Anisa Sabiri - Regisseurin und Drehbuchautorin aus Tadjikistan

Anisa Sabiri - Regisseurin und Drehbuchautorin aus Tadjikistan
© Privat

• Haben Sie schon als Kind davon geträumt, eine Regisseurin zu werden?
Ehrlich gesagt, nein. Aber mit 14 oder 15 Jahren habe ich in mir das große Interesse an Regie entdeckt. Erst im Jahr 2016 bin ich zu einer richtigen Regisseurin geworden. 

• Wo und was haben Sie studiert?
Ich habe Jura in an der Moskauer Universität des russischen Innenministeriums studiert und habe das Studium mit Titel des Polizeileutnants abgeschlossen. Nach einigen Jahren habe ich mein Masterstudium in London Film School gemacht.
 
• Sind Sie momentan Jurist und Regisseurin gleichzeitig?
Als Juristin arbeite ich nicht mehr, ich bin eine Künstlerin. Ich habe mit meinem Juradiplom als eine Managerin eine Weile gearbeitet, ich bekam ein gutes Einkommen. Aber es war nicht das, was ich wirklich machen wollte. Mein Herz schlägt für die Kunst. Ich denke, Jura ist nicht ganz meins. 

• Was würden Sie sagen, seit wann sind Sie eine Regisseurin geworden? 
Seit 2016. Als ich nach Moskau für eine Weile umgezogen bin, habe ich ein Studium im Labor des deutschen Regisseurs und Kameramanns Fred Kelemen angefangen. Ich habe mit 30 Kommilitonen zusammen studiert und an einigen Projekten gearbeitet. Nach dem ich mit dem Studium fertig war, habe ich einen Kurzfilm „Tränen des Tanburs“ (Plach Tanbura) gedreht, der in 26 Filmfestival gezeigt wurde.
 
• Wir interessieren uns auch für diesen Beruf. Was würden Sie uns empfehlen?
Ich würde empfehlen, mehr zu lesen und wirklich unterschiedliche Autoren zu lesen. Man kann sich auch mit der Philosophie auseinandersetzen und neue Kenntnisse für sich gewinnen. Außerdem soll man mutig sein und einfach versuchen die Ideen auf dem Kopf zu realisieren. 

• Was haben Sie in London an der Film School gelernt? 
Hier habe ich gelernt die Arbeit der anderen Menschen nicht ständig zu bewerten, sondern wertschätzen und wirklich frei denken. Bei uns in Tadschikistan ist es leider nicht so. 

• Welcher von Ihren Filmen ist berühmt?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, welcher Film sehr bekannt ist. Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Mein Film „Tränen des Tanburs“ (Plach Tanbura) wurde in vielen Festivals gezeigt und ich habe einige Preise für diesen Film bekommen. Im Moment arbeite ich an einem neuen Film „Victim of lost time“. Dieser Film muss noch übersetzt werden. In diesem Film geht es um die musikalischen Instrumente des tadschikischen Volkes, die langsam mit der Zeit verloren gehen. Es ist auch ein sehr schöner Film. 

• Hatten Sie Schwierigkeiten als Frau in Ihrer Arbeit?
In Zentralasien als Frau diesen Beruf auszuüben ist sehr schwer, finde ich. Die meisten Kollegen von mir sind Männer. Und für mich als eine Regisseurin, die neu in diesem Bereich war, war am Anfang nicht leicht. Als wir den Film „Tränen des Tanburs“ (Plach Tanbura) gedreht haben, wurde ich von vielen Kollegen, die an dem Film mitgearbeitet haben, ständig belehrt. Sie sahen in mir eine unerfahrene junge Frau. Es hat für mich ein wenig gedauert, bis ich Mut gefunden habe, auf die Anmerkungen und Vorschlägen von den anderen Menschen Nein zu sagen und genau meine Vision im Film zu zeigen. 
Außerdem war es für mich am Anfang sehr schwer, von den anderen Regisseuren in Tadschikistan akzeptiert zu werden. Da ich kein „richtiges“ Studium in diesem Bereich habe (was viele heutzutage immer noch als eine Pflicht sehen, um einen Beruf ausüben zu können), anerkennen mich anderen Regisseuren in meinem Land nicht als eine Regisseurin. Während meines Studiums an der London Film School habe ich mit den anderen Studenten aus dem GUS-Raum mich über dieses Thema ausgetauscht. Viele von denen haben Mobbing-Erfahrungen von anderen Regisseuren, nur weil sie die Regie nicht studiert haben. Unser Masterstudium war ein Jahr und für viele meine Landleute ist es kein „richtiges“ Studium im klassischen Sinne. Ich wurde am Anfang in Tadschikistan von den anderen Kollegen nicht ernst genommen. Wahrscheinlich war es das Schwierigste für mich, mich daran zu gewöhnen. Aber heute schenke ich nicht mehr Aufmerksamkeit darauf. 

• Würden Sie in einer der usbekischen Städte einen von Ihren Filmen drehen?
Ich arbeite gerade an einem Film, der „Tightrope“ („Seiltänzer“) heißt. Seiltänzer ist ein Film über das Leben von drei Menschen, die sich unter den schwierigen Bedingungen der frühen postsowjetischen Zeit befinden und weiterhin für ihre Träume leben und für sie auch kämpfen. Ich denke die manchen Szenen von diesem Film werden wir in Bukhara drehen, weil die schönen uralten Gebäude von dieser Stadt gut zum Ambiente der postsowjetischen Zeit passen. 

• Woher bekommen Sie Ihre Inspiration?
Wenn der Mensch lebt, bekommt er Inspiration. Ich kriege Inspiration von der Geschichte meines Volkes. Ich bekomme sehr viele inspirierende Gedanken vor allem von den Geschichtsbüchern. Die Zeilen, die beschreiben, wie das Leben früher war, inspirieren mich. Außerdem bekomme ich immer neue Sichtweise durch die Gespräche mit meiner Mutter oder meiner Großmutter. Sie erzählen mir, wie das Leben früher war. Es ist sehr faszinierend, wie schnell unser Leben sich verändert hat. Durch meine Gespräche mit den älteren Menschen verstehe ich das Leben der Menschen besser. 

• Wofür interessieren Sie sich?
Ich interessiere mich für Kunst und Philosophie. Ich mag Ausstellungen besuchen, Bücher lesen und neue Filme schauen. 

• Wen lesen Sie gerne? 
Von den persischen klassischen Dichtern lese ich gerne Firdausi, Saadi und Attar. Von den europäischen Denkern mag ich Nitsche und Dostojewski. Außerdem mag ich die Werke von dem tadschikischen Schriftsteller Bahmaniyor Ravaniy, der im magischen Realismus Werke geschaffen hat. 

• Haben Sie Zukunftspläne?
Wie ich Ihnen schon erzählt habe, habe ich schon ein fertiges Drehbuch für den Film „Tightrope“ („Seiltänzer“). Ich möchte bald den Film drehen. Ich werde im Dezember nach Tadschikistan fliegen und passende Locations für den Film abchecken. Außerdem arbeite ich parallel an meinem Film „Victim of lost time“. 

• Waren Ihre Eltern am Anfang gegen Ihren Beruf?
Ich habe meinen Vater verloren, als ich 14 war. Meine Mutter war von Anfang dagegen deswegen habe ich auch Jura studiert. Aber nachdem meine Mutter gesehen hat, dass ich wirklich diese Arbeit mag und sehr gerne sie mache, war sie nicht mehr dagegen. Umgekehrt, sie ist sehr stolz auf mich und unterstützt mich sehr. 

Die Texte geben wir authentisch wieder und bedanken uns herzlichst bei allen Beteiligten für die Mitwirkung bei diesem Projekt.