13.02.2018: Theateraufführung in Istanbul
NSU-Theaterstück „Auch Deutsche unter den Opfern“ von Tuğsal Moğul in Istanbul

Der NSU-Prozess ist einer der komplexesten Prozesse der jüngeren deutschen Geschichte. In dem Stück „Auch Deutsche unter den Opfern" inszeniert der Regisseur und aktuelle Stipendiat der Kulturakademie Tarabya Tuğsal Moğul die Mordserie der rechtsextremen Gruppe als eine Chronologie des Scheiterns. Nach Premieren in Deutschland zeigt Moğul das Stück nun erstmals in der Türkei. Am 16. Februar 2018 ist es im Istanbuler Theater Kumbaracı50 zu sehen. Auszüge werden zudem am 2. März 2018 am deutschen Generalkonsulat Istanbul gezeigt, begleitet von einer Podiumsdiskussion.

Zwei Bombenanschläge, 15 Raubüberfälle, zehn Morde – darunter neun Menschen mit griechischer, türkischer und kurdischer Herkunft: Das ist die traurige Bilanz des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Der seit fünf Jahren andauernde Prozess über die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle ist bis heute trotz intensiver Aufarbeitung lückenhaft und offenbart beklemmende Einblicke in die deutschen Abgründe der Nachwendezeit: Jahrelang wurde den Opfern mit Migrationshintergrund eine Verwicklung in die Machenschaften der organisierten Kriminalität unterstellt. Gleichzeitig schlossen nahezu sämtliche mit der Sache befasste Beamte einen rechtsextremen Hintergrund der Täter aus. Was wäre gewesen, wenn die Opfer deutsche Namen und die Täter nichtdeutsche Namen getragen hätten?

In seinem Stück „Auch Deutsche unter den Opfern" versammelt der Theatermacher Tuğsal Moğul intensiv recherchierte Fakten und Aussagen, Polizeimeldungen und Politikerstatements zur NSU-Mordserie und zu rechter Gewalt. Vom Dokumentartheater bis zur bitterbösen Satire rekonstruiert er die Morde der Terrorgruppe und wagt gleichzeitig eine Prognose über den Ausgang des Prozesses, die sich schließlich in ein theatrales Totengebet verwandelt. Dabei wird immer wieder die Frage gestellt: Wie konnte es soweit kommen, und welchen Anteil hat jeder einzelne daran?

Im Rahmen seines Stipendienaufenthalts an der Kulturakademie Tarabya in Istanbul zeigt Tuğsal Moğul sein Stück nun ab dem 16. Februar 2018 mit türkischen Schauspielern im Istanbuler Theater Kumbaracı50. Erstmals wird die künstlerische Aufarbeitung des NSU-Prozesses auch für ein türkisches Publikum inszeniert. Weitere Aufführungen sind am 17. und 22. Februar 2018 vorgesehen. Zudem werden am 2. März 2018 im Rahmen einer szenischen Lesung Auszüge des Stückes am deutschen Generalkonsulat Istanbul gezeigt, gefolgt von einer Podiumsdiskussion mit Tuğsal Moğul, Maximilian Popp (Spiegel-Korrespondent Türkei) und Sebastian Scharmer (Anwalt der Nebenklage). „Auch Deutsche unter den Opfern" wurde im Januar 2015 unter der Regie des Autors am Theater Münster uraufgeführt. Weitere Gastspielorte waren u. a. in Berlin, Heidelberg, Stuttgart und Zwickau. 2016 wurde das Stück in Hamburg mit dem Monica-Bleibtreu-Preis als „Bestes Zeitgenössisches Drama" ausgezeichnet und 2017 vom WDR als Hörspiel vertont.

Tuğsal Moğul wurde 1969 in Neubeckum/Westfalen geboren. Der diplomierte Schauspieler, Regisseur, Anästhesist und Notarzt studierte neun Jahre parallel Medizin an den Universitäten Hannover, Wien und Lübeck sowie Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Zu seinen bekannten Stücken zählen neben „Auch Deutsche unter den Opfern" sein Debüt „Halbstarke Halbgötter" (2011) und „Die deutsche Ayse" (2015). Seine Stücke werden deutschlandweit gezeigt. Von Dezember 2017 bis Februar 2018 lebt und arbeitet Tuğsal Moğul als Stipendiat der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.kulturakademie-tarabya.de
www.kumbaraci50.com

Ein Projekt der Kulturakademie Tarabya, des Goethe-Institut Istanbuls und des Theaters Kumbaracı50.

Über die Kulturakademie Tarabya
Die Kulturakademie Tarabya in Istanbul wurde im Jahr 2011 auf Initiative des Deutschen Bundestags gegründet und ermöglicht einen künstlerischen Austausch zwischen der Türkei und Deutschland. Das Residenzprogramm wird von der Deutschen Botschaft Ankara betrieben, das Goethe-Institut trägt die kuratorische Verantwortung. Seit dem Einzug der ersten Stipendiatinnen und Stipendiaten vor sechs Jahren haben über sechzig herausragende Künstlerinnen und Künstler auf dem Gelände der historischen Sommerresidenz des deutschen Botschafters an ihren Projekten gearbeitet, darunter die Schriftstellerin Nino Haratischwili, der Fotograf Jim Rakete, die Theaterautorin Marianna Salzmann, die Jazz-Musikerin und Komponistin Angelika Niescier oder die Bildende Künstlerin Nevin Aladağ.

Kontakt:

Viola Noll
Stv. Pressesprecherin
Goethe-Institut
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noll@goethe.de

Lena Alpozan
Öffentlichkeitsarbeit
Kulturakademie Tarabya
Tel.: +90 212 2492 009
lena.alpozan@goethe.de