Schankhalle am Pfefferberg waren Hospitant*innen, Alumni und Alumnae, Vertreter*innen der teilnehmenden Firmen, des Goethe-Instituts, der Projektpartner*innen und des Auswärtigen Amts zusammengekommen, um nach sechs Wochen der Zusammenarbeit Bilanz zu ziehen. Die eigentlichen Gewinner sind die Firmen: Das Know-How der jungen Akademiker*innen aus den diesjährigen Projektländern Irak, Jordanien und Libanon bricht deutsche Routinen auf und verschafft dauerhafte Kontakte in eine Wirtschaftsregion, die längst auf erneuerbare Energien statt auf Öl setzt.

Seit 14 Jahren ermöglicht das Goethe-Institut mit „Horizonte“ Akademiker*innen aus der MENA-Region (Naher Osten und Nordafrika), sechs Wochen in einer deutschen Firma zu hospitieren. Mit Ingenieuren aus dem Irak fing es an, mittlerweile nehmen mehr Frauen als Männer teil. Das Verhältnis im aktuellen Jahrgang war 5:2, die meisten davon aus Jordanien. Eine Brücke zwischen Berlin und der jordanischen Hauptstadt Amman schlägt die Software-Firma Rockware  – mit einem Büro auf dem Campus der Universität. Firmenchef Oliver Gebert ist beeindruckt von der Verlässlichkeit und dem Engagement vor allem der Bewerberinnen. „Die jungen Frauen sind viel selbständiger als die meisten Männer, sie erkennen aktiv, welche Arbeiten zu erledigen sind, kommen zu einem ins Büro und sagen: Das hier wird ein Problem, soll ich mich drum kümmern?“ Hanna Al-Dineh, Alumna des Horizonte-Jahrgangs 2020, hat in Amman viele Powerfrauen getroffen: „Es ist ein Land, in dem Frauen jeden Tag beweisen müssen:  Ich bin genau so gut wie alle anderen und habe die gleichen Kenntnisse. Deswegen müssen sie mit einer raueren Schale kommen.“ Und die Jordanierin Dana El-Khushman bestätigt: „Unsere Schulen und Universitäten sind hart, wirklich hart, und wir müssen uns hochkämpfen.“
 

Die Architektinnen Dana El-Khushman und Rama Al-Ajalin waren aus Jordanien nach Frankfurt gereist, um für das Architekturbüro Albert Speer + Partner an einem Projekt in Saudi-Arabien mitzuwirken. Beide lachen, als sie das erzählen.  „Wir können in der Planungsphase von überall her arbeiten,“ sagt Rama, „Zoom-Konferenzen mit 120 Teilnehmer*innen sind keine Seltenheit.“ Und Dana ergänzt: „Albert Speer + Partner engagieren sich seit 1980 in der Golfregion. Damals gaben Firmen dort vor allem Gebäude in Auftrag, die Wahrzeichen sein sollten, Popstars der Stadtarchitektur. Das ist vorbei, Umweltaspekte beherrschen jetzt die Entscheidungen.“

Das bestätigt auch Oliver Oehms, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer und zugleich Delegierter der Deutschen Wirtschaft für den Irak. Der Irak als klassischer Öllieferant sei einerseits hinter der weltweiten Entwicklung zurück, erklärt Oehms: Das  Bankwesen sei noch wenig digitalisiert, der Buchhalter bringe jede Woche Papierstapel zur Bank wie in Deutschland vor 15 Jahren. Aber andererseits sei die Aufbruchsstimmung im ganzen Land zu spüren: „Die Resilienz und der Optimismus im Irak, die Bereitschaft, anzupacken, nötigen mir viel Demut ab.“

Diesen Optimismus strahlt auch Rahel Mzwri aus: Der junge irakische Sicherheitsmanager hat bei dem Spezialchemieunternehmen Evonik in Essen Einblicke in den Aufbau einer eigenen Werksfeuerwehr gewinnen können. Der Unterschied zwischen einem Chemieunternehmen in seiner Heimat und Evonik in Essen? „In Deutschland riecht die Chemie nicht.“ Das mag an höheren deutschen Sicherheitsstandards liegen oder daran, dass Evonik die Umweltverträglichkeit der eigenen Produkte beständig zu verbessern sucht.  Rahel berichtet auf dem Podium der Abschlussveranstaltung, dass er nicht nur Arbeits-, sondern auch Lebenserfahrung gesammelt und vor allem seine Kochkünste weiterentwickelt habe. Was ist für ihn die wichtigste Erkenntnis aus dem Austausch mit den deutschen Angestellten? „Man sollte Ahnung haben von der Arbeit der andern.“ Für seinen Evonik-Mithospitanten Alaa Shaker, Maschinenbauingenieur aus Jordanien, ist es bereits der zweite Aufenthalt in Deutschland: Im Rahmen seines Studiums an der Deutsch-jordanischen Universität hatte er ein sechsmonatiges Praktikum in Höxter gemacht. Dort jedoch stand er stets allein im Labor. Bei Evonik hat er neben der guten Zusammenarbeit besonders das gemeinsame Mittagessen mit den Kolleginnen und Kollegen geschätzt: „Das gibt es in Jordanien nicht.“ Witzig fand Alaa, dass man in Deutschland offenbar zu jeder Tageszeit mit „Mahlzeit“ grüßen kann, auch wenn gar nicht gegessen wird.
 
Beim gemeinsamen Imbiss nach der Abschlussfeier war die Verbreitung Künstlicher Intelligenz das beherrschende Gesprächsthema. Die Hospitantin der Software-Firma Rockware, Nadine Batarseh, hat bereits in ein KI-Projekt eigene Ideen mit eingebracht. Sie möchte ein Netzwerk für jordanische Frauen in Deutschland gründen. „Ich mache neue Sachen außerhalb der Komfortzone“, sagt Nadine. Damit gibt sie den Weg vor, der deutsche mittelständische Unternehmen aus der von Coronakrise und Krieg erzeugten Unsicherheit führen könnte: Investitionen beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten mögen als Wagnis außerhalb der Komfortzone erscheinen, aber „die VAE setzen schnell um, in einem bewundernswerten Tempo“, versichert der Geschäftsführer der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer, Oliver Oehms. „Ganz im Gegensatz zur deutschen Bürokratie, die 15 Monate braucht, um 15 Leitz-A4-Ordner anzulegen.“ Die Hospitierenden des Horizonte-Programms sind dabei Botschafter deutscher Unternehmenskultur und zugleich in ihren Ländern Ansprechpartner*innen für das wirtschaftliche Wachstum deutscher Firmen im Nahen Osten. Oder sie helfen, den Fachkräftemangel in Deutschland auszugleichen: Mehrdad Dehkordi aus Teheran kam 2017 als Horizonte-Hospitant nach Deutschland, zuvor hatte er selbständig zwei Jahre Deutsch gelernt und sich in die Schriften von Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer vertieft. Heute wohnt der Horizonte-Alumnus in Berlin und arbeitet für die deutsche Telekom. Mehrdad spricht fließend deutsch, englisch, französisch und persisch, zusätzlich hat er arabisch gelernt und beherrscht es so weit, dass er die Verlegung von Glasfaser-Kabeln in Ägypten betreuen kann. Er schafft damit ganz praktisch jene Netzwerke, die globale Kommunikation möglich machen. Für 2024 warten viele neue hoch motivierte Horizonte-Bewerber*innen darauf, deutsche Firmen mit ihren Kenntnissen und ihrer Perspektive zu bereichern.


 

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