01.07.2014: Zwischen Nord- und Südkorea
Kunst auf dem Grenzstreifen

Wo kaum ein Mensch Zutritt hat, verschafft sich die Kunst Einlass: Das Festival Real DMZ zeigt ab dem 31. August in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea internationale künstlerische Positionen. Zum deutschen Mauerfall-Jubiläum kooperiert es mit dem Goethe-Institut Korea: Gastkurator ist Nikolaus Hirsch, Beiträge kommen von Simon Fujiwara, Florian Hecker, Ingo Niermann und Tomás Saraceno.

Seit über 60 Jahren stehen sich am Rand der sogenannten „entmilitarisierten“ Zone zwischen Nord- und Südkorea, der DMZ, zwei schwer bewaffnete Armeen gegenüber. Den Grenzstreifen selbst dürfen Soldaten nicht betreten, er wird von der UN kontrolliert. 2012 hat eine Gruppe von Künstlern um die Kuratorin Kim Sunjung diesen irregulären Ort zum ersten Mal für ein Kunstfestival genutzt. Das Real DMZ findet seitdem jährlich statt. Bei der diesjährigen Ausgabe ist mit dem Gastkurator Nikolaus Hirsch und vier in Deutschland lebenden und wirkenden Künstlern der deutsche Beitrag die größte internationale Beteiligung.

Die DMZ besteht seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1953: Die beiden verfeindeten Seiten stimmten zu, sich von der militärischen Demarkationslinie jeweils zwei Kilometer zurückzuziehen. Diese Linie ist nur erkennbar durch zwei Stacheldrahtzäune, die parallel auf beiden Grenzseiten verlaufen. Die vier Kilometer breite Grenze erstreckt sich über 248 Kilometer entlang des 38 Breitengrads. Die Landschaft der Region wirkt heute von der hochmilitarisierten Umgebung größtenteils unberührt, sie ist geprägt von Landwirtschaft und ökologischer Idylle. Einige wenige Dörfer täuschen eine gewisse Normalität vor, der Zugang ist jedoch stark reglementiert.

Die Künstler Simon Fujiwara, Florian Hecker, Ingo Niermann und Tomás Saraceno entwickeln ihre Arbeiten für Real DMZ vor Ort. Vor dem Hintergrund des 25-jährigen deutschen Mauerfall-Jubiläums setzen sie sich auseinander mit dem Alltag an diesem Ort der Gegenüberstellung zweier politischer Systeme, sie nutzen verlassene Militärgebäude, Ruinen und Tunnelsysteme. Bei ihrer Arbeit auf dem südkoreanischen Gebiet der DMZ, nördlich der sogenannten Civilian Control Line, stehen sie unter ständiger Beobachtung – durch die wenigen Bewohner der Gebiets, vor allem aber durch offizielle Stellen. Andererseits ermöglicht das Festival einen einzigartigen Freiraum.

Kurzbiografien der Künstler

Simon Fujiwara studierte Bildende Kunst an der Städelschule in Frankfurt am Main und Architektur an der Cambridge University. Ausgangspunkt seiner Performances, Installationen und Künstlerbücher ist meist seine eigene Biografie, die er um Mythen und historische Ereignisse erweitert und so zum Spiegelbild gesellschaftlicher Sehnsüchte werden lässt. Seine Arbeiten hat er unter anderem in Einzelausstellungen in der Tate St Ives und der Julia Stoschek Collection in Düsseldorf gezeigt.

Florian Hecker studierte Computer- und Psycholinguistik in München und Bildende Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Wien. In seinen Installationen und Performances greift er die elektroakustische Musik und andere Tendenzen der Nachkriegsmoderne auf. Dabei stehen nicht der Klangkörper oder die Musik selbst im Fokus, sondern der Rezipient und seine Wahrnehmung. Mit seinen Arbeiten war Hecker auf der documenta 13 in Kassel vertreten, in der Londoner Tate Modern und bei Einzelausstellungen zum Beispiel im MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main.

Ingo Niermann studierte Philosophie. Die Arbeiten des Autors und bildenden Künstlers polarisieren: Mit intelligenter Satire und Ironie setzen sie sich mit gesellschaftspolitischen Themen wie der Kriegspolitik oder der Erinnerungskultur auseinander. 2007 begann er mit der Realisierung seiner Installation „Große Pyramide“ bei Streetz in Sachsen-Anhalt und 2012 war er beteiligt an der Documenta 13. Sein jüngster Roman ist „Deutscher Sohn“ (2010).

Tomás Saraceno studierte Kunst und Architektur an der Universität Buenos Aires und der Frankfurter Städelschule. In seinen raumfüllenden dreidimensionalen Arbeiten entwickelt er neue Raumnutzungskonzepte und stellt den Aspekt der sozialen Interaktion in den Mittelpunkt. Seine Arbeiten waren zu sehen unter anderem auf der Venedig-Biennale, auf dem Dach des Metropolitan Museum of Art in New York und im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.

Begonnen hat das Real DMZ Festival als kritische Auseinandersetzung mit der innerstaatlichen Grenze Koreas. Es vereint Beiträge internationaler Künstler aus verschiedenen Disziplinen an einem Ort des Konflikts, zwischen Barrieren, im Spannungsfeld von Bipolarität und existentieller Gefahr. Die erste Ausgabe ironisierte und hinterfragte den Status Quo dieses andauernden Konfliktes, der sich schon lange aus dem alltäglichen Leben Südkoreas entfernt hat. Dieses Jahr beschäftigt sich das Festival mit grundsätzlichen Fragen zu geopolitischen Barrieren und innerstaatlichen Grenzen. Als langfristiges Kunstprojekt geplant, zielt Real DMZ auf einen Dialog zwischen koreanischen und internationalen Künstlern und in letzter Konsequenz mit der lokalen Bevölkerung vor Ort, deren alltägliches Leben von der Grenze geprägt ist. Weitere künstlerische Positionen kommen in diesem Jahr von Seung Woo Back, Jae Eun Choi, Seoyoung Chung, Joohyun Kim, Koo Jeong A, Dinh Q. Lê, Mark Lewis, Aernout Mik, Albert Samreth und Adrián Villar Rojas.

Das Kunstareal kann nach vorheriger Anmeldung bei den koreanischen Behörden besucht werden oder im Rahmen der wöchentlich organisierten Bustouren (Abfahrt vom Artsonje Center in Seoul). Die Vernissage am 30. August 2014 findet wie in den Vorjahren als Bustour statt.

Das Festival für zeitgenössische Kunst Real DMZ wird 2014 ausgerichtet vom Artsonje Center Seoul, dem Goethe-Institut Korea und dem Art Council Korea.

Links zum Thema
www.realdmz.org
www.goethe.de/seoul

Christoph Mücher
Pressesprecher und
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