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Blog #8
Eine Busfahrt die ist lustig, eine Busfahrt die ist schön… - Der Lehrerausflug

Vor einem Monat stand der Lehrer*innenausflug an, auf den alle sehnsüchtig warteten. Ich wusste nur so viel: wir würden zwei Stunden Bus fahren zu unserem ersten Ziel und am Abend in ein Restaurant gehen. Und ich sollte etwas zu Essen für die Fahrt mitbringen.

Gemacht, getan – so kam ich Samstagmorgen mit meiner Tasche voller Schokoladenpfannkuchen in der Schule an. Klingt super fettig, war es auch. Aber kein Problem – hier ist alles Essen meist sehr fettig. Es warteten bereits zwei Busse, die sich nach und nach mit 100 Lehrer*innen und dem Schulpersonal füllten. Um 10 Uhr ging es los, da wurde auch direkt das erste Essen rumgereicht – fettige warme Brote, gefüllt mit Kartoffeln. Gefühlt war ich da schon satt, aber dies war natürlich erst der Anfang. Nach einer halben Stunde bekam ich meine ersten zwei Schnäpse und einen Wein – Alkohol trinken können die Georgier*innen wirklich überall und immer, das gehört einfach dazu! Natürlich hob der “leichte” Alkoholeinfluss die gute Stimmung nur noch mehr. Ich hätte nie gedacht, dass man auf einer Busfahrt so viel essen und trinken kann, und ein Bauch das (zum Glück!) vertragen kann – aber man lernt ja nie aus.
Neben dem leckeren und vielen Essen und Trinken gab es traditionelle georgische Gesänge – die Musiklehrerin hatte ihre Gitarre dabei und so sangen und tanzten alle im Bus.

  • Busfahrt © Hanna Schnittger
  • Busfahrt © Hanna Schnittger
Kirchen ohne Ende

Irgendwann waren alle satt und wir erreichten unser erstes Ziel – eine Kirche. Natürlich trugen alle Lehrerinnen Röcke, weil man in den meisten orthodoxen Kirchen als Frau keine Hose tragen darf. Hier wurde uns dann auch erzählt, wie der Tag aussehen würde: drei Kirchen besichtigen und danach in ein Restaurant gehen. Kirchenbesichtigungen sind hier in Georgien wirklich DAS Ding, vor allem, weil es unzählige Kirchen gibt. Ich habe noch nie ein so hohes Kirchenaufkommen wie hier in Georgien gesehen. Egal wohin man guckt, man sieht gefühlt immer eine Kirche oder eine kleine Kapelle.

Neben den Röcken ist ein Kopftuch für Frauen ebenso Pflicht in den Kirchen – deshalb gehe ich nur noch mit einem Schal in meiner Tasche aus dem Haus – falls man mal eine Kirche spontan besichtigen mag, was hier eigentlich immer passiert, wenn man unterwegs ist. Meine Lehrerin ahnte nicht, dass ich an ein Tuch gedacht hatte, deshalb hatte sie mir als Geschenk und Andenken an den Ausflug ein Tuch mitgebracht. Sehr süß!

Die erste Kirche war sehr alt und beeindruckend – das ist alles, was ich dazu noch sagen kann, da es mir leider nicht möglich war, die georgischen Erklärungen zu verstehen.

Ein kleiner Exkurs über georgische Kirchen: Orthodoxe Kirchen hier in Georgien sind nicht so pompös, wie ich es erwartet hätte. Die Wände und Decken sind in den meisten Fällen und vor allem in den alten Kirchen sehr schlicht gehalten. An den Wänden hängen überall Bilder von Heiligen, die bei dem Kirchenbesuch geküsst werden. Darunter stehen Säulen mit Sand, in die die Kerzen gesteckt werden, die man sich im Eingang oder vor der Kirche kaufen kann. Und in jeder Kirche riecht es nach Weihrauch, ich liebe diesen Geruch, das gibt mir immer ein so gemütliches Gefühl. Auch wenn es super kalt in den Kirchen ist, dabei wird mir immer ganz warm ums Herz.
Georgische Kirche
© Hanna Schnittger

Armküsse und Walnüsse

Zurück zum Ausflug. Nachdem auch ich einige Kerzen angezündet hatte (um ehrlich zu sein habe ich das Prozedere nicht ganz verstanden und hab mir einfach den Heiligen danach ausgesucht, wo die meisten Menschen standen, um am wenigsten aufzufallen) und alle fertig waren, fuhren wir zur nächsten Kirche. Vom Aussehen her war sie deutlich unspektakulärer als die erste Kirche, aber hier wurde es deutlich interessanter.

Zuerst kamen wir in der Kirche an und ich sah, wie sich alle in einer Schlange anstellten. Zum Glück war meine deutschsprechende Kollegin wieder an meiner Seite, die mir erklärte, dass der Schulpriester allen Lehrer*innen einen Segen gibt. Ich war ziemlich aufgeregt, weil ich immer sehr beäugt werde von den meisten, wenn ich etwas für mich unbekanntes mache. Und das war definitiv sehr neu! Als ich dran war, war es dann auch gefühlt sehr schnell vorbei: der Priester sprach den Segen (denke ich zumindest) auf Georgisch und pinselte mir ein Kreuz mit Öl auf die Stirn. Danach musste ich seinen Arm küssen, als Zeichen des Respekts – so wurde es mir zumindest erklärt. Danach tat ich das, was alle taten: ich verstrich das Öl einfach in meinem kompletten Gesicht.

Dann ging es raus vor die Kirche, wo alle Menschen gebückt rumliefen. Irgendwann erkannte ich, was sie machten: vor der Kirche stand ein Wallnussbaum und alle sammelten und aßen die Wallnüsse. Wow, sie waren so frisch und so lecker! Wallnüsse sind hier gefühlt ein Grundnahrungsmittel. In so vielen Gerichten findet man sie: in Salaten, Vorspeisen, Nachtisch, im Fisch, im Fleisch … Einfach überall!
  • Walnüsse © Hanna Schnittger
  • Auf dem Weg zur Kirche © Hanna Schnittger
Zweite Kirche von drei … Also musste es noch zur letzten Kirche gehen. Wir fuhren wieder mit dem Bus – das Essen und Trinken auf der Fahrt hörte nicht auf.

Leider wurde das Wetter immer schlechter, es regnete und windete. In Röcken für uns Frauen ziemlich doof. Bei der letzten Kirche wurden wir im Dorf abgesetzt und mussten zum Klosterkomplex 15 Minuten durch Schlamm laufen – wir sahen aus! Hinterher wurden 10 Minuten zum Schuheputzen eingesetzt.
Auf einem Hügel erwarteten uns das Kloster und die Kirche. Meine Kollegin erzählte mir, dass der Schulpriester dabei ist, es eigenständig wieder aufzubauen. Das war wirklich ziemlich beeindruckend. Und er war sehr stolz, uns alles zu zeigen. Oben verbrachten wir einige Zeit mit Fotoshootings und machten uns dann auf zum Restaurant.
  • Klosterkirche © Hanna Schnittger
  • Auf dem Weg zur Klosterkirche © Hanna Schnittger
  • Auf dem Weg zur Klosterkirche © Hanna Schnittger
  • Dali und ich © Hanna Schnittger
Essen ohne Ende!

Was uns dort erwartete, übertraf alle meine Erwartungen! Wir kamen in einem riesigen Restaurant an, in dem fünf Tische für uns gedeckt warteten. Voll mit Essen, Limonaden und Wein. Ich war so beeindruckt und dachte, das wäre es – und es wäre komplett genug gewesen! Aber leider waren diese Massen an Essen nur unsere Vorspeise. Leider klingt vielleicht, wenn man über Essen spricht, ein bisschen merkwürdig, aber glaubt mir, ich habe noch nie in meinem Leben so viel gegessen wie bei diesem Restaurantbesuch, und ich war noch nie so (unangenehm) voll. Wir starteten mit den Vorspeisen und alle halbe Stunde wurden mindestens zwei neue Gerichte gebracht. Wir kamen um 16 Uhr an und blieben bis 21 Uhr – fünf Stunden nonstop essen und Wein trinken.

Der Tamadar

Wie es sich für Georgien gehört, hatte jeder Tisch einen Tamadar, der Schuldirektor war der Haupttamadar. Ich hoffe, jede*r fragt sich jetzt, was ein Tamadar ist! Ich möchte jetzt gerne mein erlerntes Wissen mit euch teilen. Ein Tamadar ist der sogenannte “Toastmaster”. Er ist der einzige am Tisch, der den Menschen erlauben kann, zu trinken. Er spricht dafür die Toasts aus und jeder hebt das Glas, danach sollte das ganze Glas Wein ausgetrunken werden. Die Pflicht für einen guten Tamadar sind 14 Toasts. Wie schafft es der Tamadar, so viel Wein auszuhalten? Mit Glück und Können wahrscheinlich! Es gibt immer einen Ersatztamadar, der zur Not einspringen kann, wenn der Haupttamadar betrunken ist. In Dörfern und kleinen Städten gibt es sogar bekannte Tamadare, die die Leute für ihre Feiern buchen. Wenn der Tamadar einen Toast ausspricht, steht er auf. Der erste Toast ist IMMER für Gott! Danach für alles: Familie, Georgien, Freunde, die Schule, das Wetter, Danksagungen etc. Alle anderen Männer am Tisch stehen ebenfalls auf, die Frauen bleiben sitzen. Und eigentlich ist es so, dass nur getrunken wird, wenn der Tamadar einen Toast ausspricht. Es kann übrigens nur ein Mann der Tamadar sein, keine Frau!
Bei uns wurde irgendwann einfach getrunken, wann man wollte, 14 Toasts sind einfach über den Abend verteilt zu viele!

Irgendwann sprach der Schuldirektor auf Englisch – alle guckten mich an und meine Kollegin meinte ganz hektisch, dass dieser Toast für mich sei. War mir natürlich klar, weil ich den ganzen Tag sonst nix verstanden hatte. Der Schuldirektor sprach dann einen ganz netten Toast für mich und stellte mich allen vor. Ich sollte dann auch noch was auf Englisch sagen. Mit einem Mikrofon und nach zehn Toasts! War ein bisschen unangenehm, aber ich habe es geschafft! Ich habe nur irgendetwas falsches gemacht, vielleicht hätte ich nicht Prost (gaumarjos) sagen dürfen, ich weiß es nicht, ich wurde auf jeden Fall komisch angeschaut.

18 Gerichte und mehr

Dann ging es natürlich den ganzen Abend weiter mit Essen und irgendwann wurde die Disko eröffnet. Alle tanzten, es gab georgische traditionelle Tänze und sogar eine Facebook-Tanz-Challenge mit einer anderen Schule.

Es gab, was das Essen anging, kein Ende und ich habe nach 18 verschiedenen Gerichten aufgehört zu zählen. Ich versuchte, nett abzulehnen, aber das kam nicht an und ich musste einfach alles probieren – typisch georgische Gastfreundschaft. Hier mal einen kleinen Einblick, was es gab: klassische georgische Brotgerichte, Bohnengerichte, mein Lieblingsessen Pkhali (Spinatpaste mit – was auch sonst - Walnüssen), Käse ohne Ende, Käse in Käse eingewickelt, Salate, Schaschlik, Kebab, Buletten, Würstchen, gebratene Kartoffeln, Gemüse in allen verschiedenen Formen (gebraten, gekocht, gefüllt), Torten und Obst und so so viel mehr!!!

Später am Abend fingen auch alle an, wieder georgische Lieder zu singen.
  • Im Restaurant © Hanna Schnittger
  • Tanzen im Restaurant © Hanna Schnittger
Wow, der Ausflug war so spektakulär und ich bin so froh, dass ich dabei sein durfte! Eine gute Sache hatte der Ausflug auch: die Lehrer*innen kannten mich nun zum Großteil und begannen ab sofort, mehr mit mir zu interagieren – reden zwar nicht, aber seitdem essen wir zusammen und probieren mit Händen und Füßen zu kommunizieren.

Leider wurde unser Busfahrer am Ende in Tbilisi noch von der Polizei angehalten, weil er falsch gehalten hatte, um uns aus dem Bus zu lassen. Er musste 100 Lari Strafe zahlen – ganz schön viel für hier. Das Geld sammelten wir alle zusammen und gaben es ihm.

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