25. Januar 2012:
Rede von Johannes Ebert anlässlich der Amtsübergabe

Johannes Ebert, bis Februar 2012 Leiter des Goethe-Instituts Moskau und Regionalleiter der Region Osteuropa/Zentralasien, übernimmt das Amt des Generalsekretärs des Goethe-Instituts von Hans-Georg Knopp bei einem Festakt in München.

Sehr geehrter Herr Wnendt,
lieber Herr Lehmann,
lieber Herr Knopp,
liebe Frau Limbach,
sehr geehrte Gäste,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich sehr, dass Sie zur heutigen Feier gekommen sind und ich bin sehr froh, dass meine Tätigkeit als Generalsekretär in Kürze beginnen wird. Im vergangenen halben Jahr hatte ich viele parallele Aufgaben: Leiter des Goethe-Instituts Moskau, Leiter der Region Osteuropa/Zentralasien, Projektleiter des Deutschlandjahres in Russland. Ich war daneben sehr oft in München und konnte mich mit Unterstützung des amtierenden Vorstandes auf meine neue Aufgabe vorbereiten. Ab 1. März werde ich nur noch einen Hut aufhaben. Einen sehr großen zwar. Die Stelle des Generalsekretärs des Goethe-Instituts ist eine Aufgabe, die viele Ansprüche stellt. Ich freue mich sehr darauf.

Als ich im August 1988 als Zivildienstleistender am Goethe-Institut Freiburg begonnen habe, habe ich mir natürlich nicht vorgestellt, dass ich einmal - genauer gesagt heute - hier stehen könnte. Zivildienstleistender in Freiburg – Prien - Abidjan – Riga – München – Kiew – Kairo – Moskau – Generalsekretär in München. Ich habe das Institut in dieser Zeit aus vielen Blickwinkeln sehr gut kennengelernt. Insbesondere die letzten zehn Jahre als Regionalleiter waren eine wichtige Zeit für mich. Als einer der drei Sprecher der Regionalleiter, die sich regelmäßig mit dem Vorstand treffen und austauschen, war ich in zahlreiche Entscheidungsprozesse mit einbezogen und habe dabei viel gelernt. Gerade auch von der Diplomatie und „Staatskunst“ des scheidenden Generalsekretärs Hans-Georg Knopp.

Lieber Herr Knopp, das ist auch der richtige Moment, Ihnen ganz herzlich zu danken. Auf der einen Seite für das, was Sie für das Goethe-Institut geleistet haben – darüber wurde heute ja schon gesprochen – Auf der anderen Seite – und das ist mir persönlich sehr wichtig - für das Vertrauen und die Offenheit, mit denen Sie in den letzten Wochen meiner Vorbereitungszeit Ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben.

In der vergangenen Woche fand in Moskau mein offizieller Abschied statt und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen ganz wunderbaren Film über meine Zeit am Goethe-Institut Moskau gedreht. Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich diesen Film anstelle einer Rede hier zeigen soll. Aber vielleicht ist es besser, Sie wissen gar nicht so genau, was auf Sie zukommt. Deshalb an dieser Stelle vielleicht einige Überzeugungen, die ich in meiner Zeit mit dem und für das Goethe-Institut gewonnen habe:

Kultur ist zentral für das gesellschaftliche Zusammenleben. Kultur besetzt ihr eigenes gesellschaftliches Terrain und gehorcht eigenen Regeln und Abläufen. Es zeugt deshalb von Weitblick, dass die Bundesrepublik Deutschland den kulturellen Austausch mit dem Ausland einer unabhängigen Mittlerorganisation übertragen hat. Erfolgreicher Kulturaustausch funktioniert nicht auf Knopfdruck. Kulturaustausch braucht Zeit, Offenheit und Vertrauen. Wenn wir dem kulturellen Austausch dieses zugestehen und ihn nicht einseitig für kurzfristige wirtschaftliche oder politische Ziele instrumentalisieren, dann ist er das wirksamste Mittel, für Deutschland Vertrauen zu schaffen und die Beziehungen unseres Landes in der Welt positiv zu gestalten.

Gerade wenn ich an meine Zeit in Ägypten denke – ich wurde ein halbes Jahr nach dem 11. September Institutsleiter - habe ich den Freiraum Kultur und die offene Plattform Goethe-Institut als wirksame Kommunikationsbasis wahrgenommen, die in dieser Zeit oft wesentlich besser funktionierte als traditionelle Felder von Politik und Wirtschaft. Es muss uns bewusst sein, dass diese Mechanismen – auch das sehen wir in der arabischen Welt - gerade in den Zeiten der Globalisierung immer wichtiger werden. Ich bin sicher: Die Ansprüche an den internationalen Kulturaustausch und damit die Aufgaben für das Goethe-Institut werden in den nächsten Jahren weiter steigen.

Ich habe viele Jahre in Transformations- und Entwicklungsländern gearbeitet. Nicht nur hier wird die Rolle des Goethe-Instituts im Bereich der Bildung sehr deutlich. Das ist zum einen die sprachliche Bildung - das Erlernen der Fremdsprache Deutsch mit innovativen Methoden. Seit kurzem erweitert das Goethe-Institut auch seine traditionellen Bildungsprogramme im Bereich Kultur, Information und Medien. Sie richten sich an Verleger, Filmemacher, Kulturmanager, Bibliothekare, Journalisten und viele andere - also genau an die Multiplikatoren, die wiederum in vielfältiger Weise ihren Mitbürgern Werte vermitteln und Zugänge zu Wissen und Bildung öffnen. Darüber hinaus verbinden sie diese Menschen auf positive Weise mit Deutschland. Wir müssen diese Bildungsangebote fokussieren und noch besser zugänglich machen.

Die deutsche Sprache ist mir ein sehr wichtiges Anliegen. Sie ist der Schlüssel, der die Türen nach Deutschland öffnet. Aus unterschiedlichen Gründen ist es für uns von großer Bedeutung, dass Menschen aus dem Ausland diese Türen offen stehen. Die Goethe-Institute haben für Deutschlerner und – lehrer an Schulen, an Universitäten, in Kindergärten und im Bereich der Erwachsenenbildung hervorragende Programme. Es ist darüber hinaus eine Zukunftsaufgabe, dass wir für die deutsche Sprache bei Entscheidungsträgern unserer Gastländer werben, um die Stellung von Deutsch in den nationalen Bildungssystemen zu stärken. Es gibt hier erste Erfahrungen, erste Erfolge sind sichtbar: die Sprachinitiative „Lern Deutsch“ in Russland; das Partnerschulprogramm PASCH, wo das Goethe-Institut in vielen Ländern einen Schwerpunkt bei den Schulen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich setzt, deren Abgänger auch für unser Land von Bedeutung sind.

Zahlreiche weitere Zukunftsthemen werden das Goethe-Institut in den nächsten Jahren beschäftigen:
  • Welche Rolle wird das Internet für den internationalen Kulturaustausch spielen? Sicher wird es nicht die direkte Begegnung ersetzen. Wir haben hier viel geleistet, aber ich glaube, dass hier noch viele neue Möglichkeiten liegen: Neue Veranstaltungsformate, neue Kommunikationskanäle und Inhalte in zeitgemäßen Formen werden die Reichweite und Nachhaltigkeit unserer Angebote erhöhen.
  • Wie verhalten sich nationale und europäische Kultur- und Bildungspolitik zueinander? EUNIC, der Zusammenschluss der europäischen Kulturinstitute, ist hierbei ein wichtiges Instrument. Welche Möglichkeiten gibt es für das Goethe-Institut, seine finanzielle Basis auf europäischer Ebene zu verbreitern?
  • Wie gewinnen wir hervorragenden Nachwuchs für die Zukunftsaufgaben des Auswärtigen Kultur- und Bildungsaustausches angesichts eines enger werdenden Arbeitsmarktes?
  • Und: Wie stellen wir die Ressourcen für unseren wichtigen Kultur- und Bildungsauftrag sicher, wenn sich die dunklen Wolken der Schuldenkrise weiter verdichten?
Diese und andere Fragen werden das Goethe-Institut und seinen Vorstand in den nächsten Monaten und Jahren beschäftigen. Partnerschaftlichkeit und Dialog sind dabei wichtige Grundprinzipien des Goethe-Instituts. Ich habe in den letzten Jahren eng mit Partnern unser Gastländer, mit den deutschen Botschaften und den deutschen Organisationen vor Ort zusammengearbeitet. Diese Kooperation ist mir auch in meiner neuen Position wichtig. Partnerschaftlichkeit heißt hierbei nicht, seine Interessen den anderen unterzuordnen, sondern mit den jeweils eigenen Stärken und mit klaren Zuständigkeiten gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen. Viele Partner sind heute hier. Ich sehe unserer Kooperation mit Erwartung entgegen.

In den vergangenen zehn Jahren habe ich mit Kairo und Moskau zwei sehr große Goethe-Institute geleitet. Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der wichtigste Garant für den Erfolg der Arbeit des Goethe-Instituts sind, ist deshalb für mich eine ganz unmittelbare und starke Erfahrung. Ich freue mich sehr auf unsere Zusammenarbeit weltweit und insbesondere auch hier in München. Gerade wir in der Zentrale des Goethe-Instituts haben eine hohe Verantwortung für den Erfolg unserer Kolleginnen und Kollegen im Ausland. Sie bauen auf uns.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich danke dem Präsidium und dem Präsidenten des Goethe-Instituts für das Vertrauen, das sie in mich setzen. Ich habe Respekt vor der neuen Aufgabe, ich freue mich auf sie, und ich werde sie mit großem Engagement angehen. Meine Frau und ich freuen uns sehr auf Deutschland. Auch für unsere drei Kinder, die noch nie hier gelebt haben, wird das eine spannende Sache werden. In den letzten Wochen habe ich mich bereits eng mit meinem Vorstandskollegen, dem Kaufmännischen Direktor Bruno Gross, in sehr fruchtbaren Diskussionen ausgetauscht. Lieber Herr Gross, ich freue mich sehr auf unsere Zusammenarbeit. Zivildienstleistender, Dozentenanwärter, Lehrer für Deutsch als Fremdsprache, Referent für Sprachkurse, Referent für Öffentlichkeitsarbeit, Institutsleiter, Regionalleiter und jetzt Generalsekretär.

Sie fragen mich vielleicht, was die schönste und befriedigenste Aufgabe am Goethe-Institut ist.
Ich habe das Privileg arbeiten zu dürfen, bis ich 66 Jahre und 11 Monate alt bin. Ich werde es Ihnen danach genau sagen können.
Vielen Dank.