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Blog #2
Servus Suzhou!

In Suzhou angekommen, empfing mich bereits meine Mentorin Vivian. Eigentlich heißt sie Pan Wei aber sie verwendet einen westlichen Namen, da das für die meisten Leute aus dem Westen einfacher ist. Wenig später habe ich gemerkt, dass das eine Strategie ist, die viele Chinesinnen und Chinesen anwenden, um es für Leute ohne Mandarin-Kenntnisse einfacher zu machen. Zudem kann dadurch auch verhindert werden, dass es zu Bedeutungsveränderungen kommt, wenn die Laute des Namens falsch gesprochen werden.
Das Pingmen Tor, das direkt vor dem Hauptbahnhof die Grenze zur historischen Altstadt markiert Das Pingmen Tor, das direkt vor dem Hauptbahnhof die Grenze zur historischen Altstadt markiert | © Mario Hiemer Als wir den Vorplatz des Bahnhofs betraten, konnte ich bereits einen Teil der alten Befestigungsanlage Suzhous sehen. Das Setting erinnerte mich an meine Studienstadt Nürnberg, denn auch hier blickt man direkt auf einen Teil der alten Stadtmauer, wenn man den Bahnhof verlässt. Ich war sehr gespannt, auf all die Dinge, die ich in den nächsten Monaten in dieser Stadt erleben soll und freute mich bereits darauf, neue Bekanntschaften zu machen.

Science and Technology Town

Zusammen mit Vivian machte ich mich vom zentral gelegenen Bahnhof in den Science and Technology Town Bezirk. Während der Fahrt kam bereits eine Flut an Informationen über den Unterricht, bevorstehende Festtage in China, Austauschprogramme mit deutschen Schulen und den Semesterstart über mich. Bei all den Neuigkeiten, die mir meine Mentorin mitteilte, wurde ich immer neugieriger, die Schule endlich kennenzulernen. Gleichzeitig zeigte mir die Situation aber auch, dass meine Einsatzschule und vor allem auch meine Kollegen wirklich sehr bemüht und engagiert sind, das Deutschprogramm auf einem hohen Niveau zu halten.
Science and Technology Town: breite Straßen und unglaublich viele Wohntürme Science and Technology Town: breite Straßen und unglaublich viele Wohntürme | © Mario Hiemer Nachdem wir das Zentrum der Stadt hinter uns gelassen hatten, erreichten wir nach ein paar Minuten den Science and Technology Town Bezirk, welcher auf den ersten Blick anmutet wie eine Planstadt, die auf dem Reißbrett entworfen wurde. Überall schießen Wohnblöcke und supermoderne, verglaste Bürokomplexe aus dem Boden und der ein oder andere Kran den man hier und dort erblickt, zeigt an, dass die Entwicklung dieses Stadtteils noch nicht ihr Ende erreicht hat. Auch meine Einsatzschule ist davon nicht ausgeschlossen, denn gegenüber des Haupteingangs liegt die große Baustelle des neuen Campusabschnitts, der in den nächsten Jahren fertiggestellt werden soll. Einerseits ist diese Bauwut sehr beeindruckend, aber andererseits wirken die neu angelegten, großzügigen Straßenzüge bisher noch etwas leblos und kühl.

Willkommen an der SSFSL

Nach dieser sehr informativen und unterhaltsamen Fahrt erreichten wir den Nordeingang des Campusgeländes. Dort mussten wir uns zunächst anmelden und bekamen dann die Parkkarte. Nachdem wir die Schranke am Nordeingang des Campus passiert hatten, warteten meine anderen beiden Deutschkollegen Beate und Sophie am Eingang des Gebäudes mit den Appartements für die Lehrerinnen und Lehrer. Nicht alle Lehrkräfte wohnen in diesen Appartements, doch ich nahm das Angebot dankend an, da mich vor allem der kurze Weg zur Arbeit überzeugte. Meine Kolleginnen begrüßten mich sehr freundlich und waren sehr interessiert mich kennenzulernen. Im Anschluss zeigten sie mir die Wohnung, welche mir von der Schule für die Zeit meines Aufenthaltes am Campus zur Verfügung gestellt wird. Nachdem ich selbige bezogen hatte, ging es gleich weiter zur Rektorin des Sprachenbereichs. Hierbei gilt es anzumerken, dass die Verwaltung an chinesischen Schulen einer strikten Hierarchie folgt. An oberster Stelle ist der General Principal, dem die Rektoren und Rektorinnen unterstellt sind, denen jeweils verschiedene Fachbereiche zugeteilt sind. Daneben gibt es auch noch die Vertretungen und Assistenzen des General Principals, die selbigen bei der Erfüllung der zahlreichen Aufgaben unterstützen.
Frau Tong, die Rektorin der Schule empfing Vivian und mich sehr freundlich in ihrem Büro und hieß mich herzlich willkommen in Suzhou. Das Gespräch war sehr locker und es war schön zu sehen, dass sich sogar die Rektorin dieser großen Schule es sich nicht nehmen ließ, mich zu begrüßen. Nach dem Austausch über meine bisherigen Lehrerfahrungen im Allgemeinen und meiner Person im Besonderen, ging es gleich weiter zu Frau Gu. Selbige ist einer der Vertretungsrektorinnen der Schule und zu ihrem Verantwortungsbereich gehört auch die Betreuung der ausländischen Lehrkräfte. Auch hier wurde ich sehr warmherzig willkommen geheißen und es ergab sich auf Anhieb ein interessantes Gespräch, welches in der Arbeitssprache Englisch stattfand. Ich hatte den Eindruck, dass der Umgang an der Schule von Offenheit und Kollegialität geprägt ist, und dass diese Elemente auch in den Beziehungen zwischen den Rektoren und Rektorinnen und den Lehrkräften an der Schule zum Tragen kommen.

© Mario Hiemer
Das Deutsch Department der SSFLS


Im Anschluss daran bekam ich meine Schuluniform, die ich von nun an jeden Montag und Freitag tragen sollte. Ich freute mich sehr, dass ich auch eine Uniform bekam, denn so wurde auch visuell deutlich, dass sich die Lehrkräfte der SSFLS als Team verstehen und ich nun auch ein Mitglied eben jenes Teams sein durfte. Nachdem ich nun offiziell als Lehrkraft begrüßt wurde, gaben mir meine Kolleginnen des Language Departments eine Führung durch das große Schulgebäude, welches für mich noch wie ein Labyrinth wirkte.
Zum Abschluss des Tages zeigten sie mir noch meinen Arbeitsplatz im Büro und ich informierte mich über die im Unterricht verwendeten Bücher. Nach all diesen neuen Eindrücken neigte sich mein erster Tag in Suzhou dem Ende zu.

Der Gang zur Polizei
Gleich am Morgen des zweiten Tages holte mich Vivian an der Schule ab und wir fuhren gemeinsam zur Polizeistation, um mich dort zu registrieren. In China ist es sehr wichtig, der örtlichen Polizei stets den aktuellen Aufenthaltsort mitzuteilen. Bei herkömmlichen Reisenden übernimmt das meist das Hotel, nur wenn die Unterkunft selbst gesucht wird, führt kein Weg an dem Gang zur Polizei vorbei. Dies muss außerdem innerhalb von 24 Stunden geschehen, nachdem der andere Aufenthaltsort verlassen wurde, da andernfalls empfindliche Strafgebühren erhoben werden. Bei mir richtete sich die Zeit nach meinem Zugticket, bzw. der Zeit, ab der mein Pass vor der Abfahrt des Zuges registriert wurde. Zudem bekam ich vor dem Polizeigebäude den Hinweis, dass es besser sei, keine Fotos von Regierungsgebäuden oder Behörden zu machen, da dies eventuell zu Missverständnissen führen könnte.
Nachdem ich nun auch in Suzhou registriert war, fuhr ich mit Vivian in eine Mall und sie zeigte mir verschiedene Shops und Restaurants. Nach einer Weile bemerkte ich auch, warum wir ausgerechnet dieses Einkaufszentrum besuchten: Die meisten Restaurants hatten neben dem herkömmlichen Menü auch Beispiele der jeweiligen Gerichte, aus Plastik, die täuschend echt aussahen. Für mich erleichterte das die Auswahl natürlich, da ich so selbst verstehen konnte, was sich hinter den Bezeichnungen für die verschiedenen Gerichte verbarg.

Bitte nicht essen! Das „Anschauungsmaterial“ aus Plastik in einem Restaurant. Bitte nicht essen! Das „Anschauungsmaterial“ aus Plastik in einem Restaurant. | © Mario Hiemer Nach einem sehr leckeren Mittagessen brachte mich Vivian wieder zu meinem Appartement. Den übrigen Tag beschäftigte mich mit den Schulbüchern und meinem Stundenplan, um schon einmal einen ersten Eindruck des Unterrichtsaufbaus und der Themenfelder zu erhalten.

Semesterstart in Suzhou
Mein erster richtiger Arbeitstag an der Schule war zugleich auch der Semesterstart. Bereits am Vorabend sind die Schülerinnen und Schüler von ihren Eltern zum Campus gebracht worden und haben ihre Zimmer bezogen. Es war sehr interessant zu sehen, wie dem kompletten Campusgelände und den bisher sehr leeren und ruhigen Gebäudekomplexen durch die Schülerinnen und Schüler wieder Leben eingehaucht wurde.

Mein erster Arbeitstag in China Mein erster Arbeitstag in China | © Mario Hiemer Die Eröffnungszeremonie am darauffolgenden Tag fand in der großen Halle der Schule statt. Es war gut, dass mich meine Kollegin Beate begleitete, denn nur ein kleiner Teil der Feier wurde in Englisch gehalten und so konnte sie mir immer erklären, was gerade auf der Bühne passiert. Auftakt der gesamten Veranstaltung war natürlich das Singen der Nationalhymne, zu der alle Anwesenden aufstanden. Im Anschluss wurde das Schullied gesungen, dessen englische Übersetzung mir meine Kolleginnen bereits im Voraus gegeben hatten. Neben der offiziellen Begrüßungsrede des Rektors wurden auch die besten Schülerinnen und Schüler des letzten Semesters geehrt. Sie bekamen jeweils eine Urkunde und ein Stipendium für das kommende Schuljahr. Die Höhe des Stipendiums richtete sich dabei nach dem Grad der besonderen Leistung, die von dem jeweiligen Schüler beziehungsweise der jeweiligen Schülerin erzielt wurde. Zum Ende gab es noch motivierende Worte des Rektors und im Anschluss wurden alle Beteiligten in den normalen Tagesablauf entlassen.

Die feierliche Eröffnungszeremonie des neuen Semesters Die feierliche Eröffnungszeremonie des neuen Semesters | © Mario Hiemer Die erste Woche an der neuen Schule
Während meiner ersten Arbeitstage in China nutzte ich die Zeit in den mir übertragenen Klassen mich den Schülerinnen und Schülern vorzustellen und gleichzeitig auch etwas über ihre Interessen herauszufinden. Ich gab den Klassen die Möglichkeit, mich etwas auf Deutsch zu fragen, wodurch sie gleichzeitig das Vokabular in Bezug auf das Vorstellen wiederholen konnten. Um meine Ausführungen etwas interessanter zu gestalten, zeigte ich ihnen auch Bilder meiner Studienstadt Nürnberg und meiner Universität. Da ich aber auch an den Hintergründen der Schülerinnen und Schüler interessiert war, fragte ich sie dieselben Fragen, die sie auch mir gestellt hatten. So konnten sie nicht nur fragen, sondern hatten auch die Möglichkeit die Antworten selbstständig zu formulieren. Die übrige Zeit der Stunde nutzte ich meist dazu, herauszufinden, an welchen Themen die Schülerinnen und Schüler interessiert sind. Dazu legte ich für jede Stunde eine Art Mindmap an, die die Themen in verschiedene Felder einordnete. Wenn ich keinen Unterricht hatte, entwarf ich erste Unterrichtsverläufe oder hospitierte in den Stunden meiner Kolleginnen. Letzteres war für mich von besonderem Interesse, da ich so einen tieferen Einblick in die Arbeitsweise sowie die didaktische und pädagogische Ausgestaltung der Unterrichtseinheiten an der SSFLS erhalten konnte.
 
Proben für den Teacher's Day
Nach den ersten Tagen wurde ich von meinen Kolleginnen gefragt, ob ich nicht das Deutsch Department bei der diesjährigen Feier zum Teacher's Day vertreten möchte. Gespannt auf die Aufgabe sagte ich zu und ging nach der Schule zum ersten Treffen. Dort wurde mir erklärt, dass meine Aufgabe primär darin bestünde, während der Aufführung des Schulliedes eine Strophe in Deutsch zu singen. Bei dem Treffen waren auch die Lehrerinnen der anderen Sprachen Russisch, Französisch und Spanisch anwesend, da je eine Strophe des Liedes in den Sprachen gesungen werden sollte, die an der SSFSL angeboten werden. Gespannt auf die neue Aufgabe machte ich mich zunächst daran, meinen Teil des Liedes auf Deutsch zu übersetzen. Zuvor hörten wir allerdings noch einmal das komplette Lied auf Chinesisch, um den Text so zu gestalten, dass es auch auf die Melodie passt. Im Anschluss probten wir noch mehrmals mit musikalischer Begleitung des Klaviers und der Geige und dann war die erste Probe auch schon geschafft. In den nächsten Tagen gab es immer wieder Proben und zuletzt waren wir auch noch auf der Bühne in der großen Halle der Schule, um unseren Auftritt zu üben.

Einstudieren des Schullieds für den Teacher‘s Day Einstudieren des Schullieds für den Teacher‘s Day | © Mario Hiemer Abschluss der ersten Woche
Zum Abschluss der ersten Woche ging ich mit meinen Kolleginnen in ein chinesisches Restaurant. Mit dabei war auch Svenja, die neue Praktikantin aus Deutschland, die uns in den nächsten drei Wochen unterstützen wird. Die Auswahl der Gerichte überließen Svenja und ich dabei unseren Kolleginnen, die sichtlich gespannt darauf waren, uns die Küche Chinas zumindest etwas näher zu bringen. Während des Essens konnte ich über meine ersten Eindrücke berichten und es war sehr interessant erste kulturelle Unterschiede aufzuspüren. Alles in allem war es eine wirklich gelungene erste Woche und ich war sehr glücklich, dass alle Leute, die ich bisher getroffen habe, überaus offen, hilfsbereit und interessiert waren. Abermals war ich glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte für mehrere Monate die Kultur und die Menschen in China, dem Reich der Mitte näher kennenlernen zu dürfen und obendrein meinen didaktischen und pädagogischen Horizont erweitern zu können.

Der gemeinsame Abschluss der ersten Woche Der gemeinsame Abschluss der ersten Woche | © Mario Hiemer
 

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