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Blog #7
KW 47: Psychologie und Rollentausch

Ganz gut, Herr Hartmann! Das Ausspracheseminar hatte in dieser Woche einen ganz besonderen Charme. Die Schüler*innen hatten darum gebeten, den Spieß ausnahmsweise umzudrehen und auch einmal mir etwas Polnischunterricht zu geben. Ob dabei der Bildungsanspruch oder das bloße Verzücken daran überwog, mich über die vielen Konsonanten stolpern zu sehen (oder vielmehr zu hören), mag ich dabei gar nicht beurteilen. Ich war jedenfalls von der Idee sehr angetan.
 
Tatsächlich haben sie sich sehr viel Mühe gegeben, eine umfangreiche Präsentation vorbereitet, die Redeanteile aufgeteilt und Sprechübungen mit mir durchgeführt. Es hat beiden Seiten viel Spaß gemacht und ich denke, ich habe mich nicht allzu sehr blamiert. Auch meine betreuende Lehrkraft war sehr positiv überrascht ob der Bereitschaft zur freiwilligen Zusatzleistung. Hier muss man gewiss dazusagen, dass bereits das Ausspracheseminar freiwillig ist, wir es also definitiv mit sehr motivierten Schüler*innen zu tun haben.
 
Auf der anderen Seite ist dies aber auch nicht das erste Mal, dass ich und auch Monika als Insiderin von einem hohen Maß an intrinsischer Motivation seitens der Lernenden schwärmen. Jüngstes Beispiel ist hierfür, dass sich eine Klasse von Kindern mit diagnostizierten Lernschwächen, denen es freisteht, überhaupt eine zweite Fremdsprache zu belegen, nahezu vollständig dafür entschieden haben, Deutsch zusätzlich lernen zu wollen.
 
Hier könnte man jetzt sicherlich tief in die Psychologie einsteigen. Man könnte sich etwa fragen, zu welchen Anteilen diese Entscheidung mit dem Fach an sich respektive den Anwendungsbereichen einer weiteren Fremdsprache auf der einen und dem Willen, das zu lernen was alle lernen, auf der anderen Seite zustande kommt. Man könnte daran anschließend fragen, warum es überhaupt reine Förderklassen an einer solchen achtjährigen Grundschule gibt.
 
Das sind gewiss spannende Fragen und gerade die letzte zerdenke ich im Grunde schon seit ich hier bin. Eines der schönen Dinge am Lehrerberuf ist jedoch, dass es für fast jedes Problem verschiedene Lösungen gibt. Es bedarf letztlich einer Entscheidung und, was noch viel wichtiger ist, einer stichhaltige Begründung dieser Entscheidung. Diese Logik lässt sich mit Abstrichen sicher auch auf die analytische Ebene der Bildungswissenschaften übertragen.
 
Ich gebe zu, dass die Liebe zu diesem Berufsaspekt der ständigen begründeten Entscheidungsfindung vielleicht eine Spezialliebe des Mathematikers ist. Ich zerdenke dann mal weiter.
 
Für dich, liebe Leserin, lieber Leser, gibt’s jetzt noch einen Sonnenuntergang.
Sonnenuntergang in Warschau © Timo Hartmann

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