04.06.2014: Goethe-Institut: Kulturelle Zusammenarbeit in Umbruchsländern war selten wichtiger



Die Ukraine-Krise betreffe alle, betonten der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann und Generalsekretär Johannes Ebert bei einem Pressegespräch in Berlin. In dieser Zeit sei es besonders wichtig, Diskussionen zwischen Künstlern oder Intellektuellen aus der EU, der Ukraine und Russland stärker zu fördern. Hierfür im Rahmen des Möglichen geschützte Räume zu schaffen, sei eine wichtige Aufgabe von international agierenden Institutionen wie dem Goethe-Institut. Diese Freiräume seien auch in anderen Umbruchsregionen weiter von größter Bedeutung, etwa in Afrika und dem Nahen Osten.

Der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann berichtete von der veränderten Wahrnehmung im Ausland: „Wir merken, dass die Erwartungen an Deutschland gestiegen sind, nicht nur in den zwischenstaatlichen, sondern auch in den zivilgesellschaftlichen Beziehungen – und damit auch die Erwartungen an die Arbeit des Goethe-Instituts." Vor zwei Wochen habe Bundesaußenminister Steinmeier einen großen ,Review-Prozess' angestoßen, mit dem er ausloten wolle, was die Welt von Deutschland erwarte. Lehmann begrüßte dies und betonte, dass neben außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen auch die Meinung und Mitwirkung von Künstlern und Intellektuellen im In- und Ausland entscheidend sei, wenn man die internationalen Beziehungen in ihrer Komplexität ernst nehmen wolle. Lehmann betonte weiter: „Wenn wir in der Welt nicht paternalistisch daherkommen wollen, kann die Übernahme von Verantwortung nur dialogisch sein. Für uns steht fest, dass menschliches Zusammenleben in erster Linie eine kulturelle Leistung ist. Erfolgsfaktoren dafür sind die Grundprinzipien des internationalen Dialogs: Wertschätzung von Vielfalt, Gleichwertigkeit des Anderen, interkulturelle Kompetenz der Akteure."

Der Generalsekretär des Goethe-Instituts Johannes Ebert verwies darauf, dass alle gesellschaftlichen Umbrüche in der Welt Zeit brauchen: „Das wird in der Ukraine so sein, das zeigt sich beispielsweise auch in der arabischen Welt, wo die Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung zumindest teilweise wieder nachlässt. Umso wichtiger ist es, in diesen Ländern zivilgesellschaftliche Gruppen und Innovationsträger in Kultur und Bildung aktiv, nachhaltig und vor allem verlässlich zu unterstützen." In der Ukraine werde man das Goethe-Institut Kiew künftig personell verstärken und neue Programme auflegen. Geplant seien etwa Fortbildungs- und Stipendienangebote für Bildungspolitiker, Kulturschaffende und Schüler oder Diskussions- und Kulturprogramme zur Stellung der Ukraine in Europa. Projekte mit den europäischen Nachbarn der Ukraine werde man verstärkt fördern. „Als Goethe-Institut müssen wir uns aktiv darum bemühen, die Ukraine bei den strukturellen Herausforderungen der Umbrüche im Kultur- und Bildungssektor und auf ihrem Weg nach Europa zu unterstützen“, sagte Ebert, der selbst für jeweils fünf Jahre die Goethe-Institute in Kiew und Moskau geleitet hat. Gleichzeitig investiere man weiter in die Zusammenarbeit mit Russland: „Gerade in Zeiten politischer Konflikte und Meinungsverschiedenheiten ist es wichtig, Kommunikationskanäle offen zu halten. Kultur und Bildung bieten hierfür Chancen. Es wäre ein Fehler, die Verantwortung Deutschlands im Ausland allein auf sicherheits- oder wirtschaftspolitische Fragen zu beschränken."

Die Arbeit des Goethe-Instituts in Umbruchsländern beschränke sich nicht nur auf die Ukraine und die arabische Welt, ergänzte Klaus-Dieter Lehmann: „Man darf auch die Länder nicht vergessen, in denen jenseits aktueller Brennpunkte zum Teil ebenso deutliche, langfristige Umwälzungen passieren und erhebliche Konfliktpotentiale bestehen. Mit unseren Programmen in Subsahara-Afrika, Südostasien, Mittelamerika oder Afghanistan versuchen wir auch dort, die Kultur- und Bildungsakteure bestmöglich zu unterstützen und Netzwerke zu schaffen." Lehmann fasste zusammen: „Kultur kann Prozesse anstoßen, wo Stillstand ist, Alternativen formulieren, wo Blockade herrscht. Indem wir vorhandene Potentiale identifizieren und stärken, ermöglichen wir eine aktivere zivilgesellschaftliche und kulturelle Teilhabe. Das geschieht durch verbesserten Zugang zum Wissen und zum eigenen kulturellen Erbe, durch Qualifizierung in Kulturberufen, durch Austausch und Koproduktion in Kunst- und Kulturprojekten, durch spezifische Programme für Frauen und für die Jugend. Die physische Präsenz der Goethe-Institute ist insbesondere in Krisenzeiten ein großer Wert. Unsere Institute sind Frei- und Dialogräume. Sie sind Begegnungsorte, in denen man ungehindert arbeiten, reden und gestalten kann und sich in einem interkulturellen Dialog aktiv austauscht."

Johannes Ebert wies darauf hin, dass es dem Goethe-Institut wichtig sei, aktuelle Positionen und Diskurse aus dem Ausland auch in Deutschland sichtbar zu machen. „Das Goethe-Institut ist global hervorragend vernetzt und kann einen Beitrag leisten, internationale Stimmen in deutsche Debatten einzubringen“, sagte Ebert. Das Dokumentartheaterstück „Schlachtfeld Erinnerung 1914/2014" von Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura etwa bringe im Juni im Berliner HAU Hebbel am Ufer Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg aus Deutschland, Österreich, Serbien, Bosnien und der Türkei zusammen. Das Dresdner Theater-Festival „Parallel Lives" zeige gemeinsam mit dem Goethe-Institut Stücke aus osteuropäischen Ländern, die sich mit ihrer jeweiligen Geheimdienst-Historie auseinandersetzen und Diskussionen, in denen der Bogen zur heutigen Rolle von Geheimdiensten geschlagen werde.
 

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Das weltweit tätige deutsche Kulturinstitut fördert die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland, pflegt die internationale kulturelle Zusammenarbeit und vermittelt ein umfassendes Deutschlandbild. In Zeiten neuer globaler Herausforderungen zielt die Arbeit des Goethe-Instituts auf ein vertieftes Verständnis der Kulturen untereinander und auf die Stärkung des Ansehens Deutschlands in der Welt. Derzeit verfügt das Goethe-Institut über 160 Institute und Verbindungsbüros in 94 Ländern.

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