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Blogartikel 1
Ruda Śląska – Ein Ort zum Lernen

Kommunikation ist ALLES

Die erste Woche an meiner Schule der ZSO3 in Ruda Śląska stand ganz im Zeichen von authentischen Kommunikationssituationen. Ich wollte etwas über die Lernenden, die Unterrichtsrhythmen, das Schulgebäude, die Schulregeln usw. erfahren, die Schülerinnen und Schüler hingegen waren neugierig, wer sie da für drei Monate besuchen kommt, woher ich komme und was sie von mir in der Zeit zu erwarten haben. Gute Voraussetzungen also, um ins Gespräch zu kommen.
 
Diese Anfangsneugier der Lernenden nutzen meine Mentorin und ich geschickt aus, um sie zu motivieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Deutschkenntnisse sozusagen am lebenden Objekt zu testen. In einigen Klassen stellte ich mich anhand von Kärtchen vor, die ich vorbereitet hatte und auf denen eine Zahl und ein einfach formulierter Satz zu mir standen. („3,5 – Ich spreche drei Sprachen fließend und eine ein bisschen.“) Diese verteilte ich in der Gruppe und ließ sie vorlesen. Nach jeder Karte fügte ich noch ein paar ergänzende Sätzen hinzu, die ich auch mit deutlichen Gesten unterlegte. Im Anschluss resümierten die Klassen gemeinsam mit meiner Mentorin überwiegend auf Polnisch, was sie verstanden hatten, was meistens sehr viel war.

Kennenlernen im Sprechcafé

In manchen Klassen, je nachdem wie viel Zeit zur Verfügung stand, starteten wir aber direkt mit der zweiten Übung: das von uns erdachte „Sprechcafé“. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich in ausgelosten Gruppen Fragen überlegen und formulieren, die sie mir stellen wollten. Hierbei war die Schwierigkeit für die meisten Gruppen, die Fragen nicht per „Du“ an mich zu richten, sondern bei der Konstruktion „Sie“ und „Ihnen“ zu verwenden, wobei sie meine Mentorin aber unterstützte.
 
In Kleingruppen von drei bis fünf Lernenden kamen sie dann zu mir in einen kleinen Sitzkreis – das „Sprechcafé“ war eröffnet. Manchmal schüchtern, manchmal selbstbewusst stellten sie ihre Fragen und lauschten meiner Antwort. Auch ich stellte ihnen einige Fragen, hakte nach und unterstützte sie bei der mündlichen Formulierung. Diese eine-zu-fünf-Situation schaffte Verbindlichkeit und gab mir die Möglichkeit, mich intensiver auf die einzelnen Personen einzulassen, als dies in der Großgruppe möglich gewesen wäre. Ich hatte das Gefühl, dass auch die Lernenden sich dadurch ernstgenommen fühlten und außerdem größtenteils konzentriert und interessiert waren. Manchen war diese Situation auch etwas unangenehm, dem konnte ich so aber stärkend begegnen.
 
Augenscheinlich brachte diese Herangehensweise für viele ein Erfolgserlebnis, denn meistens verstand ich, was sie mir sagen wollten oder wir konnten es in der Kleingruppe klären. Vieles, was ich ihnen über mich erzählte, konnten die Schülerinnen und Schüler später wiedergeben. Am Ende der Woche kannten nun über hundert Deutschlernende die Anzahl meiner Geschwister und meine Lieblingsspeise, alle Buttons vom Goethe-Institut waren als Begrüßungsgeschenk im Sprechcafé verteilt und oft freudig angenommen worden und es entstand sogar in einer Frühstunde in meiner Abwesenheit ein Plakat über mich, was mich schon ein bisschen rührte – so etwas hat noch nie jemand für mich bzw. über mich gemacht. :)
 
  • Schule © Melisande May
  • Schule © Melisande May
  • Schule © Melisande May
  • Schule © Melisande May
  • Schule © Melisande May
  • Wohnort © Melisande May
  • Wohnort © Melisande May
  • Wohnort © Melisande May
 

Aus voller Kehle: „Reeperbahn”

Da die beiden Abiturklassen meiner Mentorin nur noch ein paar Wochen an der Schule sein werden, starteten wir hier nach einer kleinen Vorstellung meiner Person gleich inhaltlich ins Thema „Reeperbahn“. Hierfür hatte ich einige Bilder vorbereitet, die als Einstieg dienen sollten, und welche die Klassen beschreiben sollten. In beiden Klassen gab es drei bis fünf Jugendliche (von insgesamt 10-14 Schülern), die den Unterricht mündlich aktiv mitgestalteten, die anderen hielten sich bei der Beantwortung offener Fragen eher bedeckt.
 
Gut, dass ich das Lied und das Musikvideo zu „Reeperbahn“ von Jan Delay und Udo Lindenberg gewählt hatte, um dem Thema näher zu kommen. Bei der Besprechung und Übersetzung des Textes musste jeder mal ran, was den meisten auch gut gelang, ansonsten half die Lerngruppe mit. Da meine Mentorin mit dabei war, konnten die Lernenden auch auf das Polnische zurückgreifen. Andere Übersetzungshilfen können in Zukunft das Wörterbuch oder das Englische sein.
 
Die Aufgabe zum Leseverstehen bearbeiteten die Lernenden sorgfältig. Da sich aber nur ein paar Personen an den mündlichen Aufgaben beteiligt hatten, überraschte es mich doch sehr, dass alle Jugendlichen ohne große Scham in das Lied einstimmten, laut mitsangen und sich in den Stühlen wiegten. Das hatte ich von den Lernenden wirklich nicht erwartet und es freute mich. Es zeigte mir, dass die Wahl des Liedes gut gewesen war, vielleicht auch, weil es verschiedene Musikstile (Pop, Rock & Sprechgesang) beinhaltet und es so viele verschiedene Menschen ansprechen kann. 

Nach einer Woche: Angekommen!

Die erste Woche habe ich also gut überstanden und komme mit vielen positiven Gefühlen und vielen Ideen aus der Schule. Ich habe gemerkt, dass ich als „authentische“ Deutsche und junger Mensch ein Sprachvorbild sein kann. Auch ich kann viel von ihnen über die polnische Gesellschaft und die Schulkultur lernen. Besonders ist für sie, dass sie mir in der Fremdsprache begegnen müssen, denn nur über die Sprache Deutsch (oder Englisch) können sie mit mir in Kontakt treten. Darüber hinaus merke ich für mich, dass ich mein allgemein-didaktisches Wissen gut anwenden und meine landeskundlichen Kenntnisse für die Schülerinnen und Schüler aufarbeiten kann. Ich blicke voraus auf eine spannende und lehrreiche Zeit hier in Ruda Śląska!

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