1. September 2012:
Deutsch als Fremdsprache in den USA - Neue Welten

Anlässlich der New Yorker Sprachkonferenz 2012 beschäftigt sich Johannes Ebert in einem Artikel für „The European“ mit den Möglichkeiten und Chancen der Deutschförderung in den USA.

Es gibt viel zu tun für die deutsche Sprache in den USA, jedes Engagement lohnt sich. Denn jedem Amerikaner, der Deutsch lernt, öffnet sich auch eine neue Welt. „Wir können gar nicht genug Schüleraustauschprogramme haben. Wenn Kinder in jungen Jahren in die Welt reisen, kommen sie – so glaube ich – als andere Menschen zurück. Der Wert lässt sich kaum ermessen“, lobt Arne Duncan, der amerikanische Minister für Erziehung, das German American Partnership Program (GAPP).

GAPP wird in diesen Tagen 40 Jahre alt. Das Austauschprogramm ist eine Erfolgsgeschichte: Seit 1972 sind mehr als 260.000 junge Deutsche und Amerikaner im Rahmen von GAPP zwischen den Ländern gereist, haben ihre Sprachkenntnisse vertieft und in Gastfamilien das „ganz normale“ Leben und die Kultur eines anderen Landes kennengelernt. 40 Jahre GAPP sind ein Anlass, zu feiern und einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Deutsch steht nach Spanisch und Französisch an dritter Stelle der am meisten gelernten Fremdsprachen in den USA. Die Zahl ist einer Studie des „Netzwerks Deutsch“ zufolge 2010 sogar gestiegen. Insgesamt gibt es fast 500.000 Deutschlernende in den USA, davon 400.000 an Schulen: knapp 70.000 mehr als 2005. Dennoch ist es wichtig, weiter für die Attraktivität der deutschen Sprache in den USA zu werben. Zum einen wird Sprachen wie Chinesisch oder Spanisch mehr Aufmerksamkeit als früher geschenkt. Zum anderen entsteht bisweilen der Eindruck, dass gerade in Ländern mit Englisch als Muttersprache das Sprachenlernen zunehmend vernachlässigt wird, da Englisch ohnehin internationale Geschäftssprache ist.

Dabei gibt es immer noch zahlreiche Gründe für junge Amerikaner, Deutsch zu lernen: Menschen mit deutscher Abstammung sind die größte ethnische Gruppe in den USA: Ein Viertel aller Amerikaner hat deutsche Wurzeln. In meiner Zeit beim Goethe-Institut bin ich vielen jungen Amerikanern begegnet, die Deutsch gelernt haben, um in die eigene Familiengeschichte einzutauchen. Gerade in Zeiten, in denen Grenzen fallen und traditionelle Bindungen schwächer werden, gewinnt die Erkundung der eigenen Identität an Bedeutung. Die Sprache ist der wichtigste Schlüssel dazu.

Deutsch ist mit 95 Millionen Sprechern die größte Muttersprache in der europäischen Union und wird von 55 Millionen Europäerinnen und Europäern als Fremdsprache gesprochen. Handfeste Gründe Deutsch zu lernen ergeben sich, wenn man Deutschland als Wirtschafts- und Studienstandort betrachtet. Deutsche Unternehmen sind weltweit tätig und haben als Arbeitgeber einen guten Namen. Deutschkenntnisse und die Auseinandersetzung mit deutscher Kultur und Sprache erhöhen die Karrierechancen. Auch die deutschen Universitäten genießen weltweit einen guten Ruf. Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sind deutsche Hochschulabschlüsse weltweit anerkannt und ein Studium in Deutschland ist – verglichen mit den USA – nahezu kostenlos.

Neben diesen sehr am persönlichen Nutzen orientierten Argumenten dürfen wir nicht vergessen, dass Mehrsprachigkeit zu einer umfassenden Bildung gehören sollte. Fremdsprachen sind der Schlüssel zu fremden Kulturen und damit auch eine Kulturtechnik, die es uns erlaubt, neue Welten zu erschließen, Verständnis und Toleranz zu fördern. Gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung sind Fremdsprachenkenntnisse von höchster Bedeutung.

Viele gute Gründe, die deutsche Sprache zu lernen. Doch was ist zu tun, um das Interesse an unserer Sprache hoch zu halten? Eine wesentliche Aufgabe ist es, die Vielfalt an Sprachlernangeboten in Schulen zu unterstützen. Bildungsbehörden und Schulleiter müssen gut und umfassend darüber informiert werden, weshalb Deutsch an ihrer Schule einen festen Platz haben sollte. Weshalb entscheiden sich Schülerinnen und Schüler für die eine oder andere Sprache? Zu den entscheidenden Kriterien gehören das Image der Sprache und des Landes, die Attraktivität des Unterrichts, gut ausgebildete Lehrer, außerschulische Angebote und die Karrierechancen, die mit der Kenntnis der Sprache verbunden sind. Die von der Deutschen Botschaft in Washington und den Goethe-Instituten in den USA im vergangenen Jahr durchgeführten Deutschlandwochen waren ein großer Erfolg. Neben der Ausstellung „Deutsch für Anfänger“, einem Schülerforschungsprojekt, sorgte die Konzerttour der deutschen Rockband Madsen auf besonders große Begeisterung.

Solche Image- und Werbekampagnen müssen verstärkt werden. Sie erhöhen die Aufmerksamkeit für die deutsche Sprache nicht nur bei jungen Menschen. Dass eine Sprache allerdings langfristig in den Curricula verankert wird und die Lernerzahlen dauerhaft steigen, erfordert weitere Anstrengungen. Wichtig sind Austauschprogramme für Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, wie sie unter anderem GAPP bietet. Wichtig ist die Vermittlung eines modernen Deutschlandbildes auch außerhalb des Deutschunterrichts – so wie das Transatlantic Outreach Program erfolgreich Sozialkundelehrer mit Lehrmaterialien und Studienreisen nach Deutschland unterstützt. Die Erweiterung dieses Programms auf Lehrer und Lehrerinnen, die Wirtschaftskunde und die sogenannten MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – unterrichten, ist auch in den USA ein Weg, Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache zu wecken.

Das Netzwerk der Partnerschulen, das im Rahmen der Initiative des Auswärtigen Amts „Schulen – Partner der Zukunft“ weltweit entstanden ist und gemeinsam von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Pädagogischen Austauschdienst betreut wird, ist auch in den USA ein Garant für lebendige und nachhaltige Bildungspartnerschaften.

Nicht zu vergessen ist die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere was die Integration digitaler Formen des Sprachenlernens in den Unterricht betrifft. So hat das Goethe-Institut das erste „serious game“ zum Deutschlernen entwickelt und investiert auch weiterhin in online verfügbare Sprachlernangebote.

Es gibt viel zu tun für die deutsche Sprache in den USA und das Engagement der amerikanischen und deutschen Partner, die sich dafür einsetzen, ist in hohem Maße lohnend. Einen Nutzen haben beide Seiten davon, denn – so schrieb der amerikanische Schriftsteller Frank Harris zu Beginn des vorigen Jahrhunderts: „Jede neue Sprache ist wie ein offenes Fenster, das einen neuen Ausblick auf die Welt eröffnet und die Lebensauffassung weitet.“