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Blog #4
Die größten Wellen der Welt

Die Legende
In einem kleinen Fischerort namens Nazaré, das direkt an der rauen und sehr steilen Atlantikküste im Centro de Portugal liegt, gibt es eine Legende, die seit mehreren Generationen weitererzählt wird.
Einst in einer neblig kalten Abenddämmerung ritt ein Jäger auf seinem Pferd einem monströsen Hirsch an der Atlantikküste, in der Hoffnung diesen zu fangen, hinterher. Stundenlang jagte der Jäger das angsteinflößende riesige Tier und galoppierte auf eine gefährliche Brandung zu, die er im Nebel nicht erkannte. Der Hirsch, der mit seinem gewaltigen Geweih und seiner beeindruckenden Schnelligkeit nicht zu fangen schien, verschwand im dichten Nebel. Der Jäger und sein Pferd rannten orientierungslos direkt auf die steile Klippe zu, an der ein grauenvolles Ende lauerte, denn diese hohe Brandung riss jeden in den Tod. Doch das Leben sollte für den Jäger noch nicht zu Ende sein, denn kurz bevor Pferd und Reiter in den Abgrund stürzen sollten, erschien Mutter Gottes am Himmel und lies das Pferd aufsteigen, sodass beide mit einem Schrecken davonkamen.
Bis heute munkeln die älteren Bewohner*innen von Nazaré, dass der außergewöhnlich riesige Hirsch, der die steile Brandung hinunterfiel, jedes Jahr zum nebligen Winteranfang, an der die See besonders rau ist und ein bitterkalter Wind durch die Küste fegt, zurückkommt. Seither kehrt das Tier in Form einer gigantischen Welle zurück und lässt sich nur von einem Jäger, der seiner Schnelligkeit und Stärke würdig ist, bezwingen oder gar reiten.
Steht man an dieser spektakulären und durchaus furchteinflößenden Brandung von Nazaré, wird einem schon etwas mulmig. Zur Abenddämmerung saust der starke Wind einen förmlich um die Ohren. Erwischt man genau diese Zeiten, in denen man dieses atemberaubende Naturspektakel beobachten darf, kann man gar nicht glauben, dass diese tonnenschweren Monster mit gigantischer Schnelligkeit und bis zu 30 Metern Höhe die weltweit größten Wellen sind, auf die sich bisher nur 50 Menschen gewagt haben.

  • Die Statue der Legende © Katharina Djuric
    Die Statue der Legende
  • Eingangstor © Katharina Djuric
  • Steile Felsbrandung © Katharina Djuric
    Steile Felsbrandung
  • Stadtplatz von Nazaré © Katharina Djuric
    Stadtplatz von Nazaré
„Die Bank, die Witwen macht“
Am Praia do Norte, direkt neben einem Felsvorsprung rollen jährlich Ende Oktober bis Mitte November diese Giganten an. Unmittelbar vor der Küste endet eine circa 230 Kilometer lange Meeresschlucht mit einer Tiefe von bis zu 5.000 Metern, wodurch sich sehr große Unterschiede in der Wassertiefe ergeben und sich die volle Kraft der anrollenden Wellen bzw. der Hirsch entladen kann. 
 In der Denkmalgeschützten Festung São Miguel Acanjo befindet sich das „Big-Wave-Museum“, dass nicht nur eine tolle Aussicht auf die Küste bietet, sondern sämtliche Surfbretter aller Big-Wave-Surfer beherbergt, mit denen sie die Riesenwellen bezwungen haben. Diese Woche durfte ich dieses Spektakel eigens erleben und kann es immer noch nicht fassen, dass es wirklich derart mutige Ausnahmesportler sowie Jetskifahrer gibt, die sich in diesen Momenten in den Atlantik trauen. Steht man unmittelbar vor dieser Wassermasse, die sich vor einem in Sekundenschnelle meterhoch auftürmt, versteht man, warum Nazaré das Mekka von Big-Wave-Surfern ist. Der Hawaiianer Garrett McNamara setzte 2011 den Weltrekord, in dem er als erster Mensch eine 24m hohe Welle surfte. Im Jahr 2016 gab es zum ersten und letzten Mal einen Big-Wave-Contest, an dem die besten 23 Surfer der Welt teilnahmen. 12 Meter hohe Wellen sollten bezwungen werden und mit Bravur gelang dies dem Australier Jamie Mitchell. Jedoch gab es zu viele derart gefährliche Wipe-Outs – so werden im Surfer Slang besonders schwere Stürze genannt - so dass es bislang keine Wiederholung mehr gab. Nicht umsonst trägt die Sandbank vor der Küste seit dem 18. Jahrhundert den Namen „die Bank, die Witwen macht“. Das Fischerörtchen lebt bis heute überwiegend vom Fischfang und da dies früher von Männern in kleinen Fischerbooten betrieben worden ist, wurden viele Frauen aufgrund der gefährlichen See früh zu Witwen.
Bis dato wird der Fischfang traditionell weitergeführt. Schlendert man an der alten Strandpromenade von Nazaré entlang, sieht man, wie die Fische immer noch auf urige Weise bearbeitet, luftgetrocknet und verkauft werden. Fischliebhaber sind in Nazaré demnach im Paradies angekommen – für Vegetarier oder Veganer wie mich, kann man wunderbar auf die sopa do dia, die portugiesischen Tagessuppen, ausweichen, die vor allem an kalten Tagen herrlich wärmt.
Nun heißt es für die diesjährigen Jäger: abwarten auf die Sattelitenbilder. Denn nur so kann der neue Weltrekord herausgefunden werden - der Hirsch aber bleibt, glaube ich ewig ungezähmt.
  • Das Museum in Nazaré © Katharina Djuric
    Das Museum in Nazaré
  • Die ausgestellten Surfbretter © Katharina Djuric
    Die ausgestellten Surfbretter
  • Luftgetrocknete Fische am Strand © Katharina Djuric
    Luftgetrocknete Fische am Strand

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